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Für den abschließenden dritten Band seiner Trilogie über die Frauen des 12. Jahrhunderts (Bd. 1: Heloise, Isolde und andere, Bd. 2: Mütter, Witwen, Konkubinen) wechselt Georges Duby erneut die Perspektive: Diesmal interessiert er sich für den Blick der Kirche auf die Frauen dieser Zeit. Erstmals wandten die Kleriker einen kleinen Teil ihrer (theologischen) Aufmerksamkeit dem weiblichen Geschlecht zu, und einige erkannten es tatsächlich als Pflicht der Kirche, auch den Frauen auf dem Weg zum Seelenheil Stütze und Halt zu geben - schon um sie vor den sich ausbreitenden christlichen Sekten zu…mehr

Produktbeschreibung
Für den abschließenden dritten Band seiner Trilogie über die Frauen des 12. Jahrhunderts (Bd. 1: Heloise, Isolde und andere, Bd. 2: Mütter, Witwen, Konkubinen) wechselt Georges Duby erneut die Perspektive: Diesmal interessiert er sich für den Blick der Kirche auf die Frauen dieser Zeit. Erstmals wandten die Kleriker einen kleinen Teil ihrer (theologischen) Aufmerksamkeit dem weiblichen Geschlecht zu, und einige erkannten es tatsächlich als Pflicht der Kirche, auch den Frauen auf dem Weg zum Seelenheil Stütze und Halt zu geben - schon um sie vor den sich ausbreitenden christlichen Sekten zu bewahren bzw. sie ihnen wieder zu entwinden. Einige wenige Spuren dieser seelsorgerischen Aufmerksamkeit finden sich in den Quellen - natürlich nur als männlicher Blick und nochmals verzerrt durch den geradezu archaischen, furchtsamen Haß der Kirche auf das unbekannte, sündhafte Weib. Georges Duby gelingt erneut das Kunststück, aus diesen Quellen Bilder von der besonderen Lebenswirklichkeit der Frauen im Mittelalter entstehen zu lassen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.1998

Eva, wo ist deine Rache? Adam, wo ist dein Sieg?
Frauen im Mittelalter dachten sich immer nur unangenehme Arbeit für Georges Duby aus / Von Michael Borgolte

Welche Wahl bleibt einem Forscher von höchster Reputation, der gegen Ende seines Lebens die Entdeckung machen muß, das Objekt seiner Wissenschaft verfehlt zu haben? In einer so unbequemen Lage befand sich der berühmte französische Mediävist Georges Duby, als er 1991 seine Autobiographie schrieb. Notabene: Hier handelt es sich nicht darum, daß ein Autor mit der Fragmentarität der eigenen Erkenntnis und der Erwartung schnell welkenden Nachruhms fertig werden mußte, denn beides war ihm als Existenzbedingung moderner Wissenschaft geläufig. Vielmehr ging es um die Frage, ob denn der Grundriß noch stimmte, auf dem das Werk beruhte. Das Forscherleben eines halben Jahrhunderts hatte Duby in der Tradition Marc Blochs auf die mittelalterliche Feudalgesellschaft verwendet und sich dabei von der Idee leiten lassen, "daß die Gesellschaft ein System ist, dessen Elemente sich allen ineinanderfügen".

Um zu verstehen, wie die feudale Gesellschaft funktionierte, hatte er sich 1981 auch mit der Frage beschäftigt, wie acht-oder neunhundert Jahre zuvor unter dem Einfluß des Christentums die Ehen geschlossen wurden: "Wie kann man die feudale Gesellschaft verstehen, wenn man nicht eine klare Einsicht in die Regeln gewinnt, nach denen der Ritter eine Frau nahm?" Erst am Ende seines Buches hatte der Autor dann die neue Schlüsselfrage gestellt: Was weiß man über die Frauen? War das Mittelalter so männlich, wie es scheint? Und vor allem: "Wie kann ich mir anmaßen, ein globales und ernstgemeintes Urteil über eine Population zu fällen, deren Sitten und Glaubensvorstellungen ich seit nunmehr fünfzig Jahren erforsche, wenn ich ungefähr die Hälfte dieser Population gar nicht in Betracht ziehe?"

