Bearbeitet werden über 1000 für den Marxismus mit seinen unterschiedlichen theoretischen und praktischen Linien und für die sozialen Befreiungsbewegungen relevant gewordene Begriffe. Viele Stichwörter entstammen der politisch-theoretischen Lexikas der Gegenwart und wurden noch nie in Wörterbüchern behandelt.
In Planung sind 12 bis 15 Bände (ca. 1 Bd./Jahr).
Jeder Band im Großformat 18 x 25 cm mit einem Umfang von ca. 500-750 Seiten, bibliotheksleinengebunden mit Schutzumschlag und zwei Lesebändchen.
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Jeder Band im Großformat 18 x 25 cm mit einem Umfang von ca. 500-750 Seiten, bibliotheksleinengebunden mit Schutzumschlag und zwei Lesebändchen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.1995Da ist er wieder, der vertraute Jargon
Was wir schon immer vom Marxismus wissen wollten, im Historisch-kritischen Wörterbuch finden wir's
Es ist alles so vertraut: Hat man den leicht schlabbrigen Schutzumschlag entfernt, leuchtet einem der berühmte blau-rot-goldene Einband entgegen. Und nicht nur in den Farben, auch im Format paßt sich das "Historisch-kritische Wörterbuch des Marxismus" der unlängst glücklich geretteten Marx-Engels-Gesamtausgabe an. Die MEGA bekommt ihr HKWM. Selbst der Geruch nach Kunstleder hat sich rätselhafterweise erhalten. Glückliche Kontinuität auch über die "epistemologischen Einschnitte" der letzten Jahre hinaus.
Denn mit dieser Bezeichnung entledigt sich Herausgeber Wolfgang Fritz Haug im Vorwort der wohl diffizilsten Aufgabe dieses seit zehn Jahren vorbereiteten, auf zwölf Bände angelegten Großprojekts: Zu begründen, warum wir noch Materialien zur abgesagtesten Theorie der Gegenwart bedürfen. Haug verrät es indirekt in Spalte 388 (Stichwort "Apathie im befehlsadministrativen Sozialismus"): "Als 1991 Putsch und Gegenputsch Gorbatschows Perestrojka ein Ende bereiteten, verharrte die große Mehrheit der Bevölkerung in Gleichgültigkeit." Wo jedoch weniger das System als vielmehr die Systematisierten versagten, ist noch Hoffnung. Mit zwölf Bänden vorwärts in die Zukunft. Kommunismus ist Sowjetmacht plus Exemplifizierung des ganzen Kanons.
Hören wir uns doch die Experten erst einmal an, denn es gibt Interessantes zu erfahren. Zum Beispiel wenig beleuchtete Facetten marxistischer Vergangenheit wie das 1931 erfolgte Angebot der KPdSU an die jüdischen Sowjetbürger, ein autonomes Gebiet an den freundlichen Gestaden des Eismeers zu beziehen. Unbekanntes über den Meister selbst wie im kürzesten Eintrag des ersten Bandes ("Arbeiterumfrage"), der Karl Marx' Projekt einer statistischen Erhebung unter Arbeitern in frischer Nonchalance wie folgt charakterisiert: "zu lang, zu kompliziert, zu detailliert". Und Wohltuendes wie im umfangreichen Ästhetik-Artikel von Günter Mayer, der endlich einmal klarstellt, daß von einer eigenen ästhetischen Theorie bei Marx und Engels keine Rede sein kann und daß zu deren nachträglicher Konstruktion "wenige bedeutende Talente, vor allem aber mittelmäßige" beigetragen haben. Da kann man verzeihen, daß Herausgeber Haug unter dem Lemma "ästhetische Abstraktion" schnell noch die eigene Terminologie zu kanonisieren sucht. Wir blättern schneller.
Natürlich ist die Wortwahl des Lexikons noch ganz seiner theoretischen Herkunft verpflichtet. Doch nur ganz selten finden sich Sedimente des ideologischen Urgesteins wie im Artikel "Auschwitz", wo auf die Warnung vor einer "bloß funktionellen Erklärungsweise" der bemerkenswerte Satz folgt: "Das Wesentliche an Auschwitz, die Aufsprengung der Zweck-Mittel-Relation in der Herrschaft von Menschen über Menschen, wird systematisch übersehen." Gut - wir wissen, wie es gemeint ist, aber da ist er wieder, der über-und unmenschliche Jargon. Er ist uns noch so vertraut. ANDREAS PLATTHAUS
"Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus". Band 1: Abbau des Staates bis Avantgarde. Herausgegeben von Wolfgang Fritz Haug. Argument-Verlag, Hamburg 1994, 421 + VI S., geb., 129,- DM (bei Subskription bis 30. 6. 1995 98,- DM).
