A man is booted out of his home after his wife discovers that the sweat-smudged footprint on the inside of his windscreen doesn't match her own. Teenage cousins, drugged by summer, meet with a reckoning in the woods. A boy runs off to the carnival after his stepfather bites him in a brawl. In the stories of Wells Tower, families fall apart and messily, hilariously try to reassemble themselves. His characters - marauding Vikings, washed-up entrepreneurs, and jobbing hacks on local papers - are adrift from the mainstream, confused by contemporary masculinity, angry and aimless. Combining electric prose with compassion and dark wit, this is a major debut.
'Wells Tower's stories are written, thrillingly, in authentic American vernacular - violent, funny, bleak and beautiful. You need to read them, now' Michael Chabon
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2011Menschen in Landschaft
Hüte dich vor der Seegurke, aber hoffe auf den Leoparden: In seinen Kurzgeschichten hört Wells Tower auf den Ruf der amerikanischen Wildnis.
Von Florian Balke
Der Strand ist schlammig, und auf dem Fußboden der Hütte erwacht Bob Munroe mit Kekskrümeln am Körper. Das Leben hat es in letzter Zeit nicht gut mit ihm gemeint. Seine Frau hat an der Windschutzscheibe des Autos den Fußabdruck einer Frau entdeckt, der nicht der Ihre ist, und Bob hinausgeworfen. Nun hockt er an einem der hässlicheren Abschnitte der Atlantikküste und versucht, das Strandhaus des Onkels und sein eigenes Selbstbewusstsein zu reparieren. Aber der Versuch, das verdreckte Aquarium der Verwandtschaft wieder in Ordnung zu bringen, scheitert an einer frisch eingesetzten Seegurke, die eines Morgens alle anderen, von Bob unten am Wasser mit Liebe gefangenen Tiere getötet hat.
Wells Tower geht es in seinen Kurzgeschichten um verschrobene Varianten einer noch immer wirksamen Grundannahme der amerikanischen Literatur: In der Begegnung mit der Natur lernt der Mensch, aus welchem zivilisatorischen Stoff er gemacht ist. Der Autor David Vann hat die Bedeutung dieses Narrativs in seinem Vorwort zu einer Neuausgabe von Jack Londons "Ruf der Wildnis" erst kürzlich abermals beschrieben. Nach wie vor gehe die von den englischen Romantikern ererbte amerikanische Sicht der Natur davon aus, dass der Mensch in ihr seine Erfahrungen hinter sich lassen könne, um einen Stand der Unschuld zu erlangen, der ihm grundsätzlich erreichbar sei. Der Glaube an das Gute im Menschen sei das Herz jedes Schreibens über die Natur.
Die Macht dieser Idee ist auch in den Kurzgeschichten von Wells Tower zu spüren, die im Original vor zwei Jahren bei Farrar, Straus & Giroux erschienen sind. Ebenso spürbar ist in ihnen aber auch, dass dem 1973 geborenen Tower der ehrwürdige Topos, der noch Kurzgeschichten wie "Brokeback Mountain" grundiert, nicht mehr ausreicht. Seine Menschen in Landschaft wirken daher auch, als habe man die Simpsons angeheuert, um für Marlboro Werbung zu machen. Sie haben viel Erfahrung darin, ihren Mitgeschöpfen Dummheiten zuzumuten, Gewalt anzutun und sich das eigene Leben zu ruinieren. Ihnen geht alles schief, das ist ihre Natur, aber sie gehen mit einem Witz darüber hinweg, der durch und durch Zivilisation ist, selbstironisch und wissend.
Auch Towers Natur ist skurril. Kein Wolf schnürt über die Szene, sondern eine Katze, die ihrer jungen Herrin am Morgen ein gerade geschlagenes Taubenküken in das Vorstadtbett legt, noch ganz ohne Federn und durchscheinend rosa. "Es sah aus wie ein halb gargekochter Radiergummi, der davon träumt, einmal Callgirl zu werden." So tödlich wie bei Annie Proulx, zu deren Kurzgeschichten zuletzt durchaus Grotesken, aber vor allem "Them Old Cowboy Songs" zählten, ist die Wildnis bei Tower nicht. Trotzdem kann Jacey, die Besitzerin der taubentötenden Katze, froh darüber sein, dass ihre Begegnung mit einem Mann, den sie zufällig im Wald kennengelernt hat, in "Wild America" gerade noch rechtzeitig abgebrochen wird. Weniger Glück hat der kleine Junge, der in einer Nebenhandlung der Erzählung "Auf dem Jahrmarkt" beiläufig in ein Toilettenhäuschen gezerrt und missbraucht wird, während die Eidechse, die er in der Hand hielt, gerade noch unter der zuschlagenden Tür hindurchschlüpfen kann. Towers Einzelkämpfer in freier Natur oder auf leeren Parkplätzen lauern einander auf wie wilde Tiere und enden stets mit noch weniger Unschuld als zuvor.
