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Die radikale Rechte hat hohe Erwartungen. Bei der Europawahl 2014 wollen verschiedenste Parteien aus zahlreichen Ländern vom rechten Rand in das Europaparlament ziehen. Seit Jahren eint diese Parteien und Bewegungen zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus das Nein zur Europäischen Union. Ein Nein zur EU bedeutet aber kein Nein zur Europawahl. In Brüssel wollen sie sich gegen das "Völkergefängnis", das "Bürokraten, Wirtschaftslobbyisten und Einwanderungsideologen errichtet" hätten, einsetzen. Aufgreifen werden sie auch die bestehenden Sorgen wegen des Euro und die sich verfestigenden…mehr

Produktbeschreibung
Die radikale Rechte hat hohe Erwartungen. Bei der Europawahl 2014 wollen verschiedenste Parteien aus zahlreichen Ländern vom rechten Rand in das Europaparlament ziehen. Seit Jahren eint diese Parteien und Bewegungen zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus das Nein zur Europäischen Union. Ein Nein zur EU bedeutet aber kein Nein zur Europawahl. In Brüssel wollen sie sich gegen das "Völkergefängnis", das "Bürokraten, Wirtschaftslobbyisten und Einwanderungsideologen errichtet" hätten, einsetzen. Aufgreifen werden sie auch die bestehenden Sorgen wegen des Euro und die sich verfestigenden Ängste gegen den Islamismus. Von den gesellschaftlichen Rändern bewegen sich auch subkulturelle Netzwerke zur Mitte der Politik. Wie viel Gefahr droht Europa von rechts?, fragen Martin Langebach und Andreas Speit.
In Reportagen wird erstmals ein gesamteuropäischer Überblick über die wichtigsten Parteien, Bewegungen und Subkulturen der radikalen Rechten gegeben. Mittels aktueller Studien, Dokumenten aus privaten und öffentlichen Archiven sowie Informanten aus der Szene beschreiben die beiden Autoren Strategie, Programmatik, Organisation und Vernetzung der verschiedenen Gruppierungen. Ergänzt durch Interviews vor Ort aus über elf Ländern sowie Berichten von Veranstaltungen und Demonstrationen, an denen die Autoren undercover teilgenommen haben, entsteht ein präzises Bild der aktuellen Situation.
Autorenporträt
Langebach, Martin
Martin Langebach, Jahrgang 1970, ist Soziologe und Sozialpädagoge. Als Referent des Vereins Argumente und Kultur gegen Rechts e.V. engagiert er sich aktiv gegen Rechtsextremismus. Zu seinen Publikationen zählt unter anderem der mit Andreas Speit und Fabian Virchow herausgegebene Sammelband »88 Fragen und Antworten zur NPD. Weltanschauung, Strategie und Auftreten einer Rechtspartei - und was Demokraten dagegen tun können« (2008).

Speit, Andreas
Andreas Speit ist Sozialökonom und Journalist. Er schreibt u. a. für die TAZ sowie für den Zeit-Blog Störungsmelder. 2012 zeichnete ihn der Deutsche Journalisten-Verband mit dem Sonderpreis »Rechtsextremismus im Spiegel der Medien« aus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.2013

Verbreitung der Ressentiments
Radikale Rechte in Europa

Die politische Rechte in Europa verzeichnet beständige Geländegewinne. Am 16. Juni 2012 zog der französische "Front National" mit Gilbert Collard und Marion Maréchal-Le Pen in die Nationalversammlung ein. Jean-Marie Le Pen, Großvater der jüngsten Abgeordneten der Fünften Französischen Republik, bekundete sein Lob: "Sie ist noch besser, als ich gedacht habe." Am Abend des 4. Juni 2009 standen die Ergebnisse fest. Bei der Wahl zum Europäischen Parlament erreichte die niederländische "Partij voor de Vrijheid" 17 Prozent und konnte vier Abgeordnete nach Straßburg entsenden.

Martin Langebach und Andreas Speit haben sich auf den Weg durch Europa gemacht, um Programme und Personal der radikalen Rechten aufzuspüren. Von Februar bis Dezember 2012 haben sie "regionale Hotspots der militanten Szene und lokale Netzwerke radikaler Strukturen" in elf europäischen Ländern bereist. Im Ergebnis steht eine uneinheitliche rechte Szene, die jedoch in der Auffassung geeint ist, "dass sie eine plurale und demokratische Gesellschaft ablehnt und bekämpft". Mittels teilnehmender Beobachtung - teilweise unter Verheimlichung ihrer eigenen Identität - sind die Autoren zu ihren Erkenntnissen gelangt. Auf Parteikundgebungen und Diskussionsrunden, am Rande von Straßenwahlkämpfen und bei Parlamentssitzungen haben Langebach und Speit ihre Recherchen durchgeführt. Sie sprachen sowohl mit Aktivisten der rechten Szene als auch mit Aussteigern, befragten Wissenschaftler und diskutierten mit Politikern und gesellschaftlichen Initiativen, die sich mit rechter Politik auseinandersetzen.

