Das Know-how für eine neue umweltschonende Wachstumspolitik ist vorhanden. Wir können heute Solarhäuser bauen, deren Energiekosten fast bei Null liegen, oder Supersparautos, die nicht nur sparsam und sicher, sondern auch komfortabel sind. Der Umweltschutz, von der Wirtschaft immer als Kostenfaktor gefürchtet, ist längst dabei, zum Nutzenfaktor zu werden. Die Autoren machen sich für eine Effizienzrevolution stark, die dazu führen soll, daß wir die Naturgüter mindestens viermal besser nutzen als bisher. Das ist allerdings nur mit Unterstützung der Politik möglich, die endlich aufhören muß, Vergeudung zu subventionieren, und sich zu einer ökologischen Steuerreform entschließen sollte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.1995Hemmungslos sparsam
Effizienz statt Wachstum / Von Gerold Lingnau
Effizienzrevolution statt weiteren Wirtschaftswachstums - das ist die Alternative, die dieses Buch stellt. Seine Autoren sind überzeugt davon, daß die Konzentration auf mehr Effizienz im Umgang mit Energie und sonstigen Ressourcen nicht nur der ökologisch bessere Weg ist, sondern auch aus ökonomischen Gründen Vorrang verdient. Ernst Ulrich von Weizsäcker vom Wuppertal Institut im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen hat dazu zwei Mitautoren aus den Vereinigten Staaten gewonnen, die eine ganze Ideenwelt mitgebracht haben: Amory B. Lovins und seine Frau L. Hunter Lovins, äußerst publizitätsbewußte Querdenker, deren Rocky Mountain Institute bei Aspen (Colorado) sich als Think Tank und Experimentierstätte gleichermaßen versteht.
Konzipiert wurde das Buch als Bericht an den Club of Rome, jenen Zusammenschluß von Meinungsführern, die sich persönlich für das weitere Wohlergehen dieser Erde verantwortlich fühlen. Mit seinem Statement "Grenzen des Wachstums" hatte der Club 1972 auf der ganzen Welt Aufsehen erregt, aber mit seinen Prognosen auch arg schief gelegen. "Faktor vier" hat den Vorzug, realitätsnäher zu sein - und zugleich mehr Hoffnung zu vermitteln.
Lovins' These lautet, daß in relativ kurzer Zeit mit halbiertem Natur-Verbrauch ein verdoppelter Wohlstand geschaffen werden könne: und das allein durch Effizienzsteigerungen, die sich sozusagen selbst bezahlen und daher auch wirtschaftlich interessant sind, wenn man sich nur vom herkömmlichen Wachstumsdenken lösen könnte. Fünfzig Beispiele für vervierfachte Energie-, Stoff- und Transportproduktivität sollen zeigen, wo es langgehen kann. Sie bieten zumindest dem Laien manche Überraschung, aber auch bald die ernüchternde Einsicht, daß mit leichter Hand gewonnene Effizienzsteigerungen zugleich ein Indiz für die vorhergehende ungehemmte Verschwendung sein müssen.
Bestätigt wird auch die Erkenntnis, daß das Energiesparen bei stationären Objekten einfacher ist als etwa im Straßenverkehr, wo es immer im Widerstreit mit anderen wichtigen Zielen liegt, etwa der Sicherheit des Fahrzeugs. Hier gibt sich Lovins mit seiner Idee vom ultraleichten "Hyperauto" denn auch um eine Größenordnung revolutionärer als bei seinen Vorschlägen etwa zur optimalen Gebäude-Klimatisierung (Isolierung, Nutzung der Sonnenenergie, Kraft-Wärme-Kopplung) und für weniger gefräßige Haushalts- und Bürogeräte. Der Rechnung, daß ein Elektrizitätsversorger das Geld für ein neues Kraftwerk lieber den Stromverbrauchern für Effizienzverbesserungen zur Verfügung stellen und damit die ganze Investition überflüssig machen könnte, ist wenig entgegenzuhalten: Wenn sie aufgeht, ist sie die attraktivste aller Möglichkeiten.
Daß man nicht nach den ersten, einfachsten Runden der Effizienzrevolution stehenbleiben darf, wird in "Faktor vier" nicht verschwiegen. Sie müsse unterstützt werden von einem reformierten Steuersystem, das an anderen Punkten ansetzt als an Arbeit, Wertschöpfung und Kapitaleinsatz. Die Preise sollen die ökologische Wahrheit sagen, und daher müsse die Besteuerung von Energie, Primärrohstoffen und Verkehr nach einem langfristigen Plan kontinuierlich in kleinen Schritten verschärft werden - so, daß sich Industrie, Handel und Verbraucher mit genügend Reaktionszeit darauf vorbereiten können. Lovins und Weizsäcker wissen natürlich, daß eine solche Politik eigentlich nur im internationalen Konsens möglich ist, und da verlieren sich ihre Gedankenwege wieder ein wenig in Richtung Utopie. Aber mit den wirksamen ersten Schritten der Effizienzrevolution, die ja auch am meisten bringen, sollte in keinem Land (nicht zuletzt in der Dritten Welt) mehr länger gewartet werden.
Dieser Forderung schließt man sich beim Lesen des Buches um so lieber an, als es ohne die vielleicht zu befürchtende ideologische Grundfärbung geschrieben wurde. Die Autoren zeigen sich weder als Gegner der Marktwirtschaft noch als Industriefresser oder grüne Träumer; nur an ganz wenigen Stellen schimmert Lovins' Haß auf die Republikaner in Washington durch. Der nicht anklägerische, sondern nüchterne und kooperative Ton des Buchs empfiehlt es als Lektüre für alle, die es mit in der Hand haben, seine Thesen und Vorschläge in die Wirklichkeit umzusetzen. Man möchte den Wunsch hinzufügen: bitte bald.
