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Eine Vorstadtkindheit der fünfziger Jahre: ein schwarzer Vater aus Martinique, der im Krieg Eisenbahnen sabotiert und De Gaulle das Leben gerettet hat, eine französische Mutter, die die besten Kirschaufläufe bäckt und fliegen kann wie Peter Pan. Und ein Junge, zehn Jahre alt, das elfte von dreizehn Kindern, voller Witz und Verstand, der in einer Welt voller Überraschungen, komischer Situationen und unvergeßlicher Dialoge lebt. Picouly erzählt von einer Kindheit, die seine eigene war. "Picoulys Beobachtungen bezaubern, je länger man sie liest und je tiefer man in dieses Buch und das Leben dieser wunderbaren Familie eintaucht." Elke Heidenreich…mehr

Produktbeschreibung
Eine Vorstadtkindheit der fünfziger Jahre: ein schwarzer Vater aus Martinique, der im Krieg Eisenbahnen sabotiert und De Gaulle das Leben gerettet hat, eine französische Mutter, die die besten Kirschaufläufe bäckt und fliegen kann wie Peter Pan. Und ein Junge, zehn Jahre alt, das elfte von dreizehn Kindern, voller Witz und Verstand, der in einer Welt voller Überraschungen, komischer Situationen und unvergeßlicher Dialoge lebt. Picouly erzählt von einer Kindheit, die seine eigene war. "Picoulys Beobachtungen bezaubern, je länger man sie liest und je tiefer man in dieses Buch und das Leben dieser wunderbaren Familie eintaucht." Elke Heidenreich
Autorenporträt
Daniel Picouly wurde 1948 in Villemomble als elftes von dreizehn Kindern geboren. Er veröffentlichte in Frankreich zwei Kriminalromane und ein Kinderbuch, ehe er mit dem Bestseller "Fängt ja gut an, das Leben" über Nacht berühmt wurde.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.1997

Schlafen wie die Eskimos
Daniel Picouly huldigt der Kindheit / Von Christoph Bartmann

Hier ist ein Buch, für das sich gut die Trommel rühren läßt. Schließlich geriet in Frankreich der Erstlingsroman des bis dahin nur als Krimiautor hervorgetretenen Handelsschullehrers Daniel Picouly zum überraschenden Bestseller, und warum sollte sich das französische Entzücken nicht auf Deutschland übertragen? Tatsächlich sind die Vorzüge dieses Romans unübersehbar. Daniel Picouly, 1948 geboren, rekonstruiert am Leitfaden eines einzigen Septembertages eine Vorstadtkindheit um 1958 und läßt en passant eine ganze Epoche aufleben. Zudem hat Hinrich Schmidt-Henkel Picoulys Milieu vorzüglich ins Deutsche transponiert; in ein trocken-witziges Idiom, das dank einer gewissen Hamburger Färbung die rauhe Gangart des Originals auch in der Übersetzung erhält. Da wird schon mal was "verbaselt", und Seife kann der Knirps so wenig leiden wie Gebete, weil "da spannt die Haut von". Warum also sollte Daniel Picoulys Selbstbildnis als Zehnjähriger nach Roddy Doyles "Paddy Clarke Ha Ha Ha" und Frank McCourts "Die Asche meiner Mutter" nicht der nächste Volltreffer aus der Serie "Kinder als Erzähler" werden?

Es zieht sich durch diesen Roman eine große Seligkeit. Auch wenn Eltern und ein Dutzend Geschwister sich einen Eßraum, zwei Schlafzimmer, eine Küche und ein Wasserklosett teilen mußten: die Kindheit war schön, damals, in den Zeiten der Vollbeschäftigung und der unbebauten Spielwiesen. Im Original heißt der Roman "Das Niemandsfeld" ("Le champ de personne"). Auf dem Niemandsfeld - Fußballplatz, Zirkus, Crossgelände und Mikrokosmos in einem - gibt es keine Gewalt, nur ab und zu eine Tracht Prügel. Es gibt auch keinen Fremdenhaß, nur dann und wann einen dummen Kommentar zur Hautfarbe ("Milchkaffee"). Man holt sich hier eine Platzwunde am Kopf, aber man nimmt nicht Schaden an der Seele.

