»Wenn es allein ist, wartet es ab und wirkt wie ein schlafendes Tier. Aber wenn du aufsattelst, hat es plötzlich die Kraft und Lebenslust, die du ihm gibst.«Das Fahrrad ist seit mehr als 200 Jahren der bescheidene Begleiter des Menschen, es dient den Kleinen und den Großen auf ihren alltäglichen Wegen, aber auch für ungewöhnliche Reisen. Das Wichtigste aber ist: Es kann uns ein Gefühl völliger Freiheit geben. Vielleicht, weil der Mensch auf einem Fahrrad nur einen Pedaltritt vom Abheben entfernt ist. Woher kommen die Faszination und Leidenschaft fürs Fahrrad? Was macht es mit unserem Körper und unseren Gefühlen, mit unseren Wegen durch Landschaften oder Städte? Wie ist die Idee des Fahrrads entstanden, wie hat es die Welt verändert und wie kann es sie immer noch verändern? Humorvoll und voller Begeisterung erzählt und illustriert, ist es ein Buch für große und kleine Radenthusiasten.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Das von Ondřej Buddeus geschriebene und von Jindřich Janíček illustrierte Sachbilderbuch "Fahr Rad" gefällt dem Rezensenten Jan Drees außerordentlich. Denn es deckt alle für das Fahrradfahren relevante Themen ab: von der Erfindung des Fahrrads im Kontext der napoleonischen Kriege über den menschlichen Gleichgewichtssinn und den Radsport bis zu den ökologischen Vorteilen des Fahrradfahrens, die das Klima und den Verkehr in heutigen Großstädten entlasten, so der erfreute Rezensent. Auch die vielfarbigen Illustrationen, teils die Technik, teils den Menschen ins Zentrum rückenden Illustrationen, weiß er zu schätzen. "Fahr Rad" ist ihm zufolge somit ein Sachbuch, das nicht nur aufgrund der gerade beginnenden Tour de France zur rechten Zeit kommt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2024Vom Gefährt zum Gefährten
Was der Kinderbuchautor Ondrej Buddeus und der Illustrator Jindrich Janícek mit ihrem Buch "Fahr Rad" vor allem vermitteln wollen, machen sie Lesern jeden Alters klar, bevor diese überhaupt zum Titelblatt geblättert haben: Auf den Seiten davor wird der Blick aus der Finsternis des Weltraums Seite für Seite auf einen, unseren Planeten gelenkt, auf den Sonnenaufgang über einer Berg- und Waldlandschaft, durch die im fünften Bild ein Fahrrad saust, das zwei Doppelseiten weiter an Felsen lehnt, während sein Fahrer - oder seine Fahrerin - mit der Trinkflasche ein paar Schritte weiter nach oben geklettert ist, es sich auf einem Stein gemütlich gemacht hat und das Gesicht zufrieden ins Sonnenlicht hält.
Selbstverständlich stellen die beiden tschechischen Bilderbuchkünstler alle Bauteile eines Fahrrads vor - samt ihren Erfindern, die oft unabhängig voneinander an derselben Entwicklung oder zumindest an Lösungen für dasselbe Problem gearbeitet haben. Klar, sie kommen auf die physikalischen Gesetze, die verhindern, dass Radler in der Fahrt einfach umkippen, ebenso zu sprechen wie auf den Energieeinsatz, der für diese Fortbewegung nötig ist - im Vergleich zum Fußgänger, aber auch zum motorisierten Fahren. Die Ökobilanz eines Fahrrads - durchschnittlich nach 700 Kilometern sind "die ökologischen Schulden aus dem Prozess seiner Herstellung beglichen" - liefern sie gleich mit. Sie stellen, auch das darf nicht fehlen, die verschiedenen Radtypen (und Radfahrertypen), die Kleidung und die Kleidungsarten fürs Radfahren vor, allgemeingültige und erweiterte Verkehrsregeln - bis hin zu Tipps wie "Nie die Hoffnung verlieren und auch nicht den Schlüssel zum Fahrradschloss" oder "Lächeln, winken, Freude verteilen", was sich im morgendlichen Großstadtverkehr oft nicht ganz einfach beherzigen lässt.
Sie zeigen verschiedene Sportarten, in denen Räder zum Einsatz kommen, von Rennen und Rundfahrten über die artistischen Disziplinen bis hin zu eher abseitigen Wettrennen wie der Weltmeisterschaft im Mountainbike-Schnorcheln, die "traditionell" in einem walisischen Moorgebiet bei Llanwrtyd Wells ausgetragen wurde: Hier musste - leider wird der Wettbewerb aktuell nicht veranstaltet - ein vierzig Meter langer Schlammgraben durchfahren werden, so tief, dass die Sportler meist den Kopf unter der trüben Wasseroberfläche hatten.
