Produktdetails
- Periagoge
- Verlag: Brill Fink / Brill Fink
- Artikelnr. des Verlages: 1882833
- 1997
- Seitenzahl: 123
- Deutsch
- Gewicht: 174g
- ISBN-13: 9783770531370
- ISBN-10: 377053137X
- Artikelnr.: 06586866
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Allein wo bleibt der Glaube? Eric Voegelin eint Christentum und Kultur
Das Leben spielt sich in dem ab, was die Griechen metaxy nannten, in der Spannung, an deren einem Pol der unbekannte Gott, an deren anderem Pol das Irdische und Sterbliche steht. Diese Spannung wird deshalb mit Bewegung erfüllt, weil der Mensch Gott "sucht" und Gott den Menschen "zieht". Dieses Ziehen kommt am ehesten in Platos Bildern vom Höhlengleichnis und von den Marionetten und in dem bekannten Ziehen Gottes im Evangelium nach Johannes zum Ausdruck. Die Übereinstimmungen zwischen griechischem und biblischem Denken sind sehr weitreichend, und das Evangelium ist eine Antwort auf die damals gestellten Fragen.
Diese Struktur von Frage und Antwort ist das beherrschende Thema in einem jetzt erst aus dem Englischen übersetzten Vortrag von Eric Voegelin aus dem Jahr 1971. Dem dicht gedrängten und prägnanten Text sind beigegeben ein Vorwort von Wolfhart Pannenberg, ein weiterer Aufsatz Voegelins über "Existenztypen im Neuen Testament" von 1970, ein Brief an Alfred Schütz aus dem Jahr 1953 mit einer editorischen Notiz und schließlich ein Nachwort von Helmut Winterholler. Für die Gegenwart bedauert Voegelin, daß das Gegenüber von Frage und Antwort fehle, da christliche Dogmatik mehr Antworten biete, als Fragen vorhanden seien. Die andere Gefahr ist die Dekulturation und der Verlust der Vernunft durch die Aufgabe des Transzendenzbezuges. Für Voegelin, den begeisterten Humanisten alter Schule, gehört die Relation zwischen griechischem und biblisch-neutestamentlichem Denken zu den geistigen Grundlagen unserer Kultur. Sie äußert sich zum Beispiel in den Logos-Vorstellungen der Bibel und der Philosophen, im Konzept des Kolosserbriefes von der "göttlichen Realität", die Partizipation erlaubt, und in der Öffnung des Menschen für den göttlichen Nous, nicht zuletzt auch darin, daß Leben und Tod ihre Eindeutigkeit verlieren, weil Leben auch Tod sein kann und Tod Leben.
Was das platonische Denken nicht bietet, ist der massive Eingriff der Transzendenz in das menschliche Leben, die Realpräsenz des Göttlichen in Jesus, der Gott, der Mensch wird, indem er den Tod erleidet. Hier liegt der Unterschied beschlossen, hier ist auch die Quelle der Wirkung Jesu zu sehen. So entsteht hier eine neue Spannung: Neben die Suche nach dem Ewigen trat der Glaube an die Inkarnation. Damit aber ist auch eine Gefahr gegeben, die Voegelin in seinen Thesen zur Gnosis entfaltet: Das Christentum steht in ständiger Versuchung, das Heil nur noch transzendent und weltlos anzusetzen. Hier schlägt das Herz des Politik-Wissenschaftlers: Christentum und weltliche Kultur müssen doch etwas miteinander zu tun haben. Wie schön wäre es, wenn sie auch heute in Frage-Antwort-Relation zueinander stünden, wenn sich die destruktiven Kräfte des Christentums bändigen ließen. KLAUS BERGER
Eric Voegelin: "Evangelium und Kultur". Das Evangelium als Antwort. Wilhelm Fink Verlag, München 1997. 123 S., br., 38,- DM.
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