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Maxi Obexer reist in der Zeit der großen Flüchtlingsbewegungen, also dem »längsten Sommer«, wie diese Zeit vielfach genannt wurde, aus Südtirol in ihren Wohnort Berlin, um endlich ihren deutschen Pass zu erhalten. Sie merkt wieder:Auch sie ist eine Migrantin, innerhalb Europas, und sie war und sie wird immer eine Migrantin bleiben. Gleichzeitig beobachtet sie Flüchtlinge im Zug, die nicht so einfach die Grenzen passieren dürfen. Diese Beobachtung bietet ihr einen Anlass dazu, in ihrem eigenen Leben sowie in Geschichten, die sie recherchiert hat, über den Zusammenhang von Nationalität und »Daseindürfen« zu reflektieren.…mehr

Produktbeschreibung
Maxi Obexer reist in der Zeit der großen Flüchtlingsbewegungen, also dem »längsten Sommer«, wie diese Zeit vielfach genannt wurde, aus Südtirol in ihren Wohnort Berlin, um endlich ihren deutschen Pass zu erhalten. Sie merkt wieder:Auch sie ist eine Migrantin, innerhalb Europas, und sie war und sie wird immer eine Migrantin bleiben. Gleichzeitig beobachtet sie Flüchtlinge im Zug, die nicht so einfach die Grenzen passieren dürfen. Diese Beobachtung bietet ihr einen Anlass dazu, in ihrem eigenen Leben sowie in Geschichten, die sie recherchiert hat, über den Zusammenhang von Nationalität und »Daseindürfen« zu reflektieren.
Autorenporträt
Maxi Obexer wurde 1970 in Brixen, Südtirol, Italien, geboren und studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Theaterwissenschaft in Wien und Berlin. Bereits während ihres Studiums wurde sie für ihre ersten Theaterstücke ausgezeichnet. Heute ist sie freischaffende Autorin von Theaterstücken, Hörspielen, Essays, Erzählungen und Reportagen.Ihr Stück »Die Liebenden« (1999) produzierte sie als Hörspiel im WDR, viele Hörspiele folgten. Für ihr Stück »Illegale Helfer«, das im Sommer 2016 uraufgeführt wurde, erhielt sie den Robert Geisendörfer Preis und den Eurodram-Preis. Ihr Debütroman »Wenn gefährliche Hunde lachen« erschien 2011. Obexer war Max-Kade-Gastprofessorin in den USA und unterrichtet seit 2009 an der UDK Berlin das Fach Szenisches Schreiben. Die Süddeutsche Zeitung meinte: »Obexer schreibt auf unaufdringliche Weise packend.«
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2017

Fremd bin ich ausgezogen
Maxi Obexer erzählt in einem Romanessay von ihrer Emigration aus Südtirol

Es ist Maxi Obexers Herzensthema: die Flucht. Immer wieder taucht es im Werk der in Brixen in Südtirol geborenen Autorin auf. In ihrem neuen Romanessay "Europas längster Sommer" widmet sie sich ebenfalls diesem Thema. Die größeren Zusammenhänge von Obexers Abhandlung sind Europa und - wie der Buchtitel schon vorwegnimmt - die Flüchtlingsbewegungen, die im Sommer 2015 die europäische Politik auf die Probe stellten. Der Sommer des "Wir schaffen das" und der schier unglaublichen Solidarität aus der Bevölkerung, aber auch der politischen Überforderung.

Die Flucht, die jedoch den Ausgangspunkt für den knapp hundert Seiten langen Romanessay bildet, geschah früher. Maxi Obexer zog zwecks Studium aus ihrer Südtiroler Heimat nach Berlin. Der Grund: Sie wollte endlich ein normales Verhältnis zu ihrer Muttersprache aufbauen. In ihrer offiziell italienischsprachigen Heimat ist Deutsch nur ein regionaler Dialekt, die Bindung zum Deutschen wurde von ihr nie in Gänze ausgelebt. In Berlin konnte sie nun also eine intimere Bindung zu ebenjener Sprache und deren Wörtern aufbauen: "Ich wanderte aus, um eine Sprache zu finden, und mit ihr wanderte ich zu mir", sagt sie an einer Stelle im Buch. Doch ohne Hindernisse ging das nicht. Obexer fühlte sich ausgeschlossen aufgrund ihres markanten Südtiroler Akzents: Von einer Berliner Beamtin wurde sie gefragt, ob es Deutsch sei, was sie da spreche. Sie traute sich kaum, sich in Universitätsseminaren zu melden, auch ihre Verlegerin bemerkte den Dialekt in Gesprächen.

