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In the turmoil of the 1920s and '30s, Claude Cahun challenged gender stereotypes with her powerful photographs, photomontages and writings: work that appears contemporary, or even ahead of our time, when viewed with twenty-first-century eyes. Cahun wrote poetry and prose for major French literary magazines, worked in avant-garde theatre, and was both comrade and critical outsider of the Surrealists. Her artful resistance tactics mocked and disrupted the Nazi occupiers of Jersey during the Second World War, putting her in mortal danger. Cahun worked collaboratively with Marcel Moore, her…mehr

Produktbeschreibung
In the turmoil of the 1920s and '30s, Claude Cahun challenged gender stereotypes with her powerful photographs, photomontages and writings: work that appears contemporary, or even ahead of our time, when viewed with twenty-first-century eyes. Cahun wrote poetry and prose for major French literary magazines, worked in avant-garde theatre, and was both comrade and critical outsider of the Surrealists. Her artful resistance tactics mocked and disrupted the Nazi occupiers of Jersey during the Second World War, putting her in mortal danger. Cahun worked collaboratively with Marcel Moore, her stepsister, lover and life partner, to create some of the most compelling photographs and photomontages of the period between the wars. This is the first work in English to tell the full story of Claude Cahun's art and life.It both recounts her life and analyses her complex writings and images, making them available to a wide audience. Shaw's account embeds Cahun's work in the exciting milieu of Paris between the wars and follows it into the dangerous territory of the Nazi-occupied Isle of Jersey. Using letters and diaries, Shaw brings Cahun's ideas and feelings to life and contributes to our understanding of photography, Surrealism and the histories of women artists and queer culture.
Autorenporträt
Jennifer L. Shaw is professor of art history at Sonoma State University in California. She is the author of Reading Claude Cahun's Disavowels and Dream States: Puvis de Chavannes, Modernism, and the Fantasy of France.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2017

Das Neutrum war ihr Fall

Ironisches Maskenspiele und Travestie als Lebensprogramm: Jennifer L. Shaw legt eine Biographie der spät wiederentdeckten Autorin und Fotografin Claude Cahun vor.

Anfang Juli 1940, zwei Wochen nach dem Einmarsch in Paris, besetzten deutsche Soldaten die im Ärmelkanal gelegene kleine Insel Jersey. Binnen kürzester Zeit geraten sie in erhöhte Alarmbereitschaft, denn eine agile Widerstandsgruppe scheint sich auf dem 120 Quadratkilometer großen Eiland formiert zu haben. Ihr Ziel: Unterminierung von Kampfbereitschaf und Loyalität der deutschen Soldaten. Es zirkulieren Münzen mit der Aufschrift "Nieder mit dem Krieg", aus Magazinen segeln Fotocollagen, die die triumphale Größe der Wehrmacht in Frage stellen. Auf einem Friedhof, auf dem die Deutschen ihre Toten begraben, tauchen wie aus dem Nichts schwarze Grabkreuze auf mit dem Schriftzug "Für sie ist der Krieg zu Ende".

Die Gestapo sucht lange nach den Drahtziehern. Als die Beamten am 25. Juli 1944 an die Tür eines alten Bauernhauses klopfen, um die Verdächtigen zu verhaften, können sie es kaum fassen: Diese beiden unscheinbaren Damen fortgeschrittenen Alters sollen, ganz allein, vier Jahre lang den Widerstand auf der Insel organisiert haben?

Suzanne Malherbe und Lucy Schwob, jene Frauen, die die Gestapo im Sommer 1944 ruhig und gefasst empfangen - sie wissen, was ihnen droht -, sind Stiefschwestern. Das ist auch den Insulanern bekannt. Was jedoch weder sie noch die deutschen Besatzer wissen: Die beiden sind seit dreißig Jahren ein Paar und in der Pariser Kunstszene bekannt als Marcel Moore und Claude Cahun. Moore ist Grafikerin, Cahun avantgardistische, anarchistisch-linke Journalistin, Schriftstellerin und Fotografin, die sich gern als lesbischer Dandy inszeniert und der der Surrealistenpapst André Breton einmal sagte: "Sie selbst wissen ganz genau, dass ich Sie für einen der (vier oder fünf) kuriosesten Köpfe unserer Zeit halte."

Die Kunsthistorikerin Jennifer L. Shaw legt nun eine Biographie von Claude Cahun (1894-1954) vor, in der sie auch ausführlich vom Widerstand gegen die Nazis erzählt. Cahuns Werk wurde in den neunziger Jahren wiederentdeckt, seitdem waren ihre fotografischen Arbeiten auf Ausstellungen in Paris und München zu sehen. François Leperlier veröffentlichte 1992 eine erste Biographie, die jedoch weder ins Englische noch ins Deutsche übersetzt wurde. Shaw bezieht sich explizit auf Leperlier.

Lucy Schwob alias Claude Cahun wird 1894 in Nantes geboren und stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Intellektuellenfamilie. Sie erhält eine damals für Mädchen unübliche umfassende schulische Ausbildung und lernt mit vierzehn die zwei Jahre ältere Suzanne Malherbe kennen und lieben, die 1917 - Lucys Vater heiratet Suzannes Mutter - zur Stiefschwester wird. Um diese Zeit nehmen die beiden ihre Pseudonyme an: Lucy wählt den geschlechtsneutralen Namen Claude, Suzanne entscheidet sich für Marcel.

