Der Mittelmeerraum gilt im europäischen Kollektivgedächtnis als "Wiege Europas" und Anfangspunkt "abendländischer" Geschichte. Genauso markiert in gängigen Geschichtsnarrativen das Mittelmeer einen imaginären Bruch zwischen Orient und Okzident. "Der Islam" kann so in europäischen Diskursen als "Fremdkörper" konstruiert und aus der Vorstellung einer gemeinsamen kulturellen Identität ausgestoßen werden. Währenddessen vereint die Geschichte des Mittelmeerraums auf drei Kontinenten Christentum, Judentum und Islam. Nur eine Ausblendung der geschichtlichen Komplexität des Mittelmeerraums als kosmopolitischer Region ermöglicht es, die "abendländische" als eine rein christliche oder jüdisch-christliche Geschichte aufzufassen. Das islamische Erbe Europas resultiert etwa aus dem jahrhundertelangen Kulturaustausch während der islamischen Kolonisierung des europäischen Mittelmeerraums, die die süditalienische Insel Sizilien einst zu einem Teil Nordafrikas machte. Seit Anbeginn menschlicher Besiedlung ein Schmelztiegel der Kulturen, war Sizilien wie Andalusien im Mittelalter Teil des Maghrebs, des westlichen islamischen Reichs.