Das offizielle Jubiläumsbuch der ZapatistasEZLN: 20+10 - Das Feuer und das Wort gibt, so Subcomandante Marcos, den bisher vollständigsten Überblick über das öffentliche Wirken der EZLN.20 und 10 - das sind 20 Jahre Bestehen der EZLN, 10 Jahre Vorbereitung und 10 Jahre Krieg. Mitglieder der EZLN, aufständische Soldaten und Compañeros kommen zu Wort und erzählen auch aus ihrer persönlichen Sicht über die ersten zehn Jahre. Jahr für Jahr wird dann das öffentliche Agieren der EZLN nachgezeichnet, vom Augenblick des bewaffneten Aufstandes am 1. Januar 1994, dem Beginn des Krieges, bis hin zur Verkündung des 'Todes der Aguascalientes' und der 'Geburt der Caracoles' im Jahre 2003. Subcomandante Marcos äußert sich u.a. zum Krieg, zur Autonomie, zum 'Wort als Waffe und Schweigen als Strategie', zur Antiglobalisierungsbewegung, zu den zapatistischen Dörfern und zum Widerstand, zu 'einer Welt, in der alle Welten Platz haben'.". '20+10' ist ein kenntnisreicher Einblick in die Entstehungsgeschichte der Zapatisten. Viele Bilder und Stimmen der Akteure sowie eine gelungene Buchgestaltung machen es zu einem wichtigen Buch für all jene, die sich näher mit der Denk- und Lebensweise der Zapatisten beschäftigen." Elmar Lenzen, eins, Entwicklungspolitik Information Nord-Süd, Juni 2006
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.08.2005Rebellen hinter Masken
Der internationale Rückhalt der mexikanischen Zapatisten
Die Gewehre sprachen nur für kurze Zeit. Zwölf Tage dauerte der bewaffnete Aufstand, mit dem das Zapatistische Befreiungsheer EZLN im Januar 1994 im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas auf sich aufmerksam machte. Danach bestimmten Worte das Geschehen: Etwa „Intergalaktische Treffen” mit Globalisierungskritikern oder Texte des Zapatistensprechers Subcomandante Marcos, in denen der „Sub” meist auch den postmodern inspirierten Käfer Don Durito oder den maya-indianischen „Alten Antonio” sprechen ließ.
Diese gelegentlich widersinnige Mischung aus Moderne und Modernitätskritik stieß bei einflussreichen Intellektuellen in Mexiko-Stadt ebenso auf Widerhall wie bei jungen Linken in Berlin. Vom „ersten postkommunistischen Aufstand” war die Rede, der Literat Octavio Paz diskutierte mit Marcos über Universalismus, und Danielle Mitterrand, die Frau des französischen Präsidenten, ließ wissen: „Diese Menschen - unsere Brüder.”
Kürzlich erklärte Marcos, die Guerilla im mexikanischen Bundesstaat Chiapas wolle die Waffen niederlegen und sich in eine dauerhaft friedliche Bewegung verwandeln. Der Subcomandante kündigte eine „neue politische Initiative nationalen und internationalen Charakters an. Dies entspreche dem Willen der Ureinwohner, für deren Rechte das Zapatistische Befreiungsheer eintrete. Damit hob Marcos eine erst kurz zuvor erhobene Warnung auf, als er eine Rückkehr zu militärischen Aktionen angedroht hatte.
Wieso rief die „Wortergreifung” verarmter indigener Rebellen überhaupt solch große Resonanzen hervor? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine diskurstheoretische Studie der Journalistin und Kulturwissenschaftlerin Anne Huffschmid. „Statt Identifizierung bietet der Zapatismo die Möglichkeit zur Identifikation”, resümiert sie und verweist auf die Rolle der Masken, mit denen die Indigenen ihr Gesicht verhüllen. „Wenn ihr wissen wollt, wer hinter der Maske steckt, dann schaut in einen Spiegel.” Ausgehend von dieser Erklärung des Subkommandanten widmet sich Huffschmid den „Spiegel-Effekten” des Aufstands in der Presse, unter Akademikern und in der globalisierungskritischen Szene.
