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Produktdetails
  • Verlag: EOS Verlag
  • Seitenzahl: 291
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 525g
  • ISBN-13: 9783880964778
  • ISBN-10: 3880964777
  • Artikelnr.: 07255657
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.1997

"Die verflixten Ratten"
Als deutscher Botschafter auf exotischen Posten

Peter Scholz: Exotische Posten. Was man im Auswärtigen Dienst so alles tun und erleben kann . . . EOS Verlag, 291 Seiten, St. Ottilien 1997. 292 Seiten, 28,- Mark.

Eigentlich hatte Peter Scholz gar kein ruheloses Leben auf "exotischen Posten" in Colombo, Phnom Penh und Hanoi, auf Madagaskar, den Komoren und Mauritius, in Lomé und Manila angestrebt. Denn sein Berufswunsch war bescheidener und räumlich begrenzter: Oberkutscher auf dem väterlichen Hof im schlesischen Dorfidyll Nieder-Hermsdorf bei Neisse. Hitlers Krieg und die Flucht vor Stalins Roter Armee zerstörten jedoch 1945 diesen Kindheitstraum.

Nach dem Abitur im Jahr 1950 zog es den bereits einmal Entwurzelten in die Ferne: zu Onkel Alfred nach Windhuk, um zunächst auf dessen Farm zu arbeiten und anschließend eine Banklehre zu machen. In Südwestafrika las er übrigens Paul Otto Schmidts "Statist auf diplomatischer Bühne", so daß sein Entschluß reifte, sich Ende 1953 beim Wirtschaftsdienst des Auswärtigen Amts auf der Koblenzer Straße in Bonn zu bewerben.

Zwei seiner Chefs waren noch von der Wilhelmstraße geprägt worden: Der kultivierte und humorbegabte Westpreuße Hasso von Etzdorf brachte dem Wirtschaftssachbearbeiter 1957/58 in Ottawa diplomatischen Feinschliff bei ("Tischordnung, Zusammenstellung von Menüs und richtige Auswahl von Weinen"), während der knorrige Ostwestfale Herbert Dittmann 1964/65 in Tokio dem zwischenzeitlich zum Dr. rer. pol. promovierten Legationsrat Höchstleistungen in Form von Berichtsentwürfen abverlangte. Lohn für eine solche harte Schule gab es 1971 durch die Verwendung als Persönlicher Referent beim bewunderten Carlo Schmid, dem großzügigen und hochgebildeten Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Von ihm lernte Scholz unter anderem, daß Memoiren nur dann sinnvoll seien, wenn sie "das ganze Wissen hinterließen. Aber das könne er weder Freund noch Feind antun". Daraus zog Scholz für die Zeit als Missionschef die Lehre, sich "keine Feinde und viele Freunde zu machen", und für diesen wohltuend bescheidenen Lebensbericht die Konsequenz, offen und ehrlich den Botschaftsalltag im asiatisch-pazifischen Raum darzustellen.

Die größte Herausforderung der vierzigjährigen Dienstzeit stellte die Eröffnung der Botschaft in Hanoi dar. Dort waren 1976 im "Thong Nhat" (Haus der Wiedervereinigung"), dem Hotel "Metropole" aus französischer Kolonialzeit, nach dem Ende des Vietnamkriegs westliche Botschafter kaserniert worden - überwacht durch die vom Gastland gestellten Dolmetscher, die sich unentwegt Notizen zum Weitermelden machten.

"Wenn nur die verflixten Ratten nicht überall gewesen wären! Nichts half, sie zu dezimieren, keine Fallen und kein Gift. Sie waren im Thong Nhat zu Hause", nagten Schuhe und Sakkos ebenso wie die Kurierpost aus Bonn an, huschten in der Nacht dem halbschlafenden Botschafter hin und wieder über das Gesicht, ja sprangen sogar im Hotelrestaurant aus einer Suppenterrine in die nächste, während die Serviererinnen verständnislos über den Ekel der dekadent-kapitalistischen Diplomaten lächelten. So kümmerte sich Exzellenz selbst um die Zubereitung der Speisen - mit Kochstelle auf dem Bidet im WC -, bediente die Gäste in seinem kombinierten Wohnschlafzimmer und wusch später auch noch ab. Eine britische Kollegin war so begeistert, daß sie sich schriftlich für eine "most enjoyable lunch party" bedankte.

Peter Scholz, zuletzt deutscher Botschafter in Manila, schildert auch die stundenlange Komparsenrolle bei offiziellen Veranstaltungen, die kostspieligen Aufenthalte Bonner Abgeordneter, deren Reisegrund die Botschaft "in einer Stunde" hätte erledigen können, und schließlich die mündliche Berichterstattung bei Karl Carstens, der als Staatsoberhaupt nicht nur elegante Großbotschafter, sondern auch die hartgeprüften Vertreter der Bundesrepublik in kleinen Staaten in die Villa Hammerschmidt zitierte. Auf den Rat, einen als "hochinteressant und ganz neu" gelobten Kurzvortrag schriftlich dem Auswärtigen Amt zu unterbreiten, reagierte Scholz mit artigem und für viele Kollegen auf abgelegenen Posten tröstlichem, für unerfahrene Attachés sicherlich noch unverständlichem Lächeln: "Herr Bundespräsident, was meinen Sie, wie oft das schon geschrieben wurde? Aber wer hat denn heute noch die Zeit, solche Berichte zu lesen und auszuwerten, oder denkt gar daran, sie an Sie zu leiten?" RAINER A. BLASIUS

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