Die einzige Erfahrung zeitgenössischen amerikanischen Lebens, auf welche die Erzählungen dieses Autors, der sich sein Brot lange als Journalist mit Reportagen verdient hat, konsequent verzichten, ist die medientechnische. Von Facebook und Twitter ist in diesen zum Teil schon zu Beginn des neuen Jahrtausends verfassten Texten ohnehin nicht viel zu spüren, aber auch das Internet scheint nicht zu existieren, und sogar das Fernsehen spielt kaum eine Rolle. Immerhin wird gelegentlich telefoniert. Im Grunde aber beschränken sich die social media dieser Texte auf scheiternde oder gelingende Gespräche und unternommene oder unterlassene Handlungen. Im Zeitalter von Facebooks "Open Graph" ist dieser Ursprünglichkeitsidee das Utopische eigen, das mit der Rückkehr des Menschen in die Wildnis schon immer verbunden war.
Abwechslungsreich sind die neun Texte des Bandes, der zu den seltenen Kurzgeschichtensammlungen zählt, deren Lektüre man auf der ersten Seite beginnt und mit der letzten beendet, da man begonnen hat, dem Autor völlig zu vertrauen. "Alles zerstört, alles verbrannt", die Titelerzählung, beendet den Band als lustiges Nachspiel, in dem eine Gruppe gutmütiger und kampfmüder Wikinger im neunten Jahrhundert noch einmal einen Ort an der britischen Ostküste heimsucht, der ihre harte Hand schon kennengelernt hat. Geschichte wiederholt sich als Farce, und Tower verzerrt sein Thema der zerstörerischen Suche nach Beziehungen noch einmal ins besonders Burleske und Blutige.
Manchmal ist das Wilde die einzige Hoffnung, selbst um den Preis des Verlustes der Unschuld. Daher hofft der Junge, der in "Leopard" seinem Stiefvater entkommen will und von einem Polizisten zu seinem Elternhaus zurückgebracht wird, dass er sich das Rascheln, das er am Waldrand gehört hat, nicht einbildet. Von Zeit zu Zeit muss die Natur sich dem Menschen zeigen, rot an Klauen und Zähnen.
Wells Tower: "Alles zerstört, alles verbrannt". Stories.
Aus dem Amerikanischen von Malte Krutzsch und Britta Waldhof. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 269 S., geb., 18,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hüte dich vor der Seegurke, aber hoffe auf den Leoparden: In seinen Kurzgeschichten hört Wells Tower auf den Ruf der amerikanischen Wildnis.
Von Florian Balke
Der Strand ist schlammig, und auf dem Fußboden der Hütte erwacht Bob Munroe mit Kekskrümeln am Körper. Das Leben hat es in letzter Zeit nicht gut mit ihm gemeint. Seine Frau hat an der Windschutzscheibe des Autos den Fußabdruck einer Frau entdeckt, der nicht der Ihre ist, und Bob hinausgeworfen. Nun hockt er an einem der hässlicheren Abschnitte der Atlantikküste und versucht, das Strandhaus des Onkels und sein eigenes Selbstbewusstsein zu reparieren. Aber der Versuch, das verdreckte Aquarium der Verwandtschaft wieder in Ordnung zu bringen, scheitert an einer frisch eingesetzten Seegurke, die eines Morgens alle anderen, von Bob unten am Wasser mit Liebe gefangenen Tiere getötet hat.
Wells Tower geht es in seinen Kurzgeschichten um verschrobene Varianten einer noch immer wirksamen Grundannahme der amerikanischen Literatur: In der Begegnung mit der Natur lernt der Mensch, aus welchem zivilisatorischen Stoff er gemacht ist. Der Autor David Vann hat die Bedeutung dieses Narrativs in seinem Vorwort zu einer Neuausgabe von Jack Londons "Ruf der Wildnis" erst kürzlich abermals beschrieben. Nach wie vor gehe die von den englischen Romantikern ererbte amerikanische Sicht der Natur davon aus, dass der Mensch in ihr seine Erfahrungen hinter sich lassen könne, um einen Stand der Unschuld zu erlangen, der ihm grundsätzlich erreichbar sei. Der Glaube an das Gute im Menschen sei das Herz jedes Schreibens über die Natur.
