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Ó Conaire hat als Erster den Nachweis erbracht, dass sich auch mit der gaelischen Sprache eine urbane Welt und die komplizierte Psyche einer heillos gebrochenen Figur erfassen lässt. In diesem Roman spürt man noch die irischen Traditionen mündlichen Erzählens.Der erste moderne Großstadtroman der irischen Literatur. Tragisch, seltsam, bunt wie das Leben.So tragisch die Geschehnisse sind, es ist ein witziges Buch, mitreißend und spannend; eine überzeugende Schilderung des Lebens der untersten Schichten um die Jahrhundertwende, der Tricks, Hoffnungen und Illusionen derer, die keine Chancen haben.

Produktbeschreibung
Ó Conaire hat als Erster den Nachweis erbracht, dass sich auch mit der gaelischen Sprache eine urbane Welt und die komplizierte Psyche einer heillos gebrochenen Figur erfassen lässt. In diesem Roman spürt man noch die irischen Traditionen mündlichen Erzählens.Der erste moderne Großstadtroman der irischen Literatur. Tragisch, seltsam, bunt wie das Leben.So tragisch die Geschehnisse sind, es ist ein witziges Buch, mitreißend und spannend; eine überzeugende Schilderung des Lebens der untersten Schichten um die Jahrhundertwende, der Tricks, Hoffnungen und Illusionen derer, die keine Chancen haben.
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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.08.2001

