This book is about the intrusive fear that we may not be what we appear to be, or worse, that we may be only what we appear to be and nothing more. It is concerned with the worry of being exposed as frauds in our profession, cads in our love lives, as less than virtuously motivated actors when we are being agreeable, charitable, or decent. Why do we so often mistrust the motives of our own deeds, thinking them fake, though the beneficiary of them gives us full credit? Much of this book deals with that self-tormenting self-consciousness. It is about roles and identity, discussing our engagement in the roles we play, our doubts about our identities amidst this flux of roles, and thus about anxieties of authenticity.
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'... every page of this book shows an interesting, innovative, and extremely original mind at work.' The Times Literary Supplement
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2004Lüg mich in den Himmel
Aber lass dir bitte was einfallen, Schatz: William Ian Miller lehrt die Kunst des Fake
Keine Ahnung, was er als nächstes erzählen soll. Er ist nicht ordentlich vorbereitet. Tapfer redet er weiter, mit der Stimme, die sein Vater immer zu bekommen pflegte, wenn er besonders streng zu sein versuchte. Aus seinem Munde klingt die Stimme wie ein Fremdkörper, aber sie kommt trotzdem heraus. Unerbeten, ungefragt. Ja, merken die Studenten nicht, wie planlos er ist? Wenn jetzt einer nachhakt, ist er geliefert. Tut aber keiner. Performance geglückt. Und keiner hat was gemerkt. So wie gestern, als er fast eine halbe Stunde lang unter Vorspiegelung regen Interesses den langweiligen Geschichtchen der Nachbarin über ihre Enkelkinder gelauscht hat. Oder zu Weihnachten, der aufgesetzte Überschwang beim einwöchigen Besuch der Schwiegermutter. Die Nachbarin hielt ihn für ehrlich interessiert, Oma dachte, alle freuen sich wahnsinnig, die Studenten hielten ihren Professor für den Größten.
Tatsächlich, so der amerikanische Juraprofessor William Ian Miller, sei es seltsamerweise so, dass gerade dann, wenn er in besonderem Maße nicht wisse, was er gerade erzähle, die Studenten am Ende besonders zufrieden mit der Vorlesung seien: „You never hear complaints after a day of bluffing.” Hauptsache, die Performance stimmt? Es scheint fast so. Der erfolgreiche Mensch als Scharlatan und Meister der Verstellung, die Angst, dabei ertappt zu werden und die ständig quälende Frage: Ist der andere wirklich, was er zu sein vorgibt? Oder, schlimmer, ist er am Ende nur das? Der Antrieb zum Fake, so Miller, ist der tief in der unauslöschlichen Eitelkeit eines jeden Menschen wurzelnde Wunsch, gemocht und bewundert zu werden. Der aber, darauf legt Miller Wert, auch und gerade zu beachtenswerten Leistungen anspornt, die ohne den Wunsch zu Gefallen niemals zustande gekommen wären.
Religiöse Rituale, Liebeswerben, Schauspiel und Botox – Miller deckt das weite Feld der Schwindelei nahezu lückenlos ab. Enttarnende Einsichten in die Funktionsmechanismen der menschlichen Gesellschaft in Form einer umfassenden Analyse des Bluffs als Sozialstrategie, gleichermaßen Provokation wie Geständnis. Dabei sind es die ungewöhnlichen Querverbindungen, die charmante Art, wie er von Dingen spricht, die jeder kennt, aber lieber vergessen würde, die Art, wie er Shakespeare, Jane Austen, Swift, Hobbes und die Bibel in einen Spiegel verwandelt, die Millers Ausführungen so lesenswert machen. Er fungiert als Historiker, Philosoph, Komödiant und Literaturkritiker. Inwieweit er da nur blufft – egal. Es gefällt. Im Gegensatz zur nackten Wahrheit.