Die Illustrationen von Jindrich Janícek wechseln von der Veranschaulichung ins Erzählerische, ihre Dynamik und ihr leiser Humor tragen das Buch und bereiten die Bühne für die Texte von Ondrej Buddeus, die kindliche Leser bisweilen fordern, sowohl sprachlich als auch imaginativ - im Fremd- und Fachworteinsatz wie in Texten neben einer ganzen Reihe von Zeichnungen, die in ein, zwei Sätzen eine Figur, seine Szene, ein Beispiel vorstellen und darauf angelegt sind, dass die Leserschaft den Kontext in ihrer Phantasie ergänzt.
Dem Imperativ des Titels folgend - das Leerzeichen bei "Fahr Rad" ist mit Bedacht gewählt -, wird das Buch immer wieder durchaus persönlich: Eine ganze Doppelseite widmet sich den Emotionen beim Radfahren, dem Ekel, der Angst, der Gereiztheit oder der Erschöpfung - "du hast das Gefühl, dass du es nicht mehr schaffst" - ebenso wie der Neugierde, der Dankbarkeit und der Zufriedenheit. Eine andere Doppelseite stellt häufige Stunts und Stürze vor, rutschigen Untergrund, Bordsteinkanten und Straßenbahnschienen. "Am allerbesten ist es, das Hinfallen ganz zu vermeiden", heißt es eingangs weise, der Überblick endet mit einem ebenso wenig völlig ernst gemeinten Blick auf die Bodenbeschaffenheit beim Sturz, sortiert auf einer Schmerzskala. Asphalt rangiert hier naturgemäß ganz oben, Moos und Herbstlaub (auch in einem Laubhaufen könnte sich ein Ast verstecken, "vor dem Stürzen am besten sorgfältig untersuchen") werden in ihrer Harmlosigkeit nur noch von Heuhaufen und Federn übertroffen.
Fahrradfahren ist gefährlich: Das wissen alle Eltern aus eigener Erfahrung und beim Blick auf das erste unabhängige Schlingern ihrer Kinder. Schrammen und Schmerzen nicht ausgeschlossen. Das weiß jedes Kind, das sich bereits mit dem Radfahren beschäftigt hat. Vielleicht liegt in der gesunkenen Bereitschaft, Kinder Risiken auszusetzen, ein Grund dafür, dass immer weniger Kinder überhaupt Rad fahren können: Ein Drittel bis die Hälfte der Viertklässler fällt hierzulande inzwischen durch die Fahrradprüfung.
Ondrej Buddeus und Jindrich Janícek betonen, dass ein Fahrrad für die meisten Menschen das erste Verkehrsmittel ist, das sie selbst steuern; dass auf der ganzen Welt - Ausnahme Nordkorea - jeder, der es kann, einfach damit fahren darf; dass es nicht nur ein Verkehrs- , sondern auch ein Emanzipationsmittel ist. Sie unterschlagen Gefahren und Schmerzen und Frustrationen nicht, aber sie stellen ihnen von den ersten Seiten an den größten Gewinn gegenüber, den das Fahrradfahren zu bieten hat - einen Gewinn, der in unserer heutigen Welt immer höher geschätzt und immer weniger genutzt wird: Freiheit. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Ondrej Buddeus, Jindrich Janícek: "Fahr Rad".
Aus dem Tschechischen von Lena Dorn. Verlag Karl Rauch, Düsseldorf 2024. 120 S., geb., 25,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Was der Kinderbuchautor Ondrej Buddeus und der Illustrator Jindrich Janícek mit ihrem Buch "Fahr Rad" vor allem vermitteln wollen, machen sie Lesern jeden Alters klar, bevor diese überhaupt zum Titelblatt geblättert haben: Auf den Seiten davor wird der Blick aus der Finsternis des Weltraums Seite für Seite auf einen, unseren Planeten gelenkt, auf den Sonnenaufgang über einer Berg- und Waldlandschaft, durch die im fünften Bild ein Fahrrad saust, das zwei Doppelseiten weiter an Felsen lehnt, während sein Fahrer - oder seine Fahrerin - mit der Trinkflasche ein paar Schritte weiter nach oben geklettert ist, es sich auf einem Stein gemütlich gemacht hat und das Gesicht zufrieden ins Sonnenlicht hält.