In den Monaten ihrer Recherche sind Langebach und Speit tief in die Szene der radikalen Rechten in Europa eingetaucht. Ihre Beobachtungen haben sie zu Texten verdichtet, die zwischen Reisebericht und länderspezifischer Erzählung liegen. Über weite Strecken bleiben die Darstellungen in der analytischen Flachwasserzone. Die Autoren ziehen sich auf die reine Darstellung zurück, komponieren ein Narrativ, während sie die Analyse anderen überlassen. Journalisten und Wissenschaftler, die zum Rechtsradikalismus forschen, werden mit ihren Einschätzungen und Interpretationen zitiert.

Hierzulande arbeitet die NPD mit viel Engagement an einem positiven öffentlichen Erscheinungsbild. Sie möchte "weg vom Image einer Altherrenpartei mit ewiggestrigem Programm hin zum Profil einer Kümmererpartei mit sozialer Ausrichtung". Im mecklenburgischen Lübtheen dringt die NPD mit "Skat- und Spieleabenden, gemeinsamem Singen, Plattdeutschkursen und gemütlichen Frauenabenden mit Zeit zum Handarbeiten" in die Kapillarstrukturen der örtlichen Gesellschaft vor. Damit gleicht sie einem Vexierbild: Nach außen tritt die Partei "bemüht bürgernah-moderat" auf, doch nach innen "für die Partei radikal-aggressiv".

Trotz deutlicher Unterschiede in Programm und Ausrichtung eint die europäische Rechte das Ziel, gestärkt aus den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2014 hervorzugehen. Die Lage ist damit paradox: Die Rechte baut auf die Verbreitung von Ressentiments gegen die politische Ordnung der EU. Gleichzeitig strebt sie eine starke Vertretung im europäischen Parlament an. Wie die Strandräuber ziehen die rechten Parteien durch die politische Landschaft Europas. Überall greifen sie Missstände auf und überzeichnen die Gefahren von ungesteuerter Zuwanderung, sozialem Abstieg, Überfremdung und Multikulturalismus.

"Die radikale Rechte ist vor allem dort stark, wo die demokratische Gesellschaft schwach ist und politische Leerräume entstehen lässt, in denen sich rechte Ressentiments entwickeln", urteilen Langebach und Speit. Den Treibstoff für die Erfolge der Rechten in ganz Europa bilden die Ängste und Sorgen der Bürger. Es sind "die Themen der nervösen Gesellschaft", die von rechten Parteien und Gruppierungen aufgegriffen, angesprochen und programmatisch orchestriert werden. Alle rechten Parteien, die europaweit aktiv sind, eint die Schreckensvision einer "Europäischen Union mit einer multikulturellen Gesellschaft".

Zwar gibt es unterschiedliche Formen des Austausches und der Kooperation sowie die Verständigung in Netzwerken, jedoch "bisher kaum eine geeinte europäische radikale Rechte, von der diese immer wieder träumt". Die Berichte der Autoren kommen zum Teil vom Rand der Gesellschaft, doch auch aus der gesellschaftlichen Mitte. Die Befunde geben Anlass, ohne Schwärmerei oder falsches Pathos gesellschaftlichen Problemen auf nationaler und europäischer Ebene ins Auge zu sehen. Mit Blick auf die Europawahl bleibt es die Aufgabe der etablierten Parteien, um die Zukunft der EU als Garant für Frieden, Vielfalt, Demokratie und Wohlstand zu werben.

HELGE F. JANI

Martin Langebach/Andreas Speit: Europas radikale Rechte. Bewegungen und Parteien auf Straßen und in Parlamenten. Orell Füssli Verlag, Zürich 2013. 287 S., 21,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wie wachsam Europas Demokraten sein müssen, erkennt Tanjev Schultz mit diesem Buch von Martin Langebach und Andreas Speit. Die Autoren werfen einen Blick auf rechtsnationale Parteien und Gruppierungen bei den europäischen Nachbarn und auch in der Schweiz und Norwegen und schauen auf Rechtsradikale im Europaparlament und transnationale Verbindungen. Dass den gesammelten Impressionen im Buch etwas analytische Tiefe bzw. Verdichtung nicht geschadet hätte, stellt Schultz allerdings auch fest. Dennoch, meint Schultz: Der Band ist leicht zu lesen und für einen ersten Einblick in die Thematik allemal geeignet.

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