Diese sprachliche Ausgangssituation nutzt Obexer vor allem im starken ersten Teil des Buches gekonnt, um eine Art deutsch-deutsche Einwanderungsgeschichte entstehen zu lassen, deren Symbolik tiefgreifenden Wert hat. Die 1970 geborene Obexer beleuchtet anhand ihrer eigenen - wohl gemerkt innereuropäischen - Wanderung das bürokratische Wirrwarr bei Staatenwechsel wie auch die Bedeutung von Nationalstaaten in Zeiten offener Grenzen. Es werden grundlegende Fragen zur Krise der europäischen Identität aufgeworfen, die Obexer auch durch ihre eigene Vita kennt und in bemerkenswerter Manier daran zu erläutern versucht. Die Deutsch-Italienerin hinterfragt in ihrem Essay mehrfach das Konzept einer Landeszugehörigkeit, erzählt davon, dass sie im Gespräch in einem Berliner Café weder als "Wessi" noch als "Ossi", aber als "Südin" bezeichnet wurde. Essentielle Fragen der kulturellen Zugehörigkeit werden hier hinterfragt, das grundlegende Staatendenken scheint in diesem Zusammenhang obsolet - ein Resultat des offenen Europas?

Doch woran macht sich Zugehörigkeit fest? An einem dialektfreien Hochdeutsch etwa? Oder am richtigen Personalausweis? Hier werden Fragen der Heimat, der modernen Identität aufgeworfen. Und diese müssen - so Obexer - nach dem schicksalhaften Sommer 2015 neu gedacht werden: Für die Schriftstellerin war es der Sommer, an dem man "über die Grenzen hinaus" und in ein "Europa hinein" dachte. Die "Festung Europa" und der latente Nationalismus schienen in diesen Tagen überwunden. Doch wie viel ist davon heute noch übrig - im Europa von Kurz, Orbán und Kaczyinski?

Besonders im späteren Teil des Buches tendiert Obexer leider dazu, in einen belehrenden Duktus zu wechseln: Sie beschreibt, was Europa ihrer Meinung nach sein soll und was nicht, fragt zwar nach den Ursachen, benennt aber nur spärliche Eckpunkte und bedient sich bereits bekannter Bilder, die aber in ihrer größeren Argumentation ins Nichts führen. Bei diesen Passagen werden Themen eher angeschnitten, komplexe Sachverhalte vereinfacht und wertend dargestellt - somit bleibt nicht mehr als ein schnödes Kratzen an der Oberfläche. Das ist besonders schade, da doch am Anfang das Thema so besonders angegangen wurde: Vom Biographischen und Ungewöhnlichen wechselt Maxi Obexer später zu oft ins Verallgemeinernde.

Beim diesjährigen Bachmannpreis las Maxi Obexer ebenfalls aus "Europas längster Sommer" und löste damit bei der Jury gespaltene Reaktionen aus, bei denen nur wenige Mitglieder auf einen gemeinsamen Nenner kamen. Am Ende blieb ihre Arbeit unprämiert.

In seiner Art und Weise ist der Romanessay von Maxi Obexer sicherlich etwas Besonderes und auch - speziell in den Passagen, in denen Obexer ihr eigenes Leben in Südtirol und Berlin erzählt - ein gelungener, relevanter Text, dessen Alleinstellungsmerkmal aber durch die stark verallgemeinernde und übermäßig-moralisierende Stellung Obexers zur europäischen Flüchtlingspolitik getrübt wird.

FLORIAN KÖLSCH

Maxi Obexer: "Europas längster Sommer". Roman.

Verbrecher Verlag, Berlin 2017. 112 S., geb., 19,-[Euro].

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