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Die Diktaturen in Spanien, Portugal und Griechenland sind in Deutschland kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert, auch wenn sie bis in die 1970er Jahre existierten. Der Band nimmt diese 'vergessenen Diktaturen' vergleichend in den Blick und fragt nach ihren jeweiligen Charakteristika: Wie wurde Herrschaft ausgeübt und legitimiert? Wie endeten die Diktaturen und wie erinnern sich die postdiktatorischen Gesellschaften Südosteuropas an deren Verbrechen? Anknüpfend an die aktuellen, durch Populismus und Euroskeptizismus geprägten Debatten in den drei Ländern geht der Band zudem der Frage nach,…mehr

Produktbeschreibung
Die Diktaturen in Spanien, Portugal und Griechenland sind in Deutschland kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert, auch wenn sie bis in die 1970er Jahre existierten. Der Band nimmt diese 'vergessenen Diktaturen' vergleichend in den Blick und fragt nach ihren jeweiligen Charakteristika: Wie wurde Herrschaft ausgeübt und legitimiert? Wie endeten die Diktaturen und wie erinnern sich die postdiktatorischen Gesellschaften Südosteuropas an deren Verbrechen? Anknüpfend an die aktuellen, durch Populismus und Euroskeptizismus geprägten Debatten in den drei Ländern geht der Band zudem der Frage nach, inwieweit diese Entwicklungen in einem Zusammenhang mit spezifischen Diktaturerfahrungen und Formen der Diktaturüberwindung stehen und vergleicht dies mit scheinbar ähnlichen Entwicklungen in Ostmitteleuropa.
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Autorenporträt
Wlodzimierz Borodziej ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Warschau.Jörg Ganzenmüller, geboren 1969 in Augsburg, Prof. Dr. phil., studierte zwischen 1992 und 1999 Neuere und Neueste Geschichte, Osteuropäische Geschichte und Wissenschaftliche Politik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Zwischen 2000 und 2001 und zwischen 2002 und 2004 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere und Osteuropäische Geschichte an der Universität Freiburg. 2003 erfolgte seine Promotion an der Universität Freiburg mit einer Studie zum belagerten Leningrad. Von 2004 bis 2010 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zwischen 2008 und 2009 war er Stipendiat des Historischen Kollegs in München und habilitierte 2010 an der Universität Jena zum polnischen Adel in den westlichen Provinzen des russischen Zarenreichs. Zwischen 2010 und 2014 war er Vertreter des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte an der Universität Jena. Seit 2014 ist Jörg Ganzenmüller Vorstandsvors

itzender der Stiftung Ettersberg in Weimar. Im Herbst 2017 wurde er auf die Professur für europäischen Diktaturenvergleich an der Friedrich-Schiller-Universität Jena berufen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2019

Die vergessenen Diktaturen
Ein Vergleich der autoritären Regime in Spanien, Portugal und Griechenland

Die Geschichte Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg wird gemeinhin als ein Prozess fortschreitender Demokratisierung und europäischer Integration erzählt. Doch diese Erfolgsgeschichte hat mindestens drei Schönheitsfehler, die häufig ausgeblendet oder als anachronistische Überbleibsel einer vergangenen Epoche marginalisiert werden: die autoritären Regime in Spanien, Portugal und Griechenland. Mit diesen drei "vergessenen Diktaturen" beschäftigt sich ein Aufsatzband, den der Jenaer Historiker Jörg Ganzenmüller herausgegeben hat.

Das Buch ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass historische Vergleiche auch dann erhellend sein können, wenn sich am Ende herausstellt, dass es zwischen dem Verglichenen kaum Gemeinsamkeiten gibt, so wie in diesem Fall. Denn abgesehen davon, dass es sich um rechte Diktaturen handelte, die mit brutaler Gewalt gegen politische Gegner vorgingen, verband die autoritären Regime in Spanien, Portugal und Griechenland wenig.

In Spanien regierte der durch den Bürgerkrieg 1939 an die Macht gelangte Francisco Franco bis zu seinem Tod 1975 trotz mancher Liberalisierung mit harter Hand; Franco, der seinen kurzen Gastauftritt in den Schulbüchern oft unter dem Stichwort "Epoche des Faschismus" hat, hegte zwar auch noch nach Ende des Zweiten Weltkriegs große Sympathien für den italienischen Faschismus und den Nationalsozialismus. Gleichwohl verstand sich Franco selbst nie als Faschist und wird auch von den meisten Historikern heute nicht als solcher gesehen. Seine Diktatur wird in dem Buch als "nationalkatholisch" charakterisiert, weil Franco starke Unterstützung aus den Reihen der katholischen Kirche erhielt, vor allem aus dem Umfeld der Gemeinschaft "Opus Dei". Insgesamt war die soziale Basis von Francos Herrschaft sehr heterogen. Neben national gesinnten Katholiken zählten Faschisten, Monarchisten, Militärs und Staatsbedienstete dazu.