Shaw steigt mit einem vielsagenden Foto von 1915 in die Biographie ein: Die junge Cahun, Anfang zwanzig, im Matrosenhemd an einem Schreibtisch sitzend, ist vertieft in ein aufgeschlagenes Buch, das auf einem weiteren Buch liegt: "L'image de la femme", ein Werk von 1899, in dem Bilder weiblicher Schönheit im Wandel der Zeit präsentiert werden. Das ironische Foto wird Lebensprogramm: Cahun ist alles andere als ein weibliches Ideal, immer wieder wird sie tradierte Vorstellungen vom Frausein in Frage stellen. "Männlich? Weiblich? Das unterscheidet sich von Fall zu Fall. Neutrum ist das einzige Geschlecht, das mir immer entspräche", schreibt sie 1930 in einer Art Autobiographie.

Cahun und Moore leben seit den zwanziger Jahren im Künstlerviertel Montparnasse in Paris. Zu ihren Freunden und Bekannten zählen die Buchhändlerinnen und Verlegerinnen Adrienne Monnier und Sylvia Beach, die Literaten Henri Michaux, René Crevel, Philippe Soupault, Paul Éluard, André Breton und die Maler Max Ernst und Salvador Dalí. Als eine von wenigen Frauen ist Cahun bei politischen Manifesten und Ausstellungen der Surrealisten dabei. Sie schreibt Essays, gesellschaftskritische Texte, tritt für die "allgemeine Freiheit der Sitten ein" und vollendet 1925 das Werk "Héroïnes", in dem sie die Geschichten großer Frauengestalten umdichtet.

So ist etwa Belle aus "Die Schöne und das Biest" nicht glücklich-beseelt, als das Monster sich in einen Prinzen verwandelt, sondern bitter enttäuscht: "Wenn man das Biest gekostet hat - Ah! Wie fad ist da der Mann!". Cahuns Sappho fingiert, anstatt sich der antiken Legende nach aus unerwiderter Liebe von einer Klippe zu stürzen, den eigenen Tod nur, um ein selbstbestimmtes Leben als Künstlerin zu führen.

Auch in ihren fotografischen Werken, die alle in Zusammenarbeit mit Moore entstehen, zeigt Cahun radikale Eigenständigkeit und Modernität. Sie ist die "erste Fotografin, die ihren Körper systematisch zur Herstellung von Bildern" einsetzt, meint der Kunsthistoriker Uwe M. Schneede. Dabei erscheint sie in ihren unendlich wandelbaren Selbstbildnissen als junger Mann mit fast kahlrasiertem Kopf, als androgyner Gewichtheber mit Kussmund und Brustwarzen-Shirt, als liebliche Puppe im Wandschrank, als meditierender Buddha. - Claude Cahun als Vorläuferin von Cindy Sherman. Sie spielt ewiges Theater, der Vorhang fällt nie: "Unter dieser Maske eine andere Maske. Ich werde niemals aufhören, alle diese Gesichter abzuziehen."

Während des Kriegs inszeniert Cahun die couragierteste all ihrer Maskeraden. Sie ist "der Soldat ohne Namen", jene Signatur, mit der sie ihre Widerstandsaktionen versieht. Trotz immer größer werdender Gefahren - in ihrem Haus wohnen zeitweise deutsche Soldaten - machen die beiden Frauen Jahr für Jahr weiter. Shaws Schilderung der sich zuspitzenden Situation auf Jersey liest sich wie ein Krimi. Nachdem Cahun und Moore von der Gestapo verhaftet worden sind, schlucken sie Schlaftabletten. Doch die Dosis reicht zur Selbsttötung nicht aus. Sie versuchen ein zweites Mal, sich umzubringen, was erneut misslingt. Sie werden schließlich zum Tode verurteilt, dann doch noch begnadigt und von den Alliierten befreit.

Ein Foto von 1945 zeigt Cahun an einen Türrahmen gelehnt und zwischen den Zähnen den Reichsadler-Anstecker der Wehrmachtsuniform. Sie hatte nie alle Deutschen als Feinde betrachtet. Das tiefe Vertrauen in die menschliche Fähigkeit, sich selbst und das eigene Verhalten in Frage zu stellen, kombiniert mit Schlagfertigkeit, Intelligenz und Sprachgefühl, zeichneten ihren beinahe poetischen Widerstand gegen die Besatzer ebenso aus wie ihre schriftstellerischen Arbeiten.

Es ist die Stärke von Jennifer Shaws Biographie, solche Zusammenhänge herauszuarbeiten. Weil sie ihren Blick jedoch zu stark auf die Autorin und Künstlerin Claude Cahun fokussiert, gelingt es ihr nicht, das Geheimnis hinter den vielen Masken zu lüften: Der Mensch Claude Cahun bleibt weitgehend im Dunkeln.

KATHARINA RUDOLPH

Jennifer L. Shaw: "Exist Otherwise". The Life and Works of Claude Cahun.

Reaktion Books, London 2017. 328 S., geb., 36,50 [Euro].

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