Picoulys Roman stellt nicht nur eine Huldigung an die Glücksorte der Kindheit dar, sondern mehr noch an seine Eltern oder, um in der Sprache des Kindes zu reden, an M'am und P'pa. Bleiben M'ams Heldentaten weitgehend auf den häuslichen Aufgabenkreis beschränkt, so greift die väterliche Vita geradezu ins Großhistorische aus. Dieser P'pa ist ein veritabler Supermann, er ist "Picouman", wie ihn der Sohn voll Bewunderung getauft hat. Nicht nur leistet der Übervater Außerordentliches als "Weltmeister der Blechschlosser" bei Air France in Orly und als genialer Bastler im eigenen Geräteschuppen, nein, er war einstmals auch ein gefürchteter Boxer und im Kriege obendrein ein Widerstandskämpfer. In Abständen fährt P'pa konspirativerweise nach Algier, um dort seinen besten Freund zu sehen, einen Arzt, der wie er aus Martinique stammt. Frantz (Fanon), so heißt der Freund, hat sich dem algerischen Befreiungskampf angeschlossen und arbeitet gerade an einem neuen Buch, das "Die Verdammten dieser Erde" heißen wird. Wenn der Vater von seinen Algier-Reisen heimkommt, tauchen schon einmal Gendarmen auf, um sein Gepäck zu durchsuchen. P'pa, soviel zumindest ist dem Sohn klar, "hat in seinem Leben ein Geheimnis".

Picouly hat für seinen Stoff eine glückliche Form gefunden, die offen genug ist, um den kindlichen Abschweifungen ihr Recht zu lassen, und doch so geschlossen, daß sie nicht ganz und gar ausufern. Er hat, so sagt er selbst, eine "schöne Anordnung . . . mit Durcheinander gefüllt". Die schöne Anordnung heißt: Konzentration der Handlung auf einen ganz gewöhnlichen Schul- und Spieltag im Leben des jungen Picouly; und dies in einer Abfolge von dreizehn Kapiteln, was wiederum der Zahl der Geschwister entspricht. Das dreizehnte und letzte Kapitel besteht indes nur aus einem einzigen Satz. Es ist Epilog und Epitaph für Jacqueline, die große Schwester, die mit sieben Jahren an Typhus gestorben ist.

Die Abfolge der Kapitel folgt weitgehend dem kindlichen Tagespensum: Aufstehen, Frühstück, Schule, worin Diktat, Turnstunde, ein Lauschangriff auf die benachbarte Mädchenschule, ein Tb-Test und anderes mehr zu überstehen sind. Am Nachmittag das Niemandsfeld. Damit die Chronologie des Kinderalltags nicht eintönig wird, läßt Picouly seinen Helden kapitelweise in der Familiengeschichte schürfen, wobei diese Rückblicke jeweils thematisch auf die Tagesstationen Bezug nehmen. Warum stellt sich das angekündigte Lesevergnügen trotzdem nicht ein, und wie kommt es, daß man dieses Buch wie ein Album netter Begebenheiten lieber rasch durchblättern möchte, statt sich darin zu vertiefen?