Die Autorin untersucht diese „Resonanzen” in Anlehnung an den Theoretiker Michel Foucault, verweigert sich aber einer Analyse, nach der es „nur noch Diskurs und nichts als Diskurs” gebe. Dennoch bestätigt sich für die Wissenschaftlerin die diskurstheoretische Prämisse über die Wirkungsmächtigkeit von Sprache: Die Zapatisten seien der leibhaftige Beleg dafür, „dass ,diskursive Praktiken unter Umständen sogar lebenserhaltend sind”. Womit die Autorin recht hat. Nur der große internationale Rückhalt der Rebellen hatte verhindert, dass die Regierung das Problem gewaltsam löste. Militärisch hätten die Maskierten der mexikanischen Armee nicht lange widerstehen können.
Dass der viel beschworene Diskurs trotzdem wenig mit dem Alltag in den indigenen Dörfern zu tun haben, zeigt ein weiteres Buch, das über den Zapatismus erschienen ist. „Das Feuer und das Wort” von Gloria Muñoz Ramírez nähert sich dem Phänomen ganz pragmatisch. Die mexikanische Journalistin hat selbst sieben Jahre mit den Rebellen gelebt.
Aus ihrer Nähe zu den Guerilleros macht sie keinen Hehl: Vorwort und Resümee sind dem EZLN-Sprecher Marcos vorbehalten. Muñoz Ramírez selbst beschreibt die über 20-jährige Geschichte der Zapatisten. So etwa die ersten Jahre, in denen ein paar dahergekommene städtische Linke lernen mussten, dass mit den Indigenen nicht mal eben Revolution à la Che Guevara zu machen ist.
Ausführlich lässt die Journalistin
Akteure der Rebellion zu Wort kommen: „Leutnant Insurgente im Sanitäts-
dienst Gabriela” oder „Compañero Gerardo aus den ersten zapatistischen Dörfern”. Sie sprechen vor allem über eine bessere Gesundheitsversorgung oder den Kampf für mehr Gerechtigkeit. „Es ist unsere Art”, so erklären sie, „zuerst an die Praxis, und dann an die Theorie zu gehen.”
WOLF-DIETER VOGEL
ANNE HUFFSCHMID: Diskursguerilla: Wortergreifung und Widersinn. Synchron-Verlag, Heidelberg. 480 Seiten, 44,80 Euro.
GLORIA MUÑOZ RAMÍREZ: EZLN: 20 und 10. Das Feuer und das Wort. Unrast-Verlag Münster. 262 Seiten, 18 Euro.
Der Subcomandante ist friedlich geworden. Zapatistenführer Marcos bei einer Rede in Mexico City im März 2001.
Foto: AP
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Der internationale Rückhalt der mexikanischen Zapatisten
Die Gewehre sprachen nur für kurze Zeit. Zwölf Tage dauerte der bewaffnete Aufstand, mit dem das Zapatistische Befreiungsheer EZLN im Januar 1994 im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas auf sich aufmerksam machte. Danach bestimmten Worte das Geschehen: Etwa „Intergalaktische Treffen” mit Globalisierungskritikern oder Texte des Zapatistensprechers Subcomandante Marcos, in denen der „Sub” meist auch den postmodern inspirierten Käfer Don Durito oder den maya-indianischen „Alten Antonio” sprechen ließ.
Diese gelegentlich widersinnige Mischung aus Moderne und Modernitätskritik stieß bei einflussreichen Intellektuellen in Mexiko-Stadt ebenso auf Widerhall wie bei jungen Linken in Berlin. Vom „ersten postkommunistischen Aufstand” war die Rede, der Literat Octavio Paz diskutierte mit Marcos über Universalismus, und Danielle Mitterrand, die Frau des französischen Präsidenten, ließ wissen: „Diese Menschen - unsere Brüder.”
