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Ziel der Arbeit war es, das Phänomen der gescheiterten Staaten, der so genannten Failed States einer völkerrechtlichen Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Ausgehend von dem völkerrechtlichen Staatsbegriff, mussten hierzu im ersten Teil der Arbeit zunächst die Definitionsmerkmale sowie die Rechtspersönlichkeit des gescheiterten Staates untersucht werden, bevor in einem zweiten Teil die Rechtsfolgenseite sowie potentielle Reaktionsmöglichkeiten im Umgang mit Failed States erörtert werden konnten.
Als Parameter für eine völkerrechtliche Definition ließ sich über die Abwesenheit einer effektiven
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Produktbeschreibung
Ziel der Arbeit war es, das Phänomen der gescheiterten Staaten, der so genannten Failed States einer völkerrechtlichen Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Ausgehend von dem völkerrechtlichen Staatsbegriff, mussten hierzu im ersten Teil der Arbeit zunächst die Definitionsmerkmale sowie die Rechtspersönlichkeit des gescheiterten Staates untersucht werden, bevor in einem zweiten Teil die Rechtsfolgenseite sowie potentielle Reaktionsmöglichkeiten im Umgang mit Failed States erörtert werden konnten.

Als Parameter für eine völkerrechtliche Definition ließ sich über die Abwesenheit einer effektiven Staatsgewalt hinaus auch die Paralyse der Ausübung des inneren Selbstbestimmungsrechtes identifizieren. Erst wenn beide Merkmale kumulativ vorliegen, ist zu erwarten, dass ein Staat dauerhaft zur eigenständigen Reorganisation sowie zur Erfüllung seiner internationalen Verpflichtungen außerstande sein wird. Insbesondere Menschenrechtsschutzverträge entfalten unter diesen Umständen keinerlei Schutzwirkung, zumal sich Tendenzen einer Ausdehnung der menschenrechtlichen Verpflichtungen auf nichtstaatliche Akteure, wie sie im Failed State allein aktiv sind, gegenwärtig allenfalls de lege ferenda abzeichnen. Auch im Bereich des humanitären Völkerrechts findet allein der in dem gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Konventionen enthaltene absolute humanitäre Minimumstandard Anwendung, wohingegen trotz erkennbaren failed state-spezifischen Implikationen die detaillierteren Vorschriften des Zweiten Zusatzprotokolls keine Schutzwirkung entfalten. Schließlich ließ sich auch eine Staatenverantwortlichkeit, entgegen verschiedenen, vor allem auf Artikel 9 des ILC Entwurfes basierenden Ansätzen in der Literatur, nicht begründen.

Im Lichte der Prinzipienkollision von Effektivitäts- und Kontinuitätsprinzip ließ sich die fortbestehende Rechtssubjektivität gescheiterter Staaten auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes als materiellem Kontinuitätskriterium herleiten. Ausgehend von der so begründeten souveränen Staatlichkeit auch gescheiterter Staaten, war allen Versuchen einer failed state-spezifischen Ausweitung der unilateralen Interventionsmöglichkeiten eine Absage zu erteilen. Die Untersuchung hat jedoch ergeben, dass auf Grundlage der definitorischen Charakteristika des Failed State die Einstufung des Phänomens als relevante Friedensbedrohung im Sinne von Artikel 39 der Charta im zulässigen Ermessenspielraum des Sicherheitsrates liegt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2005

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VÖLKERRECHT. Der Begriff des je nach Zerfallsgrad failed oder failing state ist zu einem Modewort der Völkerrechtswissenschaft geworden. Über die sich an dieses eher vage Phänomen knüpfenden Rechtsfolgen besteht dagegen keine Klarheit. Es ist daher verdienstvoll, daß sich Robin Geiß der normativen Erfassung gescheiterter Staaten widmet. Für ihn sind "der Wegfall der Staatsgewalt, indiziert durch die Auflösung des Gewaltmonopols in Kumulation mit einer Paralyse des inneren Selbstbestimmungsrechts durch das Staatsvolk . . . die aus völkerrechtlicher Sicht definitorischen Charakteristika des Failed State". Gelten für ihn Sonderregeln? Der failed state bleibt ungeachtet seiner defektiven Staatlichkeit souverän und steht weiterhin uneingeschränkt unter dem Schutz des Gewaltverbots. Trotz nachträglich eingetretener subjektiver Unmöglichkeit der Vertragserfüllung wird der failed state auch nicht von zuvor eingegangenen vertraglichen oder gewohnheitsrechtlichen Verbindlichkeiten frei. Die pragmatische Zwischenlösung besteht hier in einer vorläufigen Suspension der Vertragspflichten mit Ausnahme menschenrechtlicher Verpflichtungen. Eine Staatenverantwortlichkeit läßt sich für den failed state nicht begründen; die Menschenrechte gelten zwar fort, sind aber in Abwesenheit einer effektiven Staatsgewalt nicht durchsetzbar, und das humanitäre Völkerrecht findet nur eine eng begrenzte Anwendung. Wächst sich die anarchische Situation im failed state allerdings zu einer Bedrohung des Weltfriedens aus, so kann die internationale Gemeinschaft mit UN-Mandat unter Umständen auch gewaltsam humanitär intervenieren. Das Ergebnis der Untersuchung - die "Abwesenheit einer normativen Berücksichtigung defektiver Staatsgewalt und internationaler Handlungsfähigkeit in der Völkerrechtsordnung der Gegenwart" - kann nicht wirklich überraschen: Totgesagte leben bekanntlich länger, und das Völkerrecht läßt seine wichtigsten Rechtssubjekte auch bei partieller oder vollständiger Handlungsunfähigkeit infolge Zusammenbruchs der Staatsgewalt nicht einfach untergehen. Zu stark ist das Kontinuitätsinteresse der strukturkonservativen Staatengemeinschaft. Zudem rechtfertigt das auf Wiederherstellung effektiver Staatlichkeit gerichtete Selbstbestimmungsrecht des fortbestehenden Staatsvolkes die Aufrechterhaltung des rechtlichen Status quo; so kann es sich zu gegebener Zeit mit oder ohne äußere Hilfestellung nochmals realisieren. (Robin Geiß: "Failed States". Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005. 345 Seiten, 82,- [Euro].)

CHRISTIAN HILLGRUBER

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