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Produktdetails
  • Verlag: Penguin Books UK
  • Erscheinungstermin: November 2012
  • Englisch
  • Abmessung: 234mm x 152mm x 23mm
  • Gewicht: 352g
  • ISBN-13: 9780670922239
  • ISBN-10: 0670922234
  • Artikelnr.: 35399949
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2013

Thriller aus der Unterwelt
Bilanzfälschungen und ein Manager, der sich selbst feiert

Wie es heißt, verhandelt der frühere Olympus-Präsident Michael Woodford schon seit einiger Zeit mit den Söhnen des britischen Thriller-Schriftstellers John le Carré darüber, sein Buch über seine Zeit an der Spitze des japanischen Konzerns zu verfilmen. Der Brite, der sich aus einfachen Verhältnissen in Liverpool zum Vorstandschef des japanischen Kamera- und Medizintechnikkonzerns Olympus empor gekämpft hat, schildert in diesem Buch seine Entmachtung nach wenigen Monaten an der Spitze des Konzerns. Und was er da erlebt hat, liest sich wirklich wie ein Thriller.

Woodford hat, so sagt es die vor allem in angelsächsischen Medien gern verbreitete Legende, Bilanzfälschungen bei Olympus aufklären wollen und diese dann heldenhaft öffentlich gemacht. Als "Held" lässt sich der Exvorstandschef in einem Nachwort zu seinem Buch auch vom in Tokio lebenden amerikanischen Journalisten Jake Adelstein feiern. Dabei weiß niemand besser als der Ex-Olympus-Chef selbst, dass er dieser Held nicht ist. Woodford schildert das sogar ausführlich selbst in seinem Buch. Aufgedeckt hat die Bilanzfälschungen das kleine, aber feine japanische Magazin "Facta". Der mutige Enthüller war nicht Woodford, sondern ein Olympus-Mitarbeiter, der die Manipulationen öffentlich machte - und der dabei wirklich alles riskierte.

Woodford war zu dieser Zeit noch allein damit beschäftigt, wie er im Machtkampf der "Alpha-Männer" in der Führungsriege von Olympus seinen Widersacher Tsuyoshi Kikukawa in die Schranken weisen kann. Die "Enthüllung" - so Woodfords Buchtitel in deutscher Übersetzung - zeigt diese ganz andere Geschichte. Es ist die Geschichte eines Machtkampfes zweier Alpha-Männer. Da steht auf der einen Seite Woodford, auf der anderen Seite sein langjähriger japanischer Förderer Tsuyoshi Kikukawa. Kikukawa war Woodfords Vorgänger und Nachfolger. Er erst hat den Briten 2011 zum Vorstandsvorsitzenden gemacht, und er hat ihn, weil er tief in der japanischen Tradition des Verschleierns unangenehmer Nachrichten verankert ist, aus dem Amt gedrängt, als Woodford - rabiat wie John Wayne in seinen Western - die Bilanzschiebereien nutzen wollte, um Kikukawa endgültig auszuschalten. Woodford wurde erst zum Saubermann, nachdem er im Oktober 2011 gestürzt worden war.

Um es gleich zu sagen: Der Ex-Olympus-Chef hat ein leicht lesbares, ein spannendes und ein interessantes Buch geschrieben, das tiefe Einblicke in die japanische Unternehmenskultur liefert. Was Woodford über die Probleme der "Japan AG" schreibt, ist nicht nur richtig, es hätte verdient, gründlicher behandelt zu werden, um den Rahmen aufzuzeigen, in dem der britische Manager - der in angelsächsischer Tradition ein anderes Verständnis vom Kapitalismus hat als die Japaner - damals agierte. Woran krankt Japan? Woodford spricht das deutlich aus. Anders als ihre westlichen Wettbewerber schleppen japanische Unternehmen wegen ihrer kulturellen Prägung viel zu viele Geschäftsbereiche durch, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind. "Gesunde rote Abteilungen" werden sie in japanischen Konzernen genannt. Entsprechend niedrig ist die Umsatzrendite. Um Verluste zu verschleiern, haben die Olympus-Manager Bilanzen gefälscht und unsinnige Scheingeschäfte abgewickelt.

Woodford hat diese Bilanzfälschungen - die "Facta" aufdeckte - öffentlich gemacht, als er Mitte Oktober 2011 von Kikukawa entmachtet wurde. Er traf sich in einem Park in Tokio mit einem Korrespondenten der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times", überreichte alle seine Unterlagen, und fürchtete - wie er schreibt - um sein Leben. Schließlich soll sich Olympus bei seinen kriminellen Geschäften sogar mit "antisozialen Elementen" - einer euphemistischen japanischen Umschreibung für die Yakuza, die japanische Mafia - eingelassen haben. Das liest sich spannend, auch wenn alle Belege dafür fehlen.

Spannender als alle Yakuzas ist aber, was Woodford über seinen Machtkampf mit Kikukawa schreibt. Der Japaner hat Woodford zwar gefördert und als Vorstandsvorsitzenden nach Tokio geholt, die Macht über das Unternehmen hat er aber nie aus der Hand gegeben. Der Brite forderte bei seinem ersten Treffen nach der Veröffentlichung der Affäre in "Facta" von Kikukawa - sehr anschaulich geschildert im Buch - er wolle endlich die Autorität, Olympus auch wirklich zu führen. "Er kontrollierte", schreibt Woodford, "und ich bin nicht sehr gut darin, kontrolliert zu werden. Wie er (Kikukawa) noch herausfinden würde." Das sind die Schlüsselsätze in Woodfords Buch, die zeigen, dass der ganze Skandal nur ans Licht gekommen ist, weil sich hier zwei Männer in einem Machtkampf um die Führung rücksichtslos bekämpften.

Dabei bekommt das Buch bisweilen sogar komische Züge. Da essen die Japaner in der ersten Krisensitzung mit Kikukawa nach der "Facta"-Veröffentlichung leckere Sushi. Woodford, der Ausländer, bekommt nur ein trockenes Thunfisch-Brot hingestellt, das - wie er meinte - selbst die britische Eisenbahn nicht zu ihrer schlechtesten Zeit anzubieten gewagt hätte. Der Brite hat nach seiner Ernennung zum neuen Vorstandsvorsitzenden von Olympus im April 2011 schnell gemerkt, dass er in Tokio eher eine Art Frühstücksdirektor von Kikukawas Gnaden sein sollte.

Mit der Corporate Governance hapert es schwer in Japan, zu viele unangenehme Wahrheiten werden zu gern unter den Tisch gewischt. Der Olympus-Bilanzfälschungsskandal und Woodfords Kampf haben deswegen eine segensreiche Wirkung gehabt. Doch etwas weniger Selbstgerechtigkeit, etwas weniger Selbstbeweihräucherung hätte Woodford und seinem Buch gutgetan.

"Schande über euch", rief Woodford am 20. April vergangenen Jahres, als auf der Hauptversammlung von Olympus in Tokio sein Versuch endgültig scheiterte, zurück an die Spitze des Unternehmens zu kommen. "Ich habe die Schlacht gewonnen, aber den Krieg verloren", notierte Woodford an Weihnachten 2011. Das stimmt, aber spannender Filmstoff ist diese Geschichte dennoch.

CARSTEN GERMIS.

Michael Woodford: Exposure - How I went from CEO to Whistleblower.

Penguin Books, London 2012 , 272 Seiten, 14,95 Euro.

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