Kürzlich erklärte Marcos, die Guerilla im mexikanischen Bundesstaat Chiapas wolle die Waffen niederlegen und sich in eine dauerhaft friedliche Bewegung verwandeln. Der Subcomandante kündigte eine „neue politische Initiative nationalen und internationalen Charakters an. Dies entspreche dem Willen der Ureinwohner, für deren Rechte das Zapatistische Befreiungsheer eintrete. Damit hob Marcos eine erst kurz zuvor erhobene Warnung auf, als er eine Rückkehr zu militärischen Aktionen angedroht hatte.
Wieso rief die „Wortergreifung” verarmter indigener Rebellen überhaupt solch große Resonanzen hervor? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine diskurstheoretische Studie der Journalistin und Kulturwissenschaftlerin Anne Huffschmid. „Statt Identifizierung bietet der Zapatismo die Möglichkeit zur Identifikation”, resümiert sie und verweist auf die Rolle der Masken, mit denen die Indigenen ihr Gesicht verhüllen. „Wenn ihr wissen wollt, wer hinter der Maske steckt, dann schaut in einen Spiegel.” Ausgehend von dieser Erklärung des Subkommandanten widmet sich Huffschmid den „Spiegel-Effekten” des Aufstands in der Presse, unter Akademikern und in der globalisierungskritischen Szene.
Die Autorin untersucht diese „Resonanzen” in Anlehnung an den Theoretiker Michel Foucault, verweigert sich aber einer Analyse, nach der es „nur noch Diskurs und nichts als Diskurs” gebe. Dennoch bestätigt sich für die Wissenschaftlerin die diskurstheoretische Prämisse über die Wirkungsmächtigkeit von Sprache: Die Zapatisten seien der leibhaftige Beleg dafür, „dass ,diskursive Praktiken unter Umständen sogar lebenserhaltend sind”. Womit die Autorin recht hat. Nur der große internationale Rückhalt der Rebellen hatte verhindert, dass die Regierung das Problem gewaltsam löste. Militärisch hätten die Maskierten der mexikanischen Armee nicht lange widerstehen können.
Dass der viel beschworene Diskurs trotzdem wenig mit dem Alltag in den indigenen Dörfern zu tun haben, zeigt ein weiteres Buch, das über den Zapatismus erschienen ist. „Das Feuer und das Wort” von Gloria Muñoz Ramírez nähert sich dem Phänomen ganz pragmatisch. Die mexikanische Journalistin hat selbst sieben Jahre mit den Rebellen gelebt.
Aus ihrer Nähe zu den Guerilleros macht sie keinen Hehl: Vorwort und Resümee sind dem EZLN-Sprecher Marcos vorbehalten. Muñoz Ramírez selbst beschreibt die über 20-jährige Geschichte der Zapatisten. So etwa die ersten Jahre, in denen ein paar dahergekommene städtische Linke lernen mussten, dass mit den Indigenen nicht mal eben Revolution à la Che Guevara zu machen ist.
Ausführlich lässt die Journalistin
Akteure der Rebellion zu Wort kommen: „Leutnant Insurgente im Sanitäts-
dienst Gabriela” oder „Compañero Gerardo aus den ersten zapatistischen Dörfern”. Sie sprechen vor allem über eine bessere Gesundheitsversorgung oder den Kampf für mehr Gerechtigkeit. „Es ist unsere Art”, so erklären sie, „zuerst an die Praxis, und dann an die Theorie zu gehen.”
WOLF-DIETER VOGEL
ANNE HUFFSCHMID: Diskursguerilla: Wortergreifung und Widersinn. Synchron-Verlag, Heidelberg. 480 Seiten, 44,80 Euro.
GLORIA MUÑOZ RAMÍREZ: EZLN: 20 und 10. Das Feuer und das Wort. Unrast-Verlag Münster. 262 Seiten, 18 Euro.
Der Subcomandante ist friedlich geworden. Zapatistenführer Marcos bei einer Rede in Mexico City im März 2001.
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