Seit Jahrtausenden ist das Denken mit der Frage befasst, was »leben« bedeutet. Doch während die philosophische Tradition das Leben in den Schraubstock abstrakter und normativer Begriffe gezwungen und somit leblos gemacht hat, ist zugleich eine Blüte an Lebensratgebern entstanden, in der die Gravität des Seins zugunsten leichtgewichtiger Statusmeldungen zur Persönlichkeitsentwicklung aus dem Blick gerät. Doch wie soll man das Leben auch einfangen, wo es sich mit seiner Vitalität im naturgemäßen Gegensatz zum Denken zu bewegen scheint? In seiner großen philosophischen Abhandlung über das Leben tastet François Jullien die verschiedenen Aspekte des Begriffs und seiner Erscheinungen im Hier und Jetzt ab und gibt ihm seine existenzielle Dimension zurück. Indem er fernöstliches und abendländisches Denken meisterhaft in Dialog bringt und das chinesische Denken und die chinesische Sprache in ihrem Reichtum begreift, zeichnet sich eine neue Ethik des Lebens ab, die nicht nur scharf gedacht, sondern auch lebensnah ist.