Horst Bork lernte Hans Hölzel alias Falco kennen, als der junge, nur im Wiener Untergrund bekannte Künstler dem A&R-Manager seine Aufnahmen vorspielte. Bork nahm Falco unter Vertrag und erlebte aus nächster Nähe dessen sensationellen Aufstieg in Europa, Japan und Amerika mit. Er lernte ihn als genialischen Künstler kennen, der nach Erfolg strebte, aber sah auch, wie Falco unter den hohen Erwartungen litt, die Fans, Presse und Plattenfirma an ihn stellten, und wie er den Druck von Anfang an mit den verschiedensten Drogen bekämpfte.
Anschaulich und aus nächster Nähe beschreibt Horst Bork Höhen und Tiefen der fast 20-jährigen Karriere des Österreichers, der die Menschen polarisierte, immer für einen Skandal gut war und dennoch geheimnisvoll blieb. Er schildert Falcos Affären, seine Drogenexzesse, sein Verhältnis zum Geld und legt die Wahrheit über seinen geheimnisumwobenen Tod offen.
Anschaulich und aus nächster Nähe beschreibt Horst Bork Höhen und Tiefen der fast 20-jährigen Karriere des Österreichers, der die Menschen polarisierte, immer für einen Skandal gut war und dennoch geheimnisvoll blieb. Er schildert Falcos Affären, seine Drogenexzesse, sein Verhältnis zum Geld und legt die Wahrheit über seinen geheimnisumwobenen Tod offen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.11.2009Vollbetrieb auf allen Sternen
"Jeanny III" und anderer Quatsch: Falcos Ruhm ist in Gefahr. Doch seine Texte bleiben
Gut, der Ruhm könnte ja auch einfach so ausplätschern, elf Jahre nach dem Tod von Johann Hölzel, der sich nach dem ostdeutschen Skiflieger Falko Weißpflog Falco nannte. Aber jetzt geht gerade einmal wieder eine Woche zu Ende, in der mit aller Macht die letzten Ruhmesreste mit Windmaschinen aus den Köpfen der Leute gepustet werden sollten. Und an die Stelle des früheren Ruhmes tritt Schmutz, läppischer Singsang und Besserwisserei.
Es war die Woche, in der ein Lied veröffentlicht wurde, das sie "Jeanny III" nennen. Man spricht in solchen Zusammenhängen gern von "aufgetaucht". Das Lied ist also "aufgetaucht", es gibt verschiedene Versionen, wo es untergetaucht war, das Lied in all den Jahren, es ist aber völlig unerheblich, welche stimmt, denn dieser sogenannte dritte Teil des sagenhaften Erfolgsliedes "Jeanny" ist so ein dürrer, flacher Säuselsong, dass es eigentlich nur Scham gewesen sein kann, die dieses Lied all die Jahre in der Dunkelheit verharren ließ. (Und das ist schon die positive Version, die wahrscheinlichere ist die, dass unmusikalische Geldliebhaber aus irgendwelchen Schnipseln kurz vor Weihnachten da so ein Lalala zusammengesampelt haben.)
Das wird Falcos Nachruhm auch nicht schmälern? Na, vielleicht. Doch zu diesem Lied kam in dieser Woche im Rahmen eines großen Marketingplans auch ein Buch heraus, das sich "Falco - Die Wahrheit. Wie es wirklich war - sein Manager erzählt" nennt. Nun weiß natürlich jedes Kind, dass Bücher, die "die Wahrheit" heißen, grundsätzlich das Gegenteil beinhalten. Aber dieses Buch ist schon ein ganz besonderer Mist. Die bedeutendsten Details seines Werkes hat der Autor Horst Bork in Videoclips auf bild.de und anderswo herausposaunt. Er sitzt da in einem plüschig-dunklen Schummerzimmer und erklärt, warum Falco in welcher Nacht "nicht zeugungsfähig" gewesen sei und andere Schmierigkeiten. Im Buch lüftet er unentwegt längst bekannte Drogengeheimnisse des toten Sängers und stellt auf jeder zweiten Seite seine eigenen Verdienste so groß heraus, dass es sich so liest, als wäre die wahre Wahrheit, die dieser Herr Bork in seinem Buch verkünden wollte, die, dass nämlich er selbst in Wahrheit jener Falco ist, den die Leute dämlicherweise für tot halten.