Süßer Größenwahn
Die Wahrheit darf nicht zu viel Haut zeigen, sondern muss zumindest notdürftig verpackt daherkommen. Ein Mann, der sich um eine attraktive Frau bemüht, wird ihr möglichst in die Augen schauen, sich für ihre Hobbys interessieren, dafür, welche Musik und welche Filme sie mag, obwohl er vermutlich in Wirklichkeit nichts anderes will als sie möglichst schnell aus ihrem entgegenkommend dekolletierten Kleid zippen. Das sie warum trägt? Weil es die Farbe ihrer Augen betont, die ihn offenbar so faszinieren? Vielleicht auch das. Eher aber, um ihre anderen optischen Vorzüge gebührend in Szene zu setzen. Und wenn es sich dabei auch lediglich um eine Investition in Silikon handelt – sei’s drum. Unterscheidet diese sich, so provoziert Miller, bei genauer Betrachtung nicht nur sehr oberflächlich von einem gelungenen Make-up? Beides täuscht etwas vor, was vorher so nicht da war – seien es nun große Augen oder andere Größen. Was also ist zu sagen gegen Implantat statt Wonderbra? Man zieht sich schließlich nicht für die Ehrlichkeit aus, sondern für die Ästhetik. Könnte man sagen. Tut man aber nicht – die chirurgische Nachhilfe wird als Betrug am Auge aufgefasst, Schminke und Push-Up hingegen als normales Verpackungsmaterial. Aber weiter: Wenn der männliche Part sein weitergehendes Interesse nur vorspiegelt – mit wem wird sich die Dame dann – im Erfolgsfall – einlassen? Ist das nicht vielleicht ein ganz anderer? Na wenn schon: Wer ließe sich nicht am liebsten mit sich selbst betrügen?
Damit hat es sich aber auch schon mit dem Geschlechtlichen. Wer nach dem leicht missverständlichen Buchtitel anderes erwartet, wird enttäuscht. Ob ein Mann mit Hilfe von Viagra auf gleicher Ebene täuscht wie eine Frau, die einen Orgasmus vorspielt – das ist neben der kurzen Thematisierung von gängigem männlichem Aufriss-Verhalten und Silikonbrüsten der Gipfel der von Miller dargebotenen Schlüpfrigkeit. Der Grund, warum Miller selbst sein Buch als eine „Anti-Wallfahrt” bezeichnet, ist ein anderer: Keine endgültige Klarheit verheißende Pilgerstätte, keine Antwort wartet am Ende. So wenig wie moralische Belehrungen. Miller schlägt eine Bresche wider die Leser-Vereinnahmung. Ein Autor der die Wahl lässt – und das nicht nur vorgetäuscht.
ANNETTE MENTRUP
WILLIAM IAN MILLER: Faking It. Cambridge University Press, Cambridge und New York 2003. 352 Seiten, 29 Dollar.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Aber lass dir bitte was einfallen, Schatz: William Ian Miller lehrt die Kunst des Fake
Keine Ahnung, was er als nächstes erzählen soll. Er ist nicht ordentlich vorbereitet. Tapfer redet er weiter, mit der Stimme, die sein Vater immer zu bekommen pflegte, wenn er besonders streng zu sein versuchte. Aus seinem Munde klingt die Stimme wie ein Fremdkörper, aber sie kommt trotzdem heraus. Unerbeten, ungefragt. Ja, merken die Studenten nicht, wie planlos er ist? Wenn jetzt einer nachhakt, ist er geliefert. Tut aber keiner. Performance geglückt. Und keiner hat was gemerkt. So wie gestern, als er fast eine halbe Stunde lang unter Vorspiegelung regen Interesses den langweiligen Geschichtchen der Nachbarin über ihre Enkelkinder gelauscht hat. Oder zu Weihnachten, der aufgesetzte Überschwang beim einwöchigen Besuch der Schwiegermutter. Die Nachbarin hielt ihn für ehrlich interessiert, Oma dachte, alle freuen sich wahnsinnig, die Studenten hielten ihren Professor für den Größten.
Tatsächlich, so der amerikanische Juraprofessor William Ian Miller, sei es seltsamerweise so, dass gerade dann, wenn er in besonderem Maße nicht wisse, was er gerade erzähle, die Studenten am Ende besonders zufrieden mit der Vorlesung seien: „You never hear complaints after a day of bluffing.” Hauptsache, die Performance stimmt? Es scheint fast so. Der erfolgreiche Mensch als Scharlatan und Meister der Verstellung, die Angst, dabei ertappt zu werden und die ständig quälende Frage: Ist der andere wirklich, was er zu sein vorgibt? Oder, schlimmer, ist er am Ende nur das? Der Antrieb zum Fake, so Miller, ist der tief in der unauslöschlichen Eitelkeit eines jeden Menschen wurzelnde Wunsch, gemocht und bewundert zu werden. Der aber, darauf legt Miller Wert, auch und gerade zu beachtenswerten Leistungen anspornt, die ohne den Wunsch zu Gefallen niemals zustande gekommen wären.
