Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.05.2001Buch im Blick
Popcorn, Pawlow und
die Wahrheit über Frauen
FAITH POPCORN, LYS MARIGOLD: EVAlution. Die neue Macht des Weiblichen. Acht Strategien für frauenorientiertes Marketing. 335 Seiten. Heyne Verlag, München 2001.
Die US-Trendforscherin Faith Popcorn bewegt sich in ihrem neuen Buch auf einem Terrain, auf dem sie sich gut auskennt – Marketingstrategien, die speziell auf Frauen abgestimmt sind.
In acht „Wahrheiten” breitet sie zusammen mit ihrer Co-Autorin Lys Marigold aus, wie man der weiblichen Zielgruppe das Portemonnaie öffnet: indem man Verbindungen unter den Kundinnen herstellt, besonders zwischen Mutter und Tochter, weil Produktloyalitäten von einer Generation an die nächste weitergereicht werden. Indem man sein Marketing nicht nur auf die Geschäftsfrau, Mutter oder Partnerin ausrichtet, sondern auf alle Rollen, die Frauen spielen. Indem man ihre Bedürfnisse errät, ohne dass sie erst Lösungen dafür einklagen müssen. Und indem man „Marketing für ihr Peripheriesehen” macht, womit gemeint ist, dass man bei seiner Werbung subtil und nicht mit dem Holzhammer vorgehen sollte. Es reicht nicht, ein gutes Produkt zu haben, viel besser ist es, wenn gleich die ganze Firma gut ist, sprich: politisch korrekt, bis hin zum Sexleben des Vorstandsvorsitzenden.
Viele von Faith Popcorns Erkenntnissen sind einleuchtend. Dass Verbindungen zwischen den Menschen geschäftsfördernd sind, haben auch viele Unternehmen erkannt, die ihre Kunden mit Online-Communities und gemeinsamen Veranstaltungen an sich binden. Doch vieles von dem, was Faith Popcorn aufzählt und was sie als Geheimwissen verkauft, ohne das jedes Unternehmen zwangsweise scheitern und untergehen muss, ist schon seit einigen Jahren Standard, zumindest in den Industrienationen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Dass ein Unternehmen nicht durch Umweltschweinereien oder Ausbeutung von Kindern in Dritte-Welt-Ländern unangenehm auffallen sollte, um die Kunden nicht zu vergrätzen, ist weder in den USA noch in Europa neu.
Obwohl Faith Popcorn den Anspruch hat, dem Leser die weibliche Psyche aufzuschlüsseln und dabei viele Klischees und Pauschalisierungen bemüht, ist nur ein Bruchteil ihrer Empfehlungen wirklich frauenspezifisch. Auch Männer verbinden sich lebenslang mit Marken. Auch Männer haben gerne Kontakt zu anderen Menschen und wissen es zu schätzen, wenn man ihnen das Leben erleichtert. Und was die Werbung mit dem Holzhammer angeht, so wirken Faith Popcorns Ego, das im Text aufdringlich präsent ist, und das Loblied auf ihre Firma BrainReserve sicher weder auf Frauen noch auf Männer ausschließlich positiv.
Wenig Begeisterung weckt auch, wie das Buch Frauen mystifiziert und glorifiziert, oft auf Kosten des anderen Geschlechts. Ein Beispiel: Popcorn lässt sich darüber aus, dass Frauen die natürliche Fähigkeit haben, Bedürfnisse vorwegzunehmen. „Männer hingegen können so nicht denken”, setzt sie cool hinzu. „Es sei denn, sie wurden (wie die Pawlowschen Hunde) durch die Elektroschocks weiblicher Enttäuschung sorgfältig abgerichtet.”
Schafft man es an dieser Stelle weiterzulesen, erfüllt das Buch durchaus seinen Zweck. Faith Popcorn versprüht neben Entgleisungen Pawlowscher Art ein Feuerwerk an Ideen und Vorschlägen, die brauchbar sind für alle, die Nachhilfe im Dienstleistungsdenken benötigen. Wenn man das Buch weglegt, hat man erkannt, warum einige Marketingstrategien im Internet so gut funktionieren und ist sich der Eigenarten der weiblichen Zielgruppe bewusster.
Und ganz sicher kann man den einige hundert Mal wiederholten Begriff EVAlution nicht mehr hören.