Alles falsch, Falco lebt, und er heißt Hans Bork, kann zwar nicht singen, sieht nicht gut aus, ist aber sonst eine dicke Nummer. Und so bescheiden: "Heute ist es an der Zeit zu bekennen - und da oute ich mich an dieser Stelle gern -, dass einige Falco-Texte komplett von mir geschrieben wurden", schreibt er und fügt hinzu: "Wir hatten hier ganz unkompliziert einen kleinen Deal gestrickt, nach dem Falco nach außen als der große Schöpfer galt, wir aber intern das Ganze verrechnet haben." Ja, und bevor jetzt ein zweifelsüchtiger Feuilletonhansel daherkommt und ihm, Bork, sein Falco-Sein nicht glaubt, fügt er hinzu: "Zum Glück hatten wir aber damals darüber ein kleines Schriftstück unterzeichnet."
Das ist nun wirklich großes Glück, weil man diesem Mann, der mit deutscher Grammatik wirklich nicht befreundet ist, in der Tat keinen Falco-Songtext zutraut. Und mit diesen Texten hat es auch zu tun, dass die vergangene Woche nicht nur eine Falco-Untergangswoche gewesen ist, sondern auch eine Feierwoche. Denn im Residenz-Verlag ist ein Buch erschienen, auf dem Cover die schwarze Falco-Brille auf schwarzem Grund, mit dem Titel "Falco: Lyrics complete". Hier kann man endlich einmal den Sprachkünstler, Wortzusammensetzer, Klangmeister - den Dichter Falco mit seinem ganzen Werk lesen. (Die Lieder, die Bork für sich reklamiert, hat man gar nicht aufgenommen. Das macht aber nichts. Sie zählen ohnehin zu Falcos schwächsten.) Natürlich hat man immer die Melodien mit im Ohr, man kann Liedtexte ja nicht wirklich als Gedichte lesen. Bei Gedichten hat man sonst immer die Möglichkeit, einen eigenen Klang hineinzulesen, eine eigene Sprachmelodie, die der Intention des Dichters zuwiderlaufen kann. Bei Liedtexten kommt man aus der vorgegebenen Melodiefalle nicht heraus.
Trotzdem ist dieses Buch ein Gewinn. Erstens kann man mal schön in Ruhe vor sich hin singen, inklusive der schwierigen Textzeilen, die man noch nie so genau verstanden hatte. Das fing ja schon mit den Frühestzeilen "wenn er di onspricht und du waaßt warum / sog eam dein lebm bringt di um" an. "Dein Leben bringt dich um" - was fünfundzwanzig Jahre lang ein Rätsel war, erweist sich plötzlich als philosophischer Grundsatz. So trifft man also auf viele Überraschungen und muss sich von jahrzehntealten Missverständnissen verabschieden. Vor allem aber kann man Texte von einem Mann mit einem großartigen Sprach- und Rhythmusgefühl lesen, Texte, die so frei zwischen Wienerisch, Hochdeutsch, Englisch und anderen Sprachschnipseln in mitunter derselben Zeile herumspringen und dabei fast immer einen organischen Text ergeben, der aus dem Klang lebt, dem Klang einzelner Wörter. Wienerisch ist im Grunde alles, wienerisch ist auch sein Englisch, sein Französisch. Nicht weil der Sänger es später mit seiner Wiener Sprachmelodie unterlegte: "der schlange kur / ist nur l'amour / for sure / der schlange kur / toufours / anacondamour."
Immer zwischen Dada, Kinderlied, Kitsch und Großartigkeit. "zet be: / gretchen grün war im aufriß immer kühn." Und "er geht auf der stroßn / sogt net wohin / des hirn voi heavy metal / und seine leber ist hin". Oder wie es im ersten, im wahren Jeanny-Song hieß: "wer hat verloren? / du dich? / ich mich? / oder / oder wir uns?" So kann man sich hindurchsingen, durch das Buch: "am tag danach ist vollbetrieb auf allen sternen." Aber den Rhythmus, diesen sagenhaften Stakkato-Rhythmus aus Amadeus, den hat er natürlich nur dieses eine Mal erreicht: "er war superstar / er war so populär / er war zu exaltiert / genau das war sein flair / er war ein virtuose / war ein rockidol / und alles ruft noch heute: / ,come and rock me, amadeus'".
In dem Band wird auch von dem großen Respekt berichtet, den Falco vor den Dichtern der Wiener Gruppe, vor Gerhard Rühm, H. C. Artmann und vor Ernst Jandl hatte, und davon, wie er zwei Monate vor einem geplanten Auftritt mit den Dichtern panische Fluchtphantasien hatte. Aber auch von seinem Dichterselbstbewusstsein: "Es wa aigentlich an da zait, daß maine lyrics amoi ois buch erschainen. Scheiße, da Mccartney is ma zuvoakommen!", hat er dem Herausgeber des Buches Christian Ide Hintze, dem Leiter der "Schule für Dichtung" in Wien, einmal gesagt.