Duby ließ sich von diesem Problem quälen, als ob es sein ganzes bisheriges OEuvre in Frage stellen könnte, und bekannte, daß sich seine Forschung und Lehrtätigkeit der letzten Jahre nur noch um die Frage der Frauen in der Feudalgesellschaft drehte. Kurz vor seinem Tod konnte er noch die Summe seines Bemühens vorlegen; jetzt ist dieses Buch, sein letztes und der Abschluß einer Trilogie zum Thema (zum ersten Band siehe F.A.Z. vom 9. Mai 1995), auch in deutscher Sprache erschienen. Kann es Neues bieten?

Duby hat das Buch so angelegt, wie man es von ihm seit langem kannte: als Abhandlung über das elfte und zwölfte Jahrhundert mit Rückgriffen auf die Zeit der Karolinger und unter Bezug auf die aktuelle Lage. War es ihm 1981 um die Entstehung desjenigen Rahmens der Ehe gegangen, der in der Gegenwart zerfällt, so interessiert ihn nun die Frauenfrage "angesichts der Bewegung, die vor unseren Augen eine grundlegende Umwälzung der seit den Anfängen der Geschichte bestehenden Beziehungen zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen in Gang gesetzt hat". Nach wie vor war Duby von der Irreversibilität des Fortschritts überzeugt, der bei ihm allerdings zur Überwindung von Vormoderne und Moderne zugleich führen sollte. Was würde er dazu sagen, daß buchstäblich in unseren Tagen Evolutionsbiologen die Frage aufwerfen, ob der Rollenwandel im Geschlechterverhalten nicht nur ein kurzfristiger Irrtum der Moderne war?

Auch die Quellenbasis, der Herkunft nach meist aus dem nördlichen Frankreich, entspricht seinen älteren Studien, hatte der Autor doch von jeher darauf beharrt, daß sich an ausgewählten Regionen die Entwicklungstendenz des feudalen Zeitalters überhaupt ermitteln lasse. Vor allem glaubte Duby, daß eine Annäherung an die mittelalterlichen Frauen nicht weiter führe als bis zu jenen Bildern, die sich geistliche Männer der Zeit von ihnen gemacht haben; denn nur Priester und Mönche hätten damals über Frauen geschrieben.

Wie hat sich also die Kirche mit ihren Normen und Amtsträgern in das Zusammenleben von Männern und Frauen einmischen und dieses nachhaltig ändern können? Das war Dubys Frage, aber nicht die nach den Frauen selbst, die er überlieferungsbedingt für unlösbar hielt. Der Autor studierte vor allem kirchenrechtliche Texte, Predigtsammlungen und theologische Traktate. Am Beginn des zweiten Jahrtausends, so eines seiner Ergebnisse, habe sich ein Wandel in den Beziehungen der Geschlechter zueinander ereignet, der die gesamte europäische Kultur zutiefst gekennzeichnet hat und dessen Wirkungen bis heute nicht vollständig erloschen sind. Die Kirche habe den Entschluß gefaßt, die Sexualität unmittelbar unter ihre Kontrolle zu bringen. Dabei wurden ältere, zum Teil biblisch begründete Gedanken erweitert, daß die Frau zu ungehemmter Wollust neige, die Herrschaft über Leben und Tod von Kindern, Gatten und des männlichen Samens erstrebe und diese mit magischer Gewalt an sich ziehen könne; deshalb wiederum müsse "Eva" unter der Herrschaft "Adams" stehen.

Nur aus dem Gefühl ständiger Bedrohung lasse sich schließlich erklären, daß die Männer der Jahrtausendwende den Beichtvätern zugestanden, ihre Frauen allein ins Verhör zu nehmen und deren geheimste Handlungen zu erforschen. Der Bischof Burchard von Worms wies seine Pfarrer zu unverblümten Fragen an: "Hast du getan, was manche Weiber tun, und dir eine gewisse Maschine in passender Größe gefertigt, hast du sie vor dein Geschlecht oder das einer Gefährtin gebunden und mit Hilfe dieses oder eines sonstigen Geräts mit anderen bösen Weibern Unzucht getrieben, oder haben andere es mit dir getan?" "Hast du mit deinem Knaben gehurt, ich meine, hast du ihn auf dein Geschlecht gesetzt und dich wie beim Huren gebärdet?"