Die Diktatur im Nachbarland Portugal währte von 1932 bis 1974 und war damit die bisher langlebigste rechte Diktatur in Europa. Ihre prägende Figur war António Oliveira Salazar. Das Regime des Professors für Volkswirtschaftslehre wurde vor allem von Großgrundbesitzern, der ländlichen Mittelschicht und Unternehmern getragen, die katholische Kirche und die Armee unterstützen Salazars Herrschaft nur in Teilen. Im Gegensatz zu Franco war Salazar auf Abstand zum italienischem Faschismus und zum Nationalsozialismus bedacht. Der menschenscheue Salazar verstand sich als Technokrat im Dienste seines Volkes und wollte zeitlebens nur als "Dr. Salazar" angeredet werden.

In Griechenland, das nach dem Ende des Bürgerkriegs 1949 zunächst zu einer parlamentarischen Demokratie wurde, putschte 1967 die Armee und errichtete eine Militärdiktatur, die sich bis 1974 hielt und in Ermangelung einer prägenden Herrscherpersönlichkeit auch "Obristenregime" genannt wird.

Ebenso unterschiedlich wie die Diktaturen selbst, waren jeweils die Umstände ihrer Überwindung. In Spanien gab es eine siebenjährige friedliche Übergangsphase zur Demokratie, die sogenannte "Transición", in welcher der noch von Franco eingesetzte König Juan Carlos I. als Moderator eine wesentliche Rolle spielte. Die Diktatur in Portugal wurde 1974 durch die sogenannte Nelken-Revolution zu Fall gebracht, die mit einer Rebellion von Armeeangehörigen begann und sich zu landesweiten Massenprotesten ausweitete. In Griechenland wiederum gab das Militär selbst die Macht an die politische Klasse zurück, nachdem das Regime sich nach dem von ihm initiierten Putsch gegen den zyprischen Präsidenten, Erzbischof Markarios III in eine aussichtslose Lage manövriert hatte. Gemeinsam ist allen drei Ländern, dass sie sich mit ihrer Vergangenheit schwertaten und -tun und deren Aufarbeitung erst mit großer Verzögerung begann.

Isoliert oder gar international geächtet waren die drei Diktaturen damals keineswegs, auch wenn Spaniens Beitrittsgesuch zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1962 mit der Begründung abgelehnt wurde, dass Diktaturen der Beitritt zur EWG nicht offenstehe. Vollmitglied der EG (1986) und der Nato (1982) wurde das Land erst nach dem Ende der Diktatur; 1970 gestand die EG Spanien jedoch in einem sogenannten Präferenzabkommen Zollvergünstigungen zu. Portugal, das mit den Azoren über einen strategisch bedeutsamen Standort für Militärstützpunkte verfügte, war hingegen Gründungsmitglied der Nato sowie der OECD und der Efta. In Europa gab es nicht wenige Politiker, die über das Regime Salazar öffentlich kein schlechtes Wort verlieren wollten. Grundsätzlich anders stellte sich die Lage im Fall Griechenlands dar, das schon Nato-Mitglied (seit 1952) war, als das Militär 1967 putschte. Die Vereinigten Staaten haben den Putsch in Griechenland nach Ansicht der meisten Historiker, anders als früher vor allem von der griechischen Linken oft behauptet, wohl nicht aktiv vorangetrieben. Nachdem klar war, dass die Putschisten die Zusammenarbeit mit Washington und der Nato nicht aufkündigen wollten und stramm antikommunistisch eingestellt waren, sahen die Amerikaner dann jedoch über viele eklatante Menschenrechtsverletzungen hinweg. Aufgrund der internationalen Verflechtung Griechenlands konnte sich die Junta dem Druck des Auslands jedoch weniger entziehen als die Diktaturen in Spanien und Portugal, wie der Historiker Janis Nalbadidacis darlegt. Im Zuge einer Untersuchung des Europarats wurden zahlreiche Dokumente publik, die systematische Folter durch die griechischen Sicherheitsbehörden belegten. Dass das Regime danach moderater mit politischen Häftlingen umging, war nach Ansicht vieler Beobachter ein Ergebnis des internationalen Drucks.

Schon auf der zweiten Seite des Buches wird schließlich die naheliegende Frage aufgeworfen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Diktaturvergangenheit in den drei untersuchten Ländern und den heutigen Erscheinungsformen des Populismus gibt. Denn es ist nicht zu übersehen: Während in den postsozialistischen Gesellschaften Ostmitteleuropas vor allem rechtspopulistische Parteien mit ihrer Europakritik Zulauf finden, ist in Spanien die linkspopulistische Podemos-Partei die drittstärkste Kraft im Parlament und in Griechenland regiert die linkspopulistische Syriza-Partei. In Portugal wiederum ist die Situation noch einmal anders; hier gibt es bisher so gut wie gar keine Populisten.

Eine abschließende Antwort auf die Frage, ob die noch lebendige Erfahrung rechter Diktaturen gegen die Parolen heutiger Populisten dieser Coleur immunisiert, aber anfällig für jene von Linkspopulisten macht, geben die Autoren wohlweislich nicht. Die politische Entwicklung gibt ihnen recht: In Spanien schaffte die rechtspopulistische Vox-Partei mittlerweile den Einzug in das andalusische Regionalparlament.

THOMAS JANSEN

Jörg Ganzenmüller: Europas vergessene Diktaturen? Diktatur und Diktaturüberwindung in Spanien, Portugal und Griechenland.

Böhlau Verlag, Wien 2019. 288 S., 35,- [Euro].

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