Selbstverständlich stellen die beiden tschechischen Bilderbuchkünstler alle Bauteile eines Fahrrads vor - samt ihren Erfindern, die oft unabhängig voneinander an derselben Entwicklung oder zumindest an Lösungen für dasselbe Problem gearbeitet haben. Klar, sie kommen auf die physikalischen Gesetze, die verhindern, dass Radler in der Fahrt einfach umkippen, ebenso zu sprechen wie auf den Energieeinsatz, der für diese Fortbewegung nötig ist - im Vergleich zum Fußgänger, aber auch zum motorisierten Fahren. Die Ökobilanz eines Fahrrads - durchschnittlich nach 700 Kilometern sind "die ökologischen Schulden aus dem Prozess seiner Herstellung beglichen" - liefern sie gleich mit. Sie stellen, auch das darf nicht fehlen, die verschiedenen Radtypen (und Radfahrertypen), die Kleidung und die Kleidungsarten fürs Radfahren vor, allgemeingültige und erweiterte Verkehrsregeln - bis hin zu Tipps wie "Nie die Hoffnung verlieren und auch nicht den Schlüssel zum Fahrradschloss" oder "Lächeln, winken, Freude verteilen", was sich im morgendlichen Großstadtverkehr oft nicht ganz einfach beherzigen lässt.
Sie zeigen verschiedene Sportarten, in denen Räder zum Einsatz kommen, von Rennen und Rundfahrten über die artistischen Disziplinen bis hin zu eher abseitigen Wettrennen wie der Weltmeisterschaft im Mountainbike-Schnorcheln, die "traditionell" in einem walisischen Moorgebiet bei Llanwrtyd Wells ausgetragen wurde: Hier musste - leider wird der Wettbewerb aktuell nicht veranstaltet - ein vierzig Meter langer Schlammgraben durchfahren werden, so tief, dass die Sportler meist den Kopf unter der trüben Wasseroberfläche hatten.
Die Illustrationen von Jindrich Janícek wechseln von der Veranschaulichung ins Erzählerische, ihre Dynamik und ihr leiser Humor tragen das Buch und bereiten die Bühne für die Texte von Ondrej Buddeus, die kindliche Leser bisweilen fordern, sowohl sprachlich als auch imaginativ - im Fremd- und Fachworteinsatz wie in Texten neben einer ganzen Reihe von Zeichnungen, die in ein, zwei Sätzen eine Figur, seine Szene, ein Beispiel vorstellen und darauf angelegt sind, dass die Leserschaft den Kontext in ihrer Phantasie ergänzt.
Dem Imperativ des Titels folgend - das Leerzeichen bei "Fahr Rad" ist mit Bedacht gewählt -, wird das Buch immer wieder durchaus persönlich: Eine ganze Doppelseite widmet sich den Emotionen beim Radfahren, dem Ekel, der Angst, der Gereiztheit oder der Erschöpfung - "du hast das Gefühl, dass du es nicht mehr schaffst" - ebenso wie der Neugierde, der Dankbarkeit und der Zufriedenheit. Eine andere Doppelseite stellt häufige Stunts und Stürze vor, rutschigen Untergrund, Bordsteinkanten und Straßenbahnschienen. "Am allerbesten ist es, das Hinfallen ganz zu vermeiden", heißt es eingangs weise, der Überblick endet mit einem ebenso wenig völlig ernst gemeinten Blick auf die Bodenbeschaffenheit beim Sturz, sortiert auf einer Schmerzskala. Asphalt rangiert hier naturgemäß ganz oben, Moos und Herbstlaub (auch in einem Laubhaufen könnte sich ein Ast verstecken, "vor dem Stürzen am besten sorgfältig untersuchen") werden in ihrer Harmlosigkeit nur noch von Heuhaufen und Federn übertroffen.
Fahrradfahren ist gefährlich: Das wissen alle Eltern aus eigener Erfahrung und beim Blick auf das erste unabhängige Schlingern ihrer Kinder. Schrammen und Schmerzen nicht ausgeschlossen. Das weiß jedes Kind, das sich bereits mit dem Radfahren beschäftigt hat. Vielleicht liegt in der gesunkenen Bereitschaft, Kinder Risiken auszusetzen, ein Grund dafür, dass immer weniger Kinder überhaupt Rad fahren können: Ein Drittel bis die Hälfte der Viertklässler fällt hierzulande inzwischen durch die Fahrradprüfung.
Ondrej Buddeus und Jindrich Janícek betonen, dass ein Fahrrad für die meisten Menschen das erste Verkehrsmittel ist, das sie selbst steuern; dass auf der ganzen Welt - Ausnahme Nordkorea - jeder, der es kann, einfach damit fahren darf; dass es nicht nur ein Verkehrs- , sondern auch ein Emanzipationsmittel ist. Sie unterschlagen Gefahren und Schmerzen und Frustrationen nicht, aber sie stellen ihnen von den ersten Seiten an den größten Gewinn gegenüber, den das Fahrradfahren zu bieten hat - einen Gewinn, der in unserer heutigen Welt immer höher geschätzt und immer weniger genutzt wird: Freiheit. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Ondrej Buddeus, Jindrich Janícek: "Fahr Rad".
Aus dem Tschechischen von Lena Dorn. Verlag Karl Rauch, Düsseldorf 2024. 120 S., geb., 25,- Euro. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.