Johann Georg Gmelin nahm 1733-1743 an der Großen Nordischen Expedition unter der Leitung des Dänen Vitus Bering teil. 1751/52 veröffentlichte er die Geschichte seiner zehnjährigen Forschungsreise und hinterließ uns einen farbenprächtigen und spannenden Bericht seiner Entdeckungsabenteuer in der Endlosigkeit zwischen dem Polarmeer und den Steppen Innerasiens.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2000Frühe Reisen
"Expedition ins unbekannte Sibirien" von Johann Georg Gmelin; herausgegeben, eingeleitet und erläutert von Dittmar Dahlmann. Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 1999. 454 Seiten, einige Abbildungen. Gebunden, 49,80 Mark. ISBN 3-7995-0606-3.
Man kann sich alles vorstellen: Den etwas sonderbaren Herrn Professor, wie er in seiner Tübinger Gelehrtenstube sitzt, die Federspitze in das Tintenfass taucht und seine Erinnerungen auf das Papier kratzt. Die Gefahren und Wagnisse, die Ängste und Entbehrungen, die er schildert. Seine Freude, nachdem alles glücklich ausgestanden war. Als Teilnehmer einer großen russischen Expedition unter dem Oberkommando von Vitus Bering hatte der deutsche Gelehrte Johann Georg Gmelin im Sommer 1733 St. Petersburg verlassen. Der Auftrag der Expedition war es, den Riesenraum Sibiriens so umfassend wie möglich zu erforschen. Die Aufgabe nahm zehn Jahre in Anspruch. Nach seiner Rückkehr siedelte Gmelin nach Tübingen über und verarbeitete seine Erlebnisse zu einem vierbändigen Buch. Mit informativen Erläuterungen versehen und sorgfältig betreut sind wesentliche Auszüge dieses Buches jetzt neu erschienen. Er habe sich "keiner Schminke der Worte" bedient, schreibt Gmelin zu Beginn seiner Aufzeichnungen, denn Sibirien habe ihn bescheiden gemacht. In der Tat beschreibt der Naturforscher Gmelin seine Abenteuer prosaisch und allzeit nüchtern. Doch besitzt er jene Fähigkeit, die einen guten Reiseautor nicht zuletzt ausmacht: Er kann staunen. Und so staunt sich Gmelin durch Sibirien, staunt über das, was dieser Teil der Welt an Wundern und Merkwürdigkeiten bereithält. Über die Schamanen der Nomadenvölker und deren Glauben an eine Welt voller Teufel und böser Geister. Über unersättliche Branntweinsäufer und gutmütige Bauern. Über bei lebendigem Leib vergrabene Menschen und den Gesang tatrischer Mullahs. Wo er nicht staunt, staunt der heutige Leser, der sich als Reisender kaum je Gedanken darüber macht, wie beschwerlich und gefährlich es einst war, nur einen Fluss zu überqueren. Oder wie dem Russland-Reisenden vor zweihundertfünfzig Jahren angst und bange wurde, wenn es zu dämmern begann und kein Dorf in Sicht war. Vor allem solche Details sind für den Leser von heute besonders eindringlich: Man kann sich alles vorstellen. (tens)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Expedition ins unbekannte Sibirien" von Johann Georg Gmelin; herausgegeben, eingeleitet und erläutert von Dittmar Dahlmann. Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 1999. 454 Seiten, einige Abbildungen. Gebunden, 49,80 Mark. ISBN 3-7995-0606-3.
Man kann sich alles vorstellen: Den etwas sonderbaren Herrn Professor, wie er in seiner Tübinger Gelehrtenstube sitzt, die Federspitze in das Tintenfass taucht und seine Erinnerungen auf das Papier kratzt. Die Gefahren und Wagnisse, die Ängste und Entbehrungen, die er schildert. Seine Freude, nachdem alles glücklich ausgestanden war. Als Teilnehmer einer großen russischen Expedition unter dem Oberkommando von Vitus Bering hatte der deutsche Gelehrte Johann Georg Gmelin im Sommer 1733 St. Petersburg verlassen. Der Auftrag der Expedition war es, den Riesenraum Sibiriens so umfassend wie möglich zu erforschen. Die Aufgabe nahm zehn Jahre in Anspruch. Nach seiner Rückkehr siedelte Gmelin nach Tübingen über und verarbeitete seine Erlebnisse zu einem vierbändigen Buch. Mit informativen Erläuterungen versehen und sorgfältig betreut sind wesentliche Auszüge dieses Buches jetzt neu erschienen. Er habe sich "keiner Schminke der Worte" bedient, schreibt Gmelin zu Beginn seiner Aufzeichnungen, denn Sibirien habe ihn bescheiden gemacht. In der Tat beschreibt der Naturforscher Gmelin seine Abenteuer prosaisch und allzeit nüchtern. Doch besitzt er jene Fähigkeit, die einen guten Reiseautor nicht zuletzt ausmacht: Er kann staunen. Und so staunt sich Gmelin durch Sibirien, staunt über das, was dieser Teil der Welt an Wundern und Merkwürdigkeiten bereithält. Über die Schamanen der Nomadenvölker und deren Glauben an eine Welt voller Teufel und böser Geister. Über unersättliche Branntweinsäufer und gutmütige Bauern. Über bei lebendigem Leib vergrabene Menschen und den Gesang tatrischer Mullahs. Wo er nicht staunt, staunt der heutige Leser, der sich als Reisender kaum je Gedanken darüber macht, wie beschwerlich und gefährlich es einst war, nur einen Fluss zu überqueren. Oder wie dem Russland-Reisenden vor zweihundertfünfzig Jahren angst und bange wurde, wenn es zu dämmern begann und kein Dorf in Sicht war. Vor allem solche Details sind für den Leser von heute besonders eindringlich: Man kann sich alles vorstellen. (tens)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main