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was wir schon immer vom Marxismus wissen wollten, im Historisch-kritischen Wörterbuch finden wir's
Es ist alles so vertraut: Hat man den leicht schlabbrigen Schutzumschlag entfernt, leuchtet einem der berühmte blau-rot-goldene Einband entgegen. Und nicht nur in den Farben, auch im Format paßt sich das "Historisch-kritische Wörterbuch des Marxismus" der unlängst glücklich geretteten Marx-Engels-Gesamtausgabe an. Die MEGA bekommt ihr HKWM. Selbst der Geruch nach Kunstleder hat sich rätselhafterweise erhalten. Glückliche Kontinuität auch über die "epistemologischen Einschnitte" der letzten Jahre hinaus.
Denn mit dieser Bezeichnung entledigt sich Herausgeber Wolfgang Fritz Haug im Vorwort der wohl diffizilsten Aufgabe dieses seit zehn Jahren vorbereiteten, auf zwölf Bände angelegten Großprojekts: Zu begründen, warum wir noch Materialien zur abgesagtesten Theorie der Gegenwart bedürfen. Haug verrät es indirekt in Spalte 388 (Stichwort "Apathie im befehlsadministrativen Sozialismus"): "Als 1991 Putsch und Gegenputsch Gorbatschows Perestrojka ein Ende bereiteten, verharrte die große Mehrheit der Bevölkerung in Gleichgültigkeit." Wo jedoch weniger das System als vielmehr die Systematisierten versagten, ist noch Hoffnung. Mit zwölf Bänden vorwärts in die Zukunft. Kommunismus ist Sowjetmacht plus Exemplifizierung des ganzen Kanons.
Hören wir uns doch die Experten erst einmal an, denn es gibt Interessantes zu erfahren. Zum Beispiel wenig beleuchtete Facetten marxistischer Vergangenheit wie das 1931 erfolgte Angebot der KPdSU an die jüdischen Sowjetbürger, ein autonomes Gebiet an den freundlichen Gestaden des Eismeers zu beziehen. Unbekanntes über den Meister selbst wie im kürzesten Eintrag des ersten Bandes ("Arbeiterumfrage"), der Karl Marx' Projekt einer statistischen Erhebung unter Arbeitern in frischer Nonchalance wie folgt charakterisiert: "zu lang, zu kompliziert, zu detailliert". Und Wohltuendes wie im umfangreichen Ästhetik-Artikel von Günter Mayer, der endlich einmal klarstellt, daß von einer eigenen ästhetischen Theorie bei Marx und Engels keine Rede sein kann und daß zu deren nachträglicher Konstruktion "wenige bedeutende Talente, vor allem aber mittelmäßige" beigetragen haben. Da kann man verzeihen, daß Herausgeber Haug unter dem Lemma "ästhetische Abstraktion" schnell noch die eigene Terminologie zu kanonisieren sucht. Wir blättern schneller.
Natürlich ist die Wortwahl des Lexikons noch ganz seiner theoretischen Herkunft verpflichtet. Doch nur ganz selten finden sich Sedimente des ideologischen Urgesteins wie im Artikel "Auschwitz", wo auf die Warnung vor einer "bloß funktionellen Erklärungsweise" der bemerkenswerte Satz folgt: "Das Wesentliche an Auschwitz, die Aufsprengung der Zweck-Mittel-Relation in der Herrschaft von Menschen über Menschen, wird systematisch übersehen." Gut - wir wissen, wie es gemeint ist, aber da ist er wieder, der über-und unmenschliche Jargon. Er ist uns noch so vertraut. ANDREAS PLATTHAUS
"Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus". Band 1: Abbau des Staates bis Avantgarde. Herausgegeben von Wolfgang Fritz Haug. Argument-Verlag, Hamburg 1994, 421 + VI S., geb., 129,- DM (bei Subskription bis 30. 6. 1995 98,- DM).
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