Ernst Ulrich von Weizsäcker / Amory B. Lovins / L. Hunter Lovins: "Faktor vier". Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch. Der neue Bericht an den Club of Rome. Droemer Knaur Verlag, München 1995. 352 S., 60 Abb., geb., 45,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Effizienz statt Wachstum / Von Gerold Lingnau
Effizienzrevolution statt weiteren Wirtschaftswachstums - das ist die Alternative, die dieses Buch stellt. Seine Autoren sind überzeugt davon, daß die Konzentration auf mehr Effizienz im Umgang mit Energie und sonstigen Ressourcen nicht nur der ökologisch bessere Weg ist, sondern auch aus ökonomischen Gründen Vorrang verdient. Ernst Ulrich von Weizsäcker vom Wuppertal Institut im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen hat dazu zwei Mitautoren aus den Vereinigten Staaten gewonnen, die eine ganze Ideenwelt mitgebracht haben: Amory B. Lovins und seine Frau L. Hunter Lovins, äußerst publizitätsbewußte Querdenker, deren Rocky Mountain Institute bei Aspen (Colorado) sich als Think Tank und Experimentierstätte gleichermaßen versteht.
Konzipiert wurde das Buch als Bericht an den Club of Rome, jenen Zusammenschluß von Meinungsführern, die sich persönlich für das weitere Wohlergehen dieser Erde verantwortlich fühlen. Mit seinem Statement "Grenzen des Wachstums" hatte der Club 1972 auf der ganzen Welt Aufsehen erregt, aber mit seinen Prognosen auch arg schief gelegen. "Faktor vier" hat den Vorzug, realitätsnäher zu sein - und zugleich mehr Hoffnung zu vermitteln.
Lovins' These lautet, daß in relativ kurzer Zeit mit halbiertem Natur-Verbrauch ein verdoppelter Wohlstand geschaffen werden könne: und das allein durch Effizienzsteigerungen, die sich sozusagen selbst bezahlen und daher auch wirtschaftlich interessant sind, wenn man sich nur vom herkömmlichen Wachstumsdenken lösen könnte. Fünfzig Beispiele für vervierfachte Energie-, Stoff- und Transportproduktivität sollen zeigen, wo es langgehen kann. Sie bieten zumindest dem Laien manche Überraschung, aber auch bald die ernüchternde Einsicht, daß mit leichter Hand gewonnene Effizienzsteigerungen zugleich ein Indiz für die vorhergehende ungehemmte Verschwendung sein müssen.
Bestätigt wird auch die Erkenntnis, daß das Energiesparen bei stationären Objekten einfacher ist als etwa im Straßenverkehr, wo es immer im Widerstreit mit anderen wichtigen Zielen liegt, etwa der Sicherheit des Fahrzeugs. Hier gibt sich Lovins mit seiner Idee vom ultraleichten "Hyperauto" denn auch um eine Größenordnung revolutionärer als bei seinen Vorschlägen etwa zur optimalen Gebäude-Klimatisierung (Isolierung, Nutzung der Sonnenenergie, Kraft-Wärme-Kopplung) und für weniger gefräßige Haushalts- und Bürogeräte. Der Rechnung, daß ein Elektrizitätsversorger das Geld für ein neues Kraftwerk lieber den Stromverbrauchern für Effizienzverbesserungen zur Verfügung stellen und damit die ganze Investition überflüssig machen könnte, ist wenig entgegenzuhalten: Wenn sie aufgeht, ist sie die attraktivste aller Möglichkeiten.
Daß man nicht nach den ersten, einfachsten Runden der Effizienzrevolution stehenbleiben darf, wird in "Faktor vier" nicht verschwiegen. Sie müsse unterstützt werden von einem reformierten Steuersystem, das an anderen Punkten ansetzt als an Arbeit, Wertschöpfung und Kapitaleinsatz. Die Preise sollen die ökologische Wahrheit sagen, und daher müsse die Besteuerung von Energie, Primärrohstoffen und Verkehr nach einem langfristigen Plan kontinuierlich in kleinen Schritten verschärft werden - so, daß sich Industrie, Handel und Verbraucher mit genügend Reaktionszeit darauf vorbereiten können. Lovins und Weizsäcker wissen natürlich, daß eine solche Politik eigentlich nur im internationalen Konsens möglich ist, und da verlieren sich ihre Gedankenwege wieder ein wenig in Richtung Utopie. Aber mit den wirksamen ersten Schritten der Effizienzrevolution, die ja auch am meisten bringen, sollte in keinem Land (nicht zuletzt in der Dritten Welt) mehr länger gewartet werden.
Dieser Forderung schließt man sich beim Lesen des Buches um so lieber an, als es ohne die vielleicht zu befürchtende ideologische Grundfärbung geschrieben wurde. Die Autoren zeigen sich weder als Gegner der Marktwirtschaft noch als Industriefresser oder grüne Träumer; nur an ganz wenigen Stellen schimmert Lovins' Haß auf die Republikaner in Washington durch. Der nicht anklägerische, sondern nüchterne und kooperative Ton des Buchs empfiehlt es als Lektüre für alle, die es mit in der Hand haben, seine Thesen und Vorschläge in die Wirklichkeit umzusetzen. Man möchte den Wunsch hinzufügen: bitte bald.
Ernst Ulrich von Weizsäcker / Amory B. Lovins / L. Hunter Lovins: "Faktor vier". Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch. Der neue Bericht an den Club of Rome. Droemer Knaur Verlag, München 1995. 352 S., 60 Abb., geb., 45,- DM.
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