Er weiß nicht, wo er ist, fühlt sich wie betäubt. Langsam kann er Konturen ausmachen: einen Raum, viel Technik, keine Fenster. In der Ferne ein Rauschen. Unter ihm schwankt der Boden.
Langsam begreift Kommissar Danowski, dass er sich in der Gondel eines Windrades befindet, unmittelbar hinter dem Rotor. Und er ist nicht allein: ihm gegenüber auf der anderen Raumseite liegt eine Frau auf dem Fußboden.
Wer immer die beiden hier gefangen hält, hat offenbar vor, sie sich selbst zu überlassen: Zwischen ihnen stehen Vorräte für knapp ein paar Tage, und ein Blatt mit einer Nachricht: «Alle Antworten sind hier.»
Stück für Stück kehrt Danowskis Erinnerung zurück. An die Leuchtturmkinder. Und an eine Mordermittlung, bei der es um Freundschaft, Familie und Verrat geht, und die ihn zwingt, sich seiner eigenen Vergangenheit zu stellen ...
Langsam begreift Kommissar Danowski, dass er sich in der Gondel eines Windrades befindet, unmittelbar hinter dem Rotor. Und er ist nicht allein: ihm gegenüber auf der anderen Raumseite liegt eine Frau auf dem Fußboden.
Wer immer die beiden hier gefangen hält, hat offenbar vor, sie sich selbst zu überlassen: Zwischen ihnen stehen Vorräte für knapp ein paar Tage, und ein Blatt mit einer Nachricht: «Alle Antworten sind hier.»
Stück für Stück kehrt Danowskis Erinnerung zurück. An die Leuchtturmkinder. Und an eine Mordermittlung, bei der es um Freundschaft, Familie und Verrat geht, und die ihn zwingt, sich seiner eigenen Vergangenheit zu stellen ...
buecher-magazin.deAdam Danowski ist nach seinen beiden letzten Fällen und den misslungenen Therapieversuchen als "Hypersybille" von der Mordkommission zur OFA versetzt worden, der operativen Fallanalyse. Sein erster Alleingang ist der Mord an einer Frau in Friederikenburg, zwischen Weser und Wilhelmshaven, direkt hinterm Deich. Hinter dem Deich liegt ein Offshorewindpark. Als auch die Freundin des Opfers ermordet wird, liegt nahe, dass die dritte im Bunde der sogenannten "Leuchtturmkinder" in Gefahr schwebt. Ebenso wie Danowski, der, entgegen seiner neuen Berufung als Schreibtischtäter, herumschnüffelt. Und noch eine Tote gibt es, die nur Danowski sehen kann: seine Mutter. Zwar seit Jahrzehnten tot, hat es ihr die Küste so angetan, dass sie ihn zunächst begleitet. Raether ist bekannt für seine launigen Kolumnen und auch Adam Danowski hat einen präzise süffisanten Gedankenstrom, der immer wieder laut auflachen lässt. Im dritten Band ist jedoch das Paket aus morbider Handlung und außerordentlicher Einfühlsamkeit fester geschnürt. Weniger komisch, eher gedankenvoll und mental durchgerüttelt, gerät Danowski im Windpark in einen emotionalen Sturm. Kongenial ist die Schilderung der graubraunen Wattrand-Atmosphäre, in dieser Biosphäre gedeiht nicht umsonst Absonderliches.
© BÜCHERmagazin, Meike Dannenberg (md)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2016Im Zweifel für den Zweifel
Krimis in Kürze: Till Raether, Gregor Weber, Horst Eckert
Die obligatorische Klappentextvita, die einem längst zum Hals heraushängt, weil da einer Tierhomöopath, Geheimagent oder Müllmann gewesen sein und weitere farbige Tätigkeiten ausgeübt haben soll, bevor er zu schreiben begann, was offenbar als Garantie für weltenpralle Prosa gilt, diese Verkaufsstrategie ergibt im Fall von Gregor Weber endlich einmal Sinn. Wer Weber noch nicht gelesen hat, hat ihn sicher schon gesehen, weil er jahrelang in der Saarland-Comedy "Familie Heinz Becker" mitspielte und außerdem im Saarbrücker "Tatort" neben den Kommissaren Palu und Kappl ermittelte. Sein neuer Roman mit dem schönen Titel "Asphaltseele" (Heyne Hardcore, 240 S., br., 14,99 [Euro]) profitiert auch davon, dass Gregor Weber bei der Bundeswehr war und als Stabsunteroffizier der Reserve vor drei Jahren noch einen Einsatz in Afghanistan absolvierte. Auch seine Kochlehre war für den Autor nicht nutzlos.