Zwei Pints
Wo die wilden Kerle wohnen:
Pádraic Ó Conaire geht ins Exil
Nach einem Unfall hat Micheál Ó Maoláin einen Arm und ein Bein verloren; geblieben sind ihm 250 Pfund Sterling Schadenersatz, eine Krücke und ein tiefer Hass auf die Welt. Bevor er noch daran denkt, sein Geld für die Heimreise zu verwenden, hat er es schon versoffen. Der Mann ist Ire und, lange bevor es den Begriff gab, „Gastarbeiter” in London. Damit wären alle Voraussetzungen geschaffen für ein Rührstück über die Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen und über den Egoismus der Briten im Besonderen. Nichts, gar nichts von alledem mutet uns der irische Autor Pádraic Ó Conaire zu. Vielleicht wäre das weniger verwunderlich, wenn er einen Gegenwartsroman im Zeichen der Errungenschaften der Europäischen Union verfasst hätte. Doch „Exil” wurde erstmals 1910 veröffentlicht und nicht in englischer, sondern in gaelischer Sprache geschrieben, zu einer Zeit, als diese vor allem für heldenhafte Heimatliteratur zu taugen schien.
Der Moment, in dem der Mann, der sich als „armer Krüppel von 27 Jahren” bezeichnet, seinen Unfall hat, interessiert den Autor ebensowenig wie die Schuld daran. Es gibt zu viele Ereignisse, die einen Menschen aus der Bahn werfen können; spannender bleibt, wie dieser hinterher damit umgeht: Ó Conaires demolierter Held, ein Vorfahr von Döblins Franz Biberkopf, landet im irischen Armenviertel Londons, zieht mit dem Zirkus durchs Land, lässt sich als Monster zur Schau stellen und reagiert, als er die Demütigung, in die er zunächst selbst einwilligt, nicht mehr erträgt, mit äußerster Bösartigkeit: Er ruiniert nicht nur den Zirkusdirektor, dem er seine Erniedrigung zuschreibt, sondern das ganze Unternehmen. Micheál Ó Maoláin ist kein angenehmer Zeitgenosse.
Besonders beliebt hat sich der Autor mit diesem Roman in seiner Heimat nicht gemacht. Dabei hatte Ó Conaire als Erster den Nachweis erbracht, dass sich auch mit der gaelischen Sprache eine urbane Welt und die komplizierte Psyche einer heillos gebrochenen Figur erfassen lässt. Mit wenigen, einfachen Bildern schildert der Autor das Leben in London: „Eine Menge ist wie ein einzelner Mensch. Wenn die Menge wütend ist, dann scheint jeder einzelne Mensch in dieser Menge wütend zu sein.” Immer wieder beurteilt er die Welt mit den Augen und Empfindungen seines Helden: „Ein Mann fluchte und schimpfte laut genug, um die Felsen des Burren zum Bersten zu bringen.” Der Burren ist eine grandiose felsige Öde unweit von Galway, dem Heimatort Micheáls.Und ausgerechnet in Galway begehrt er gegen den Direktor auf: Verborgen unter seinen Verwundungen und Verkleidungen, hat er doch die Zuschauer erkannt, seine ehemaligen Landsleute. Unter ihnen Maire, seine einstige Braut, die ihn vor der geplanten Hochzeit zum Geldverdienen nach England geschickt hatte und inzwischen mit einem anderen verheiratet ist.
Flüche wie Frauenkleider
In diesem Roman spürt man noch die irischen Traditionen mündlichen Erzählens. Doch Ó Conaire war kein naiver, sondern ein gebildeter und vor allem belesener Autor, der seinen Helden von Kleopatra, Helena und der irischen Sagenkönigin Maeve träumen lässt. Und er hat Ohren für die Sprache: „Seine Schimpfwörter durfte man nicht ernst nehmen”, schreibt er über einen der vielen wilden Kerle in diesem Buch, „ seine Flüche hatten nicht ihre normale Bedeutung. Seine Sprache schien sie auf irgendeine Weise zu benötigen, so, wie manche Frauenkleider Stickerei benötigen, einfach zur Verzierung. Er benutzte beim Sprechen grobe Wörter zur Verfeinerung, so, wie ein Dichter vielleicht ein hochgestochenes Wort benutzt, um die Musik seines Gedichts zu verfeinern.”
Konsequent trägt Ó Conaire auch der Entwurzelung seiner Figuren in der modernen Welt Rechnung. Sie treten namenlos auf, als Passanten des Romangeschehens, als „der kleine Gelbe”, „die dicke Frau” oder „die große rothaarige Frau mit dem Gesicht eines römischen Kaisers”. Und er schließt in die Fiktion auch den Vorgang des Schreibens ein. Am Ende wird sein Held ermordet aufgefunden, mit einem Packen beschriebenen Papiers in der Tasche – dem Roman.
Gelesen wird Pádraic Ó Conaire auch in Irland kaum noch, abgesehen von „My Little Black Donkey”, einer kurzen Geschichte für Kinder, die sich in den Lesebüchern gehalten hat. Mit „Exil” ermöglicht der Unrast Verlag den deutschen Lesern nun die Entdeckung eines fast hundert Jahre alten, hochmodernen Romans, der zudem nicht auf dem Umweg übers Englische, sondern unmittelbar aus dem Irischen übersetzt wurde. Schade nur, dass die Edition unter der Schlampigkeit des Lektorats zu leiden hat. Die Informationen über den Autor sind nicht nur ziemlich dürftig, es widersprechen sich sogar die Angaben über seine Lebensdaten. „1892 bis 1928”, so steht es vorne neben der Titelseite, während das Nachwort „1883 bis 1929” angibt. Das Archiv von Ó Conaires Heimatort Galway sagt hingegen: „1882 bis 1928”. Nach dieser Quelle soll der Autor – der zeitweise in London als Schreiber gearbeitet hat, was wiederum nur das Nachwort, nicht aber das Archiv erwähnt – auf eine mögliche Laufbahn als Beamter oder Priester verzichtet haben, um als Erzähler mit einem Eselkarren über Land zu ziehen und ab und zu in einem Pub einzukehren, „for a pint or two”.
H.G. PFLAUM
PÁDRAIC Ó CONAIRE: Exil. Roman. Aus dem Gaelischen von Gabriele Haefs. Unrast Verlag, Münster 2001. 156 Seiten, 34 Mark
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine Rarität kann H.G. Pflaum verkünden: einen irischen Großstadt-Roman aus dem Jahr 1910, der direkt aus dem Gaelischen ins Deutsche übersetzt wurde. ó Conaire sei selbst in Irland heute ein vergessener Autor - weiß Pflaum über den Autor zu berichten -, der seinerzeit den Beweis angetreten ist, dass man auch mit einer der mündlichen Tradition verpflichteten Sprache auf die Änderungen der Zeit reagieren kann. ó Conaires Held sei ein Vorläufer von Franz Biberkopf, schreibt Pflaum, den es als Gastarbeiter in den Großstadtdschungel von London verschlägt. Nicht, was einen Menschen aus der Bahn werfen könne, sei für den Autor von Interesse, charakterisiert der Rezensent ó Conaires Anliegen, sondern vielmehr, wie er mit seinem Missgeschick umgehe. Eine gebrochene, gescheiterte Figur, die wenig sympathisch erscheint. So lobenswert die verlegerische Tat, um so bedauerlicher findet es Pflaum, dass beim Lektorat geschlampt wurde und beispielsweise widersprüchliche Angaben über den Autor gemacht werden.

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