Anders als bei Frank McCourt, dessen Buch irische und bisweilen bittere Kindheitserinnerungen bot, kommt bei Picouly Erinnerung als Thema und Methode überhaupt nicht vor. Statt dessen simuliert er die volle Gegenwart eines kindlichen Bewußtseins. Die erlebte Rede des Kindes soll die einzige Erzählstimme sein, die im Roman zu vernehmen ist. Wer das durchhalten will, geht erhebliche Risiken ein. Entweder ist die kindliche Rede reich an Mitteilungen: dann hat in der Regel ein Erwachsener nachgeholfen. Oder sie ist kindgemäß beschränkt: dann aber droht sie auf Romanlänge uninteressant zu werden. Als das Kind Kind war, schrieb es nun mal keine Romane, sondern Diktate und Aufsätze. Damit aus ihm ein vielwissender und sprachmächtiger Romanerzähler wird, muß das Kind entsprechend aufgerüstet werden.

Indem man ihm etwa ein ganz speziell konstruiertes Gehirn zuspricht: "Mein Gedächtnis ist wirklich komisch. Bei ,Handelsniederlassungen' fällt mir ,Tafel' ein, und von ,Tafel' hüpfe ich zu ,Schulheft'. Wie ein Flummi . . . Manchmal sagen meine Kameraden, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank. Deshalb verliere ich Erinnerungsstückchen und muß hüpfen." Oder aber durch den folgenden Dreh: Das Kind hat einen Sammeltick, ein "Lexikon im Kopf". Es schnappt einfach alles auf, was ihm über den Weg läuft: "Ich habe ein Steckenpferd. Ich sammle interessante Wörter. Ganze Listen habe ich schon. Außerdem: seltsame Überschriften aus der Zeitung, Camembert-Etiketten und die historischen Spielfiguren aus den Mokarex-Kaffeepaketen. Meine Familie sammelt auch, allerdings eher Katastrophen."

Es sind solche Stellen, in denen die behutsame und dennoch penetrante Text-Gegenwart des erwachsenen Erzählers vollends zutage tritt. Ein falscher Zungenschlag, und im Handumdrehen ist die aufwendig gezimmerte Illusion zerstört. Und solche Zungenschläge gibt es leider häufiger. So wird einmal beschrieben, wie sich die Eltern an der Haustür mit einem Kuß begrüßen und verabschieden. "So setzen sie", heißt es, "mit flüchtiger Berührung der Lippen die Klammer vor und hinter den Tag, den sie fern voneinander verbringen." Ein schöner Satz vielleicht, aber gewiß kein Kindersatz. Ebensowenig wie die Bemerkung, nach einer Schneeballschlacht hätten sie, die Kinder, "geschlafen wie kleine Eskimos". Man weiß nicht: Soll man dafür dem kleinen Eskimo den kleinen Hintern versohlen oder doch lieber den volljährigen Selbst-Souffleur zur Rechenschaft ziehen?

Weil Picoulys Roman ganz auf die Fabrikation erlebter Gegenwart gerichtet ist, nicht aber auf den Vorgang der Vergegenwärtigung, bleibt er letztlich harmlos. Was ihm an Tiefe fehlt, will er durch Breite wettmachen. Also werden vor den Lesern die Ergebnisse der kindlichen Sammelleidenschaft beflissen ausgebreitet. Sie erstrecken sich weit über die kleine Welt von Villemomble hinaus. Fußball, Schlager, Autos, Politik, Flugzeuge, Kriege. Nur der Held, das Kind, bleibt dabei eigentümlich blaß. Nie sieht man es verlegen, kaum je in sich gekehrt, selten unansprechbar. Es wäre schön, wenn sich das Kind einmal langweilen würde, wenn es einmal vorübergehend keine bessere Beschäftigung wüßte, als in der Nase zu bohren. Aber nein, es muß rastlos Fakten jagen und auf ihnen sein Erzählgebäude errichten. Und so etwas strengt Kinder und Leser auf Dauer über Gebühr an.

Daniel Picouly: "Fängt ja gut an, das Leben!". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel. Carl Hanser Verlag, München 1997. 376 S., geb., 39,80 DM.

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"Picoulys Beobachtungen bezaubern, je länger man sie liest und je tiefer man in dieses Buch und das Leben dieser wunderbaren Familie eintaucht." (Elke Heidenreich)