Und, kurz vor dem Ende seines Lebens, einen Traum: Eine Hazienda am Strand der Dominikanischen Republik, ein Restaurant, ein Café, eine Schreibschule sollen darin untergebracht werden: "Oben bin i, und ich lebe als Schriftsteller. Untn gehn die Students aus und ein und arbeitn. I kumm runta, erklär ihnen a bissl wos, geh dann wieda rauf und schau in die luft."
VOLKER WEIDERMANN
Falco: "Lyrics complete". Hrsg. von Christian Ide Hintze, Residenz-Verlag, 238 Seiten, 19,90 Euro
Horst Bork: "Falco - Die Wahrheit". Schwarzkopf & Schwarzkopf, 350 Seiten, 19,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Jeanny III" und anderer Quatsch: Falcos Ruhm ist in Gefahr. Doch seine Texte bleiben
Gut, der Ruhm könnte ja auch einfach so ausplätschern, elf Jahre nach dem Tod von Johann Hölzel, der sich nach dem ostdeutschen Skiflieger Falko Weißpflog Falco nannte. Aber jetzt geht gerade einmal wieder eine Woche zu Ende, in der mit aller Macht die letzten Ruhmesreste mit Windmaschinen aus den Köpfen der Leute gepustet werden sollten. Und an die Stelle des früheren Ruhmes tritt Schmutz, läppischer Singsang und Besserwisserei.
Es war die Woche, in der ein Lied veröffentlicht wurde, das sie "Jeanny III" nennen. Man spricht in solchen Zusammenhängen gern von "aufgetaucht". Das Lied ist also "aufgetaucht", es gibt verschiedene Versionen, wo es untergetaucht war, das Lied in all den Jahren, es ist aber völlig unerheblich, welche stimmt, denn dieser sogenannte dritte Teil des sagenhaften Erfolgsliedes "Jeanny" ist so ein dürrer, flacher Säuselsong, dass es eigentlich nur Scham gewesen sein kann, die dieses Lied all die Jahre in der Dunkelheit verharren ließ. (Und das ist schon die positive Version, die wahrscheinlichere ist die, dass unmusikalische Geldliebhaber aus irgendwelchen Schnipseln kurz vor Weihnachten da so ein Lalala zusammengesampelt haben.)
Das wird Falcos Nachruhm auch nicht schmälern? Na, vielleicht. Doch zu diesem Lied kam in dieser Woche im Rahmen eines großen Marketingplans auch ein Buch heraus, das sich "Falco - Die Wahrheit. Wie es wirklich war - sein Manager erzählt" nennt. Nun weiß natürlich jedes Kind, dass Bücher, die "die Wahrheit" heißen, grundsätzlich das Gegenteil beinhalten. Aber dieses Buch ist schon ein ganz besonderer Mist. Die bedeutendsten Details seines Werkes hat der Autor Horst Bork in Videoclips auf bild.de und anderswo herausposaunt. Er sitzt da in einem plüschig-dunklen Schummerzimmer und erklärt, warum Falco in welcher Nacht "nicht zeugungsfähig" gewesen sei und andere Schmierigkeiten. Im Buch lüftet er unentwegt längst bekannte Drogengeheimnisse des toten Sängers und stellt auf jeder zweiten Seite seine eigenen Verdienste so groß heraus, dass es sich so liest, als wäre die wahre Wahrheit, die dieser Herr Bork in seinem Buch verkünden wollte, die, dass nämlich er selbst in Wahrheit jener Falco ist, den die Leute dämlicherweise für tot halten.
Alles falsch, Falco lebt, und er heißt Hans Bork, kann zwar nicht singen, sieht nicht gut aus, ist aber sonst eine dicke Nummer. Und so bescheiden: "Heute ist es an der Zeit zu bekennen - und da oute ich mich an dieser Stelle gern -, dass einige Falco-Texte komplett von mir geschrieben wurden", schreibt er und fügt hinzu: "Wir hatten hier ganz unkompliziert einen kleinen Deal gestrickt, nach dem Falco nach außen als der große Schöpfer galt, wir aber intern das Ganze verrechnet haben." Ja, und bevor jetzt ein zweifelsüchtiger Feuilletonhansel daherkommt und ihm, Bork, sein Falco-Sein nicht glaubt, fügt er hinzu: "Zum Glück hatten wir aber damals darüber ein kleines Schriftstück unterzeichnet."