Sein Held ist vom Typ einsamer Wolf und heißt Ruben Rubeck - eine deutliche Ansage: Er ist Kommissar, er trinkt zu viel, raucht Roth-Händle, ernährt sich schlecht, lebt allein im Frankfurter Bahnhofsviertel, ist siebenundvierzig und sieht mindestens zehn Jahre älter aus. Dann gerät Rubeck, als er nachts aus der Kneipe wankt, in eine Schießerei im Bandenmilieu, das LKA schaltet sich ein, Rubeck kooperiert widerwillig, und die Spur führt zurück in die Zeit des Kosovo-Kriegs und damit auch in Rubecks eigene Vergangenheit, der als Kfor-Soldat in Pristina war. Das Erstaunliche an Webers Buch ist, dass dieser schulbuchmäßig demolierte Held und der forcierte hartgesottene Ton tragen, dass die Erzählung sich nicht selbst in die Parodie katapultiert. Alles eine Frage der Dosierung. Weber übertreibt es nie, und er hat seiner Kunstfigur nicht nur Witz und Lakonie, sondern auch genügend Selbstironie mitgegeben.
Bei Till Raether, dem gelernten Journalisten, geht es gut und hoch oben los, aber leider nicht ganz auf dem Niveau weiter. Sein Kommissar Adam Danowski, zum dritten Mal im Einsatz, findet sich im ersten Kapitel von "Fallwind" (Rowohlt Polaris, 480 S., br., 14,99 [Euro]) in der Gondel eines Windrades wieder. Und zwar offshore, das heißt mehr als vierzig Kilometer vor der Küste. Wie er dahingekommen ist und vor allem, wie er da wieder herunterkommen soll, das ist eine reizvolle erzählerische Herausforderung.
Der laut ärztlichem Gutachten hypersensible Danowski wurde zur operativen Fallanalyse versetzt, was ihn als Berater zu einem Mordfall in Nordenham führt, wo die Leute, wie man das von Wattanrainern so erwartet, nicht sonderlich auskunftsfreudig sind. Zum ersten Mord kommt ein zweiter, und weil Danowski dank seines manchmal etwas erratischen Sozialverhaltens ein interessanter Charakter ist, lernt man mit ihm gerne etwas über "Leuchtturmkinder", Windradtechnologie und triste Ferienanlagen im Herbst. Doch hätte es dem Roman sehr geholfen, wenn er zwischendurch ein wenig mehr Tempo entwickelte. Entgegen dem, was das Klischee von einem Journalisten verlangt, wird Raether bisweilen, ohne dass es die Sache voranbrächte, viel zu weitschweifig. Mehr Pointiertheit und Knappheit hätten auch für mehr Dynamik gesorgt.
Wer die Berichterstattung über den NSU, den Nationalsozialistischen Untergrund, verfolgt hat, der hat nicht nur diverse Verfassungsschützer gehen sehen, sondern auch sehr grundsätzliche Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Dienste und Ämter ausgebildet, die mitunter wirkten, als glaubten sie den selbstgeschaffenen Fiktionen. Insofern ist es nicht abwegig, wenn Horst Eckert das Geschehen in seinem Politthriller "Wolfsspinne" (Wunderlich, 496 S., geb., 19,95 [Euro]) eng mit der NSU-Geschichte verschränkt und fast wie ein Stück Dokufiktion inszeniert. "Wie könnte ich das Ergebnis der Bundesanwaltschaft ohne Zweifel annehmen", hat der Autor gesagt, "wenn sich überall Widersprüche auftun, Spuren nicht weiterverfolgt wurden, Zeugen nicht reden durften oder unter seltsamen Umständen starben?"
Was unter anderem zur Folge hat, dass die beiden Uwes, die hier natürlich andere Namen tragen, in diesem Szenario nicht Selbstmord begangen haben. Zudem lässt Eckert seinen bereits bewährten Düsseldorfer Kommissar Vincent Veih, vermittelt über einen Mord an einer prominenten Restaurantbetreiberin, in die Ermittlungen geraten und macht einen ehemaligen V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes namens Ronny zu einer Schlüsselfigur.
Die vielfältigen Verstrickungen, Querverbindungen, Durchstechereien und Schlampereien verarbeitet Eckert zu einer ziemlich tragfähig wirkenden Konstruktion. Da lässt sich auch verkraften, dass einige Figuren einem zu schablonenhaft vorkommen und Eckerts Prosastil nicht sonderlich ambitioniert ausfällt. Spannend ist es auf jeden Fall, auch und vor allem als fiktionale Variante der NSU-Geschichte.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Till Raether, Gregor Weber, Horst Eckert
Die obligatorische Klappentextvita, die einem längst zum Hals heraushängt, weil da einer Tierhomöopath, Geheimagent oder Müllmann gewesen sein und weitere farbige Tätigkeiten ausgeübt haben soll, bevor er zu schreiben begann, was offenbar als Garantie für weltenpralle Prosa gilt, diese Verkaufsstrategie ergibt im Fall von Gregor Weber endlich einmal Sinn. Wer Weber noch nicht gelesen hat, hat ihn sicher schon gesehen, weil er jahrelang in der Saarland-Comedy "Familie Heinz Becker" mitspielte und außerdem im Saarbrücker "Tatort" neben den Kommissaren Palu und Kappl ermittelte. Sein neuer Roman mit dem schönen Titel "Asphaltseele" (Heyne Hardcore, 240 S., br., 14,99 [Euro]) profitiert auch davon, dass Gregor Weber bei der Bundeswehr war und als Stabsunteroffizier der Reserve vor drei Jahren noch einen Einsatz in Afghanistan absolvierte. Auch seine Kochlehre war für den Autor nicht nutzlos.
