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This is an account of industrialized killing from a participant's point of view. The author, political scientist Timothy Pachirat, was employed undercover for five months in a Great Plains slaughterhouse where 2,500 cattle were killed per day - one every twelve seconds. Working in the cooler as a liver hanger, in the chutes as a cattle driver, and on the kill floor as a food-safety quality-control worker, Pachirat experienced firsthand the realities of the work of killing in modern society. He uses those experiences to explore not only the slaughter industry but also how, as a society, we…mehr

Produktbeschreibung
This is an account of industrialized killing from a participant's point of view. The author, political scientist Timothy Pachirat, was employed undercover for five months in a Great Plains slaughterhouse where 2,500 cattle were killed per day - one every twelve seconds. Working in the cooler as a liver hanger, in the chutes as a cattle driver, and on the kill floor as a food-safety quality-control worker, Pachirat experienced firsthand the realities of the work of killing in modern society. He uses those experiences to explore not only the slaughter industry but also how, as a society, we facilitate violent labour and hide away that which is too repugnant to contemplate. Through his vivid narrative and ethnographic approach, Pachirat brings to life massive, routine killing from the perspective of those who take part in it. He shows how surveillance and sequestration operate within the slaughterhouse and in its interactions with the community at large. In a deeply thoughtful analysis, he also considers how society is organized to distance and hide uncomfortable realities from view. With much to say about current issues ranging from the sociology of violence and modern food production to animal rights and welfare, "Every Twelve Seconds" is an important and disturbing work.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2012

Alle zwölf Sekunden

Begleitlektüre für die Grüne Woche: Der amerikanische Politologe Timothy Pachirat hat die Arbeitsabläufe in einem Schlachthof studiert und herausgefunden, wie die Distanz zum industriellen Töten inszeniert wird.

Dass die industrialisierte Fleischproduktion nichts für empfindliche Gemüter ist, überrascht niemanden mehr. Diese oft instinktive Abscheu verliert aber aus dem Blick, wie vielschichtig das Phänomen ist. Der amerikanische Politikwissenschaftler Timothy Pachirat berichtet in einem bemerkenswerten und verstörenden Buch von seinen Erfahrungen als Arbeiter in einem Industrie-Schlachthof in Nebraska. Er zeigt, wie Abschottung nach außen und Überwachung nach innen die oft abstoßenden Arbeitsroutinen der Fleischindustrie der Wahrnehmung entziehen.

Pachirat bewegt sich in seiner Analyse zwischen zwei theoretischen Polen. Auf der einen Seite steht Norbert Elias. Für Elias ist es ein wesentliches Merkmal des Zivilisationsprozesses, Tätigkeiten und Zustände, die zunehmend als abstoßend empfunden wurden, dem Blick der Öffentlichkeit zu entziehen. Im Hinblick auf jene, die diese abstoßenden Arbeiten auszuführen haben, ist jedoch Michel Foucault von Bedeutung, der die Beseitigung von Barrieren und allgegenwärtige Überwachung betonte. Pachirat widmet allerdings nur wenige Seiten diesem theoretischen Hintergrund. Einer nüchternen und akribischen Beschreibung der ausgeklügelt durchkonstruierten Organisation des Betriebes und der extrem arbeitsteiligen Prozesse, der Dokumentation der Arbeitssuche des Autors, seiner Einarbeitung und jeder Einzelheit seiner monotonen Arbeit ist der Großteil des Buches gewidmet.

Nach außen bieten die Schlachthöfe nur eine anonyme, industrielle Fassade - allerdings mit überwachten und eingezäunten Grenzen. Kaum etwas lässt darauf schließen, was in den Betrieben vorgeht. Weder akustisch, optisch noch olfaktorisch dringt etwas nach außen - nur die beständige Lieferung von Rindern in geschlossenen Lastwagen lässt erahnen, was hinter den Mauern vorgeht. Das Innere des Schlachthofs ist in drei streng voneinander abgetrennte große Bereiche eingeteilt: den "kill floor" - ein Begriff, der sich trotz seiner unverhohlenen Direktheit in der Industrie hält -, in dem die Rinder getötet, entblutet, ausgeweidet und gespalten werden.

Davon abgetrennt ist der nächste, der gekühlte Bereich, in dem die Tierkörper zwischengelagert und auf ihre Weiterverarbeitung im nächsten Teil vorbereitet werden. Dort werden die Tiere schließlich in verbrauchsfertige Teile zerlegt und verpackt. Diese Schlachtstraße umfasst mehr als hundertzwanzig separate Arbeitsgänge - im Anhang des Buches vollständig katalogisiert und beschrieben -, die meist nur von einem oder höchstens von einer Handvoll Arbeitern ausgeführt werden.