Natürlich bekämpfte die Kirche neben der Unzucht vor allem die Abtreibungen, sie zeigte dabei aber am Beginn des elften Jahrhunderts bemerkenswerte Kraft zur Unterscheidung; so sollten die Beichtväter ermitteln, ob es "aus Armut" wegen der Mühsal, das Kind zu ernähren", geschehe oder "um die Sünde zu verbergen". Auch hielt Bischof Burchard das Vergehen für weniger schlimm, wenn die Leibesfrucht vernichtet wurde, ehe "der Geist hineinfuhr", ehe also zu spüren war, daß sich das Kind im Mutterleib bewegte. Der Zugriff des Klerus auf den Bereich, der den Männern traditionell unzugänglich war, bedeutete freilich keine einseitige Repression; denn die persönliche Befragung der Frauen in der Beichte schloß zugleich ein, diese als einsichts- und besserungsfähige Personen zu behandeln. Die eigentliche Zäsur in der hochmittelalterlichen Frauengeschichte lag nach Duby aber erst im späten zwölften Jahrhundert. Als die Ehe Sakrament wurde, galt es, die sexuelle Glut der Frauen zu kühlen. Jetzt bot der Abt Adam von Perseigne in seinen Predigten Damen von königlichem Geblüt Jesus selbst als Objekt ihrer leidenschaftlichen Liebe an.

Eine Adlige könne Gott gehören, während sie zugleich in den Armen des Gatten ihre ehelichen Pflichten erfülle. "Der leibliche Gatte ist der Gemahl deines Fleisches und Gott der Gemahl deiner Seele." Der Körper der Gattin sei behandelt worden wie ein Lehen, das der Herr (Jesus) seinem Vasallen (dem Gatten) unter bestimmten Bedingungen überließ; bis in die eheliche Zweisamkeit habe also das System des Feudalismus die Bindungen von Mensch zu Mensch als Bindungen der Abhängigkeit geprägt.

Wenn es der Dame gelinge, sich in den höchsten Erregungen des Liebesspiels zu zertrennen, den Körper diesem und die Seele jenem zu geben, wenn sie jedem ihre Schuldigkeit erweise, werde sie teilhaben an der himmlischen Gerechtigkeit. Abt Adam, so Dubys Analyse, war ein fortschrittlicher Mann; er habe den Frauen zugetraut, vernünftigen Begründungen, gar dem dialektischen Gedankengang Folgen zu können und die unerhörte Einschränkung ehelicher Liebe zum Gewinn einer religiös bestimmten Freiheit zu nutzen.

Kann man mit diesem Ergebnis des Buches zufrieden sein? Der Autor war es offenbar nicht; denn in seinem Schlußwort bekannte Duby, von den Frauen des zwölften Jahrhunderts nicht mehr als flüchtige, verschwommene und ungreifbare Schatten erblickt zu haben. Allerdings sei es nicht er, es seien die Männer als Zeitgenossen dieser Damen gewesen, die sie verfehlt hätten. An dieser Exkulpation zu zweifeln besteht freilich Anlaß; die Überlieferungen des Mittelalters erlauben durchaus, den Frauen der Zeit direkter zu begegnen, als Duby glauben machen will. Sein männlicher Blick auf das andere Geschlecht war gesteuert von dem verständlichen Wunsch, im eigenen Panorama der mittelalterlichen Gesellschaft am Ende auch "Eva" ihren Platz zuzuweisen. Deshalb waren die Geschlechterrollen aus seiner Sicht durch das Feudalverhältnis und dessen Wandlungen bestimmt.

Der holistische Begriff "Gesellschaft" ließ ebensowenig wie die aufklärerische Überzeugung vom Fortschritt der Geschichte dem Gedanken Raum, daß dem anderen Geschlecht - vielleicht vorläufig - der Stellenwert des Anderen, auch des Gegenläufigen, zugebilligt werden müsse. Ins Gebäude seines Werkes hat Duby, mit anderen Worten gesprochen, die Frauen zu spät Einzug halten lassen. Daß er sich aber als etablierter Historiker auf die neue Fragestellung überhaupt noch eingelassen hat, sollte ihm das Andenken eines Geschichtswissenschaftlers von ungewöhnlichem Format sichern.

Georges Duby: "Eva und die Prediger". Frauen im 12. Jahrhundert. Aus dem Französischen von Grete Osterwald. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1998. 224 S., geb., 34,- DM.

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