Sein Held ist vom Typ einsamer Wolf und heißt Ruben Rubeck - eine deutliche Ansage: Er ist Kommissar, er trinkt zu viel, raucht Roth-Händle, ernährt sich schlecht, lebt allein im Frankfurter Bahnhofsviertel, ist siebenundvierzig und sieht mindestens zehn Jahre älter aus. Dann gerät Rubeck, als er nachts aus der Kneipe wankt, in eine Schießerei im Bandenmilieu, das LKA schaltet sich ein, Rubeck kooperiert widerwillig, und die Spur führt zurück in die Zeit des Kosovo-Kriegs und damit auch in Rubecks eigene Vergangenheit, der als Kfor-Soldat in Pristina war. Das Erstaunliche an Webers Buch ist, dass dieser schulbuchmäßig demolierte Held und der forcierte hartgesottene Ton tragen, dass die Erzählung sich nicht selbst in die Parodie katapultiert. Alles eine Frage der Dosierung. Weber übertreibt es nie, und er hat seiner Kunstfigur nicht nur Witz und Lakonie, sondern auch genügend Selbstironie mitgegeben.
Bei Till Raether, dem gelernten Journalisten, geht es gut und hoch oben los, aber leider nicht ganz auf dem Niveau weiter. Sein Kommissar Adam Danowski, zum dritten Mal im Einsatz, findet sich im ersten Kapitel von "Fallwind" (Rowohlt Polaris, 480 S., br., 14,99 [Euro]) in der Gondel eines Windrades wieder. Und zwar offshore, das heißt mehr als vierzig Kilometer vor der Küste. Wie er dahingekommen ist und vor allem, wie er da wieder herunterkommen soll, das ist eine reizvolle erzählerische Herausforderung.
Der laut ärztlichem Gutachten hypersensible Danowski wurde zur operativen Fallanalyse versetzt, was ihn als Berater zu einem Mordfall in Nordenham führt, wo die Leute, wie man das von Wattanrainern so erwartet, nicht sonderlich auskunftsfreudig sind. Zum ersten Mord kommt ein zweiter, und weil Danowski dank seines manchmal etwas erratischen Sozialverhaltens ein interessanter Charakter ist, lernt man mit ihm gerne etwas über "Leuchtturmkinder", Windradtechnologie und triste Ferienanlagen im Herbst. Doch hätte es dem Roman sehr geholfen, wenn er zwischendurch ein wenig mehr Tempo entwickelte. Entgegen dem, was das Klischee von einem Journalisten verlangt, wird Raether bisweilen, ohne dass es die Sache voranbrächte, viel zu weitschweifig. Mehr Pointiertheit und Knappheit hätten auch für mehr Dynamik gesorgt.
Wer die Berichterstattung über den NSU, den Nationalsozialistischen Untergrund, verfolgt hat, der hat nicht nur diverse Verfassungsschützer gehen sehen, sondern auch sehr grundsätzliche Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Dienste und Ämter ausgebildet, die mitunter wirkten, als glaubten sie den selbstgeschaffenen Fiktionen. Insofern ist es nicht abwegig, wenn Horst Eckert das Geschehen in seinem Politthriller "Wolfsspinne" (Wunderlich, 496 S., geb., 19,95 [Euro]) eng mit der NSU-Geschichte verschränkt und fast wie ein Stück Dokufiktion inszeniert. "Wie könnte ich das Ergebnis der Bundesanwaltschaft ohne Zweifel annehmen", hat der Autor gesagt, "wenn sich überall Widersprüche auftun, Spuren nicht weiterverfolgt wurden, Zeugen nicht reden durften oder unter seltsamen Umständen starben?"
Was unter anderem zur Folge hat, dass die beiden Uwes, die hier natürlich andere Namen tragen, in diesem Szenario nicht Selbstmord begangen haben. Zudem lässt Eckert seinen bereits bewährten Düsseldorfer Kommissar Vincent Veih, vermittelt über einen Mord an einer prominenten Restaurantbetreiberin, in die Ermittlungen geraten und macht einen ehemaligen V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes namens Ronny zu einer Schlüsselfigur.
Die vielfältigen Verstrickungen, Querverbindungen, Durchstechereien und Schlampereien verarbeitet Eckert zu einer ziemlich tragfähig wirkenden Konstruktion. Da lässt sich auch verkraften, dass einige Figuren einem zu schablonenhaft vorkommen und Eckerts Prosastil nicht sonderlich ambitioniert ausfällt. Spannend ist es auf jeden Fall, auch und vor allem als fiktionale Variante der NSU-Geschichte.
PETER KÖRTE
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Originelle Kulisse und ein originell verrückter Kommissar, das kann man schon in den Urlaub mitnehmen! Der Standard 20160829