Religiöse Rituale, Liebeswerben, Schauspiel und Botox – Miller deckt das weite Feld der Schwindelei nahezu lückenlos ab. Enttarnende Einsichten in die Funktionsmechanismen der menschlichen Gesellschaft in Form einer umfassenden Analyse des Bluffs als Sozialstrategie, gleichermaßen Provokation wie Geständnis. Dabei sind es die ungewöhnlichen Querverbindungen, die charmante Art, wie er von Dingen spricht, die jeder kennt, aber lieber vergessen würde, die Art, wie er Shakespeare, Jane Austen, Swift, Hobbes und die Bibel in einen Spiegel verwandelt, die Millers Ausführungen so lesenswert machen. Er fungiert als Historiker, Philosoph, Komödiant und Literaturkritiker. Inwieweit er da nur blufft – egal. Es gefällt. Im Gegensatz zur nackten Wahrheit.
Süßer Größenwahn
Die Wahrheit darf nicht zu viel Haut zeigen, sondern muss zumindest notdürftig verpackt daherkommen. Ein Mann, der sich um eine attraktive Frau bemüht, wird ihr möglichst in die Augen schauen, sich für ihre Hobbys interessieren, dafür, welche Musik und welche Filme sie mag, obwohl er vermutlich in Wirklichkeit nichts anderes will als sie möglichst schnell aus ihrem entgegenkommend dekolletierten Kleid zippen. Das sie warum trägt? Weil es die Farbe ihrer Augen betont, die ihn offenbar so faszinieren? Vielleicht auch das. Eher aber, um ihre anderen optischen Vorzüge gebührend in Szene zu setzen. Und wenn es sich dabei auch lediglich um eine Investition in Silikon handelt – sei’s drum. Unterscheidet diese sich, so provoziert Miller, bei genauer Betrachtung nicht nur sehr oberflächlich von einem gelungenen Make-up? Beides täuscht etwas vor, was vorher so nicht da war – seien es nun große Augen oder andere Größen. Was also ist zu sagen gegen Implantat statt Wonderbra? Man zieht sich schließlich nicht für die Ehrlichkeit aus, sondern für die Ästhetik. Könnte man sagen. Tut man aber nicht – die chirurgische Nachhilfe wird als Betrug am Auge aufgefasst, Schminke und Push-Up hingegen als normales Verpackungsmaterial. Aber weiter: Wenn der männliche Part sein weitergehendes Interesse nur vorspiegelt – mit wem wird sich die Dame dann – im Erfolgsfall – einlassen? Ist das nicht vielleicht ein ganz anderer? Na wenn schon: Wer ließe sich nicht am liebsten mit sich selbst betrügen?
Damit hat es sich aber auch schon mit dem Geschlechtlichen. Wer nach dem leicht missverständlichen Buchtitel anderes erwartet, wird enttäuscht. Ob ein Mann mit Hilfe von Viagra auf gleicher Ebene täuscht wie eine Frau, die einen Orgasmus vorspielt – das ist neben der kurzen Thematisierung von gängigem männlichem Aufriss-Verhalten und Silikonbrüsten der Gipfel der von Miller dargebotenen Schlüpfrigkeit. Der Grund, warum Miller selbst sein Buch als eine „Anti-Wallfahrt” bezeichnet, ist ein anderer: Keine endgültige Klarheit verheißende Pilgerstätte, keine Antwort wartet am Ende. So wenig wie moralische Belehrungen. Miller schlägt eine Bresche wider die Leser-Vereinnahmung. Ein Autor der die Wahl lässt – und das nicht nur vorgetäuscht.
ANNETTE MENTRUP
WILLIAM IAN MILLER: Faking It. Cambridge University Press, Cambridge und New York 2003. 352 Seiten, 29 Dollar.
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