Das ist nun wirklich großes Glück, weil man diesem Mann, der mit deutscher Grammatik wirklich nicht befreundet ist, in der Tat keinen Falco-Songtext zutraut. Und mit diesen Texten hat es auch zu tun, dass die vergangene Woche nicht nur eine Falco-Untergangswoche gewesen ist, sondern auch eine Feierwoche. Denn im Residenz-Verlag ist ein Buch erschienen, auf dem Cover die schwarze Falco-Brille auf schwarzem Grund, mit dem Titel "Falco: Lyrics complete". Hier kann man endlich einmal den Sprachkünstler, Wortzusammensetzer, Klangmeister - den Dichter Falco mit seinem ganzen Werk lesen. (Die Lieder, die Bork für sich reklamiert, hat man gar nicht aufgenommen. Das macht aber nichts. Sie zählen ohnehin zu Falcos schwächsten.) Natürlich hat man immer die Melodien mit im Ohr, man kann Liedtexte ja nicht wirklich als Gedichte lesen. Bei Gedichten hat man sonst immer die Möglichkeit, einen eigenen Klang hineinzulesen, eine eigene Sprachmelodie, die der Intention des Dichters zuwiderlaufen kann. Bei Liedtexten kommt man aus der vorgegebenen Melodiefalle nicht heraus.
Trotzdem ist dieses Buch ein Gewinn. Erstens kann man mal schön in Ruhe vor sich hin singen, inklusive der schwierigen Textzeilen, die man noch nie so genau verstanden hatte. Das fing ja schon mit den Frühestzeilen "wenn er di onspricht und du waaßt warum / sog eam dein lebm bringt di um" an. "Dein Leben bringt dich um" - was fünfundzwanzig Jahre lang ein Rätsel war, erweist sich plötzlich als philosophischer Grundsatz. So trifft man also auf viele Überraschungen und muss sich von jahrzehntealten Missverständnissen verabschieden. Vor allem aber kann man Texte von einem Mann mit einem großartigen Sprach- und Rhythmusgefühl lesen, Texte, die so frei zwischen Wienerisch, Hochdeutsch, Englisch und anderen Sprachschnipseln in mitunter derselben Zeile herumspringen und dabei fast immer einen organischen Text ergeben, der aus dem Klang lebt, dem Klang einzelner Wörter. Wienerisch ist im Grunde alles, wienerisch ist auch sein Englisch, sein Französisch. Nicht weil der Sänger es später mit seiner Wiener Sprachmelodie unterlegte: "der schlange kur / ist nur l'amour / for sure / der schlange kur / toufours / anacondamour."
Immer zwischen Dada, Kinderlied, Kitsch und Großartigkeit. "zet be: / gretchen grün war im aufriß immer kühn." Und "er geht auf der stroßn / sogt net wohin / des hirn voi heavy metal / und seine leber ist hin". Oder wie es im ersten, im wahren Jeanny-Song hieß: "wer hat verloren? / du dich? / ich mich? / oder / oder wir uns?" So kann man sich hindurchsingen, durch das Buch: "am tag danach ist vollbetrieb auf allen sternen." Aber den Rhythmus, diesen sagenhaften Stakkato-Rhythmus aus Amadeus, den hat er natürlich nur dieses eine Mal erreicht: "er war superstar / er war so populär / er war zu exaltiert / genau das war sein flair / er war ein virtuose / war ein rockidol / und alles ruft noch heute: / ,come and rock me, amadeus'".
In dem Band wird auch von dem großen Respekt berichtet, den Falco vor den Dichtern der Wiener Gruppe, vor Gerhard Rühm, H. C. Artmann und vor Ernst Jandl hatte, und davon, wie er zwei Monate vor einem geplanten Auftritt mit den Dichtern panische Fluchtphantasien hatte. Aber auch von seinem Dichterselbstbewusstsein: "Es wa aigentlich an da zait, daß maine lyrics amoi ois buch erschainen. Scheiße, da Mccartney is ma zuvoakommen!", hat er dem Herausgeber des Buches Christian Ide Hintze, dem Leiter der "Schule für Dichtung" in Wien, einmal gesagt.
Und, kurz vor dem Ende seines Lebens, einen Traum: Eine Hazienda am Strand der Dominikanischen Republik, ein Restaurant, ein Café, eine Schreibschule sollen darin untergebracht werden: "Oben bin i, und ich lebe als Schriftsteller. Untn gehn die Students aus und ein und arbeitn. I kumm runta, erklär ihnen a bissl wos, geh dann wieda rauf und schau in die luft."
VOLKER WEIDERMANN
Falco: "Lyrics complete". Hrsg. von Christian Ide Hintze, Residenz-Verlag, 238 Seiten, 19,90 Euro
Horst Bork: "Falco - Die Wahrheit". Schwarzkopf & Schwarzkopf, 350 Seiten, 19,90 Euro
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