Jeder der Arbeiter wird nur Zeuge eines kleinen Teils des Schlachtungsprozesses. Nur Aufseher und Inspektoren des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums können sich relativ frei zwischen den Arbeitsgängen und zwischen den Bereichen bewegen. Pachirats erster Job führt ihn in den Kühlraum. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt nimmt er dort zehn Stunden am Tag Rinderleber von einer Rohrbahn ab und hängt sie auf Karren. Ein Nachfragemangel an Rinderleber führt dazu, dass der Autor an den Anfang der Schlachtstraße versetzt wird, wo er Rinder durch eine enge Schleuse treibt. Seine Fähigkeit, gut Englisch sprechen und schreiben zu können, erlaubt ihm schließlich nach nur wenigen Wochen den Wechsel auf die Stelle eines Qualitätsmanagers.

Für jede dieser Beschäftigungen schildert Pachirat detailliert die Handgriffe, die Geräte und auch die Diskrepanz zwischen Regeln und Realität. Lebern fallen auf den Boden, werden aber trotzdem weiterverarbeitet, die Rinder werden mit mehr elektrischen Schocks als notwendig zur Schlachtung getrieben, und der Qualitätsmanager steht unter ständigem Druck, ein Auge zuzudrücken. Die Überwachung der Arbeiter beschreibt Pachirat mit Rückgriff auf Jeremy Benthams Panoptikum. Jeder Arbeiter sieht nur einen winzigen Ausschnitt aus dem Gesamtprozess, während die Aufseher und Inspektoren den gesamten Ablauf im Blick halten können.

Die hoch arbeitsteilige Gestaltung der Schlachtstraße erlaubt es den Arbeitern, sich vom eigentlichen Akt des Tötens zu distanzieren. In den Augen der Mehrzahl der Arbeiter trägt diese moralische Last einzig und allein eine Person - derjenige, der das Bolzenschussgerät alle zwölf Sekunden aufsetzt und abdrückt. Dass der Tod der Rinder ein langsamer Prozess ist, der sich über mehrere Stationen hinzieht, wird vollständig verdrängt.

Pachirats Tätigkeit im Schlachthof endet damit, dass er von einem Inspektor aufgefordert wird, gegen den Betrieb auszusagen, nämlich Verstöße gegen Hygienebestimmungen zu bezeugen. Er legt daraufhin seine Identität offen und weist den Inspektor darauf hin, dass sein Bericht auf der Anonymisierung des Betriebes und seiner Kollegen beruht. Pachirat schweigt, weil er sich verpflichtet fühlt, seine meist aus sozial schwachen Schichten stammenden Kollegen zu schützen. Diese letzten Szenen des Buches deuten an, in welchem von außen kaum wahrnehmbaren Netz von Verdächtigung, Kontrolle und Furcht alle Teilnehmer dieses Systems gefangen sind.

Pachirat schließt sein Buch mit Gedanken über Versuche, die Unsichtbarkeit dieses Geschäfts zu überwinden. Gegner der industrialisierten Fleischproduktion sehen oft in der Sichtbarmachung der in ihren Augen unhaltbaren Praktiken einen ersten Schritt, Widerstand zu erzeugen. Pachirat bezweifelt jedoch die Erfolgsaussichten dieser Strategie. Das Abstoßende sichtbar zu machen kann nicht nur Mitgefühl und aktiven Widerstand, sondern langfristig auch Apathie hervorrufen. Völlige Transparenz muss nicht notwendig zu den erwünschten politischen Veränderungen führen.

In dieser Analyse von völliger Transparenz als Gegenpol zu Geheimhaltung, Absonderung und Isolierung bleibt Pachirat etwas kurz, und ein weiter ausholender theoretischer Bogen wäre an dieser Stelle angemessen gewesen. Die überzeugende Stärke des Buches bleibt jedoch die prosaische, nie in vereinfachende moralische Verdammung abgleitende und dennoch aufschreckende Schilderung des Funktionierens eines modernen industriellen Schlachthofes.

THOMAS WEBER

Timothy Pachirat: "Every Twelve Seconds". Industrialized Slaughter and the Politics of Sight.

Yale University Press, New Haven, 2011. 302 S., geb., 30,99 [Euro].

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