Die Macht dieser Idee ist auch in den Kurzgeschichten von Wells Tower zu spüren, die im Original vor zwei Jahren bei Farrar, Straus & Giroux erschienen sind. Ebenso spürbar ist in ihnen aber auch, dass dem 1973 geborenen Tower der ehrwürdige Topos, der noch Kurzgeschichten wie "Brokeback Mountain" grundiert, nicht mehr ausreicht. Seine Menschen in Landschaft wirken daher auch, als habe man die Simpsons angeheuert, um für Marlboro Werbung zu machen. Sie haben viel Erfahrung darin, ihren Mitgeschöpfen Dummheiten zuzumuten, Gewalt anzutun und sich das eigene Leben zu ruinieren. Ihnen geht alles schief, das ist ihre Natur, aber sie gehen mit einem Witz darüber hinweg, der durch und durch Zivilisation ist, selbstironisch und wissend.
Auch Towers Natur ist skurril. Kein Wolf schnürt über die Szene, sondern eine Katze, die ihrer jungen Herrin am Morgen ein gerade geschlagenes Taubenküken in das Vorstadtbett legt, noch ganz ohne Federn und durchscheinend rosa. "Es sah aus wie ein halb gargekochter Radiergummi, der davon träumt, einmal Callgirl zu werden." So tödlich wie bei Annie Proulx, zu deren Kurzgeschichten zuletzt durchaus Grotesken, aber vor allem "Them Old Cowboy Songs" zählten, ist die Wildnis bei Tower nicht. Trotzdem kann Jacey, die Besitzerin der taubentötenden Katze, froh darüber sein, dass ihre Begegnung mit einem Mann, den sie zufällig im Wald kennengelernt hat, in "Wild America" gerade noch rechtzeitig abgebrochen wird. Weniger Glück hat der kleine Junge, der in einer Nebenhandlung der Erzählung "Auf dem Jahrmarkt" beiläufig in ein Toilettenhäuschen gezerrt und missbraucht wird, während die Eidechse, die er in der Hand hielt, gerade noch unter der zuschlagenden Tür hindurchschlüpfen kann. Towers Einzelkämpfer in freier Natur oder auf leeren Parkplätzen lauern einander auf wie wilde Tiere und enden stets mit noch weniger Unschuld als zuvor.
Die einzige Erfahrung zeitgenössischen amerikanischen Lebens, auf welche die Erzählungen dieses Autors, der sich sein Brot lange als Journalist mit Reportagen verdient hat, konsequent verzichten, ist die medientechnische. Von Facebook und Twitter ist in diesen zum Teil schon zu Beginn des neuen Jahrtausends verfassten Texten ohnehin nicht viel zu spüren, aber auch das Internet scheint nicht zu existieren, und sogar das Fernsehen spielt kaum eine Rolle. Immerhin wird gelegentlich telefoniert. Im Grunde aber beschränken sich die social media dieser Texte auf scheiternde oder gelingende Gespräche und unternommene oder unterlassene Handlungen. Im Zeitalter von Facebooks "Open Graph" ist dieser Ursprünglichkeitsidee das Utopische eigen, das mit der Rückkehr des Menschen in die Wildnis schon immer verbunden war.
Abwechslungsreich sind die neun Texte des Bandes, der zu den seltenen Kurzgeschichtensammlungen zählt, deren Lektüre man auf der ersten Seite beginnt und mit der letzten beendet, da man begonnen hat, dem Autor völlig zu vertrauen. "Alles zerstört, alles verbrannt", die Titelerzählung, beendet den Band als lustiges Nachspiel, in dem eine Gruppe gutmütiger und kampfmüder Wikinger im neunten Jahrhundert noch einmal einen Ort an der britischen Ostküste heimsucht, der ihre harte Hand schon kennengelernt hat. Geschichte wiederholt sich als Farce, und Tower verzerrt sein Thema der zerstörerischen Suche nach Beziehungen noch einmal ins besonders Burleske und Blutige.
Manchmal ist das Wilde die einzige Hoffnung, selbst um den Preis des Verlustes der Unschuld. Daher hofft der Junge, der in "Leopard" seinem Stiefvater entkommen will und von einem Polizisten zu seinem Elternhaus zurückgebracht wird, dass er sich das Rascheln, das er am Waldrand gehört hat, nicht einbildet. Von Zeit zu Zeit muss die Natur sich dem Menschen zeigen, rot an Klauen und Zähnen.
Wells Tower: "Alles zerstört, alles verbrannt". Stories.
Aus dem Amerikanischen von Malte Krutzsch und Britta Waldhof. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011. 269 S., geb., 18,95 [Euro].
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