Sylvia Englert
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Popcorn, Pawlow und
die Wahrheit über Frauen
FAITH POPCORN, LYS MARIGOLD: EVAlution. Die neue Macht des Weiblichen. Acht Strategien für frauenorientiertes Marketing. 335 Seiten. Heyne Verlag, München 2001.
Die US-Trendforscherin Faith Popcorn bewegt sich in ihrem neuen Buch auf einem Terrain, auf dem sie sich gut auskennt – Marketingstrategien, die speziell auf Frauen abgestimmt sind.
In acht „Wahrheiten” breitet sie zusammen mit ihrer Co-Autorin Lys Marigold aus, wie man der weiblichen Zielgruppe das Portemonnaie öffnet: indem man Verbindungen unter den Kundinnen herstellt, besonders zwischen Mutter und Tochter, weil Produktloyalitäten von einer Generation an die nächste weitergereicht werden. Indem man sein Marketing nicht nur auf die Geschäftsfrau, Mutter oder Partnerin ausrichtet, sondern auf alle Rollen, die Frauen spielen. Indem man ihre Bedürfnisse errät, ohne dass sie erst Lösungen dafür einklagen müssen. Und indem man „Marketing für ihr Peripheriesehen” macht, womit gemeint ist, dass man bei seiner Werbung subtil und nicht mit dem Holzhammer vorgehen sollte. Es reicht nicht, ein gutes Produkt zu haben, viel besser ist es, wenn gleich die ganze Firma gut ist, sprich: politisch korrekt, bis hin zum Sexleben des Vorstandsvorsitzenden.
Viele von Faith Popcorns Erkenntnissen sind einleuchtend. Dass Verbindungen zwischen den Menschen geschäftsfördernd sind, haben auch viele Unternehmen erkannt, die ihre Kunden mit Online-Communities und gemeinsamen Veranstaltungen an sich binden. Doch vieles von dem, was Faith Popcorn aufzählt und was sie als Geheimwissen verkauft, ohne das jedes Unternehmen zwangsweise scheitern und untergehen muss, ist schon seit einigen Jahren Standard, zumindest in den Industrienationen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Dass ein Unternehmen nicht durch Umweltschweinereien oder Ausbeutung von Kindern in Dritte-Welt-Ländern unangenehm auffallen sollte, um die Kunden nicht zu vergrätzen, ist weder in den USA noch in Europa neu.
Obwohl Faith Popcorn den Anspruch hat, dem Leser die weibliche Psyche aufzuschlüsseln und dabei viele Klischees und Pauschalisierungen bemüht, ist nur ein Bruchteil ihrer Empfehlungen wirklich frauenspezifisch. Auch Männer verbinden sich lebenslang mit Marken. Auch Männer haben gerne Kontakt zu anderen Menschen und wissen es zu schätzen, wenn man ihnen das Leben erleichtert. Und was die Werbung mit dem Holzhammer angeht, so wirken Faith Popcorns Ego, das im Text aufdringlich präsent ist, und das Loblied auf ihre Firma BrainReserve sicher weder auf Frauen noch auf Männer ausschließlich positiv.
Wenig Begeisterung weckt auch, wie das Buch Frauen mystifiziert und glorifiziert, oft auf Kosten des anderen Geschlechts. Ein Beispiel: Popcorn lässt sich darüber aus, dass Frauen die natürliche Fähigkeit haben, Bedürfnisse vorwegzunehmen. „Männer hingegen können so nicht denken”, setzt sie cool hinzu. „Es sei denn, sie wurden (wie die Pawlowschen Hunde) durch die Elektroschocks weiblicher Enttäuschung sorgfältig abgerichtet.”
Schafft man es an dieser Stelle weiterzulesen, erfüllt das Buch durchaus seinen Zweck. Faith Popcorn versprüht neben Entgleisungen Pawlowscher Art ein Feuerwerk an Ideen und Vorschlägen, die brauchbar sind für alle, die Nachhilfe im Dienstleistungsdenken benötigen. Wenn man das Buch weglegt, hat man erkannt, warum einige Marketingstrategien im Internet so gut funktionieren und ist sich der Eigenarten der weiblichen Zielgruppe bewusster.
Und ganz sicher kann man den einige hundert Mal wiederholten Begriff EVAlution nicht mehr hören.
Sylvia Englert
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