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Neues vom Fälscher: Ein Doku-Krimi enthüllt jetzt die ganze Wahrheit.
Kaum begonnen, ging der spektakulärste Kunstfälscherprozess Europas mit einem strafmildernden Deal auch schon zu Ende. Über 25 Jahre hatten der erfolglose Maler Wolfgang Beltracchi und seine Komplizen selbst gemalte Bilder als verschollene Kunstwerke großer Maler der Moderne (Max Ernst, Georges Braque, Fernand Léger u. a.) ausgegeben und für Millionensummen verkauft. Quer durch den Kontinent waren ihnen Kunsthändler, Museen, Sammler und Experten auf den Leim gegangen, teilweise mit erstaunlicher Arglosigkeit. Nicht wenige…mehr

Produktbeschreibung
Neues vom Fälscher: Ein Doku-Krimi enthüllt jetzt die ganze Wahrheit.

Kaum begonnen, ging der spektakulärste Kunstfälscherprozess Europas mit einem strafmildernden Deal auch schon zu Ende. Über 25 Jahre hatten der erfolglose Maler Wolfgang Beltracchi und seine Komplizen selbst gemalte Bilder als verschollene Kunstwerke großer Maler der Moderne (Max Ernst, Georges Braque, Fernand Léger u. a.) ausgegeben und für Millionensummen verkauft. Quer durch den Kontinent waren ihnen Kunsthändler, Museen, Sammler und Experten auf den Leim gegangen, teilweise mit erstaunlicher Arglosigkeit. Nicht wenige verdienten mit Gutachten und Vermittlungen viel Geld an den Bildern. Der Prozess zeigte bestenfalls die Spitze des Eisbergs aus Leichtgläubigkeit, Schludrigkeit und Geldgier in der Branche. 170 Zeugen wurden gar nicht erst gehört, tausende Seiten akribischer Ermittlungsarbeit blieben unbeachtet. In einem Buch, das sich wie ein Krimi liest, liefert das Autorenduo Koldehoff/Timm nun nach,was im Prozess unter den Tisch fiel: Es rekonstruiert den Coup der Fälscherbande, ein kriminelles Bravourstück von großem Unterhaltungswert und erheblicher Dreistigkeit. Und die Autoren bringen erstmals in vollem Umfang ans Licht, wie es in der in honorige Händler und zwielichtige Geschäftemacher gespaltenen Kunstbranche zugeht.Eine Branche, die dringend einen Verhaltenskodex braucht, denn eine Vielzahl gefälschter Bilder kursiert dort noch immer.
Autorenporträt
Koldehoff, StefanStefan Koldehoff, geboren 1967, ist Kulturredakteur beim Deutschlandfunk in Köln und schreibt unter anderem für Die Zeit und art - Das Kunstmagazin. 2008 wurde er für seine investigativen Recherchen mit dem puk-Journalistenpreis ausgezeichnet. 2012 veröffentlichte er gemeinsam mit Tobias Timm Falsche Bilder, echtes Geld zum Fall Beltracchi. Das Buch wurde mit dem Prix Annette Giacometti und dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet. Zudem erschien bei Galiani Die Bilder sind unter uns. Das Geschäft mit der NS-Raubkunst und der Fall Gurlitt (2014) und Ich und Van Gogh. Bilder, Sammler und ihre abenteuerlichen Geschichten (2015).2020 folgte mit Kunst und Verbrechen ein weiteres gemeinsames Buch mit Tobias Timm.

Timm, TobiasTobias Timm, geboren 1975 in München, studierte Stadtethnologie, Geschichte und Kulturwissenschaften in Berlin und New York. Als Autor schreibt er für das Feuilleton der ZEIT von Berlin aus über Kunst, Architektur und Verbrechen. 2012 veröffentlichte er gemeinsam mit Stefan Koldehoff Falsche Bilder, echtes Geld zum Fall Beltracchi. Das Buch wurde mit dem Prix Annette Giacometti und dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet. 2020 folgte mit Kunst und Verbrechen ein weiteres gemeinsames Buch mit Koldehoff.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.05.2012

Wie man Augen betäubt und daraus Gewinn zieht
Über Kunsthändler, Fälscher, Experten, Anleger und die Gier nach Sensationen: Stefan Koldehoff und Tobias Timm erzählen den Fall Beltracchi
Die Befürchtungen, die der Berliner Galiani-Verlag in den letzten Tagen verbreitet hat, sollten das Werk zusätzlich interessant machen. Das Erscheinen sei um einige Tage vorgezogen worden, hieß es da, denn eine einstweilige gerichtliche Verfügung könnte in letzter Minute das Erscheinen verzögern – oder gar ganz verhindern. Der mögliche Skandal des ungelesenen Verschwindens sollte zur Steigerung des vermeintlich kurzfristigen Verkaufs beitragen.
Was steht in dem von den Journalisten Stefan Koldehoff und Tobias Timm verfassten Band ( Falsche Bilder, Echtes Geld. Galiani Verlag, Berlin 2012. 275 S. 19,99 Euro ) über den Kunstfälscher Beltracchi, das der aufmerksame Zeitungsleser, Rundfunkhörer, Fernseher und Internetsurfer nicht längst wüsste? Koldehoff und Timm haben in der Wochenzeitung Die Zeit ausführlich über den Fall berichtet und wurden für ihre Recherchen mit dem Giacometti-Preis belohnt. Die Kritik der Autoren an den Usancen des Kunsthandels, speziell am Kunsthaus-Lempertz und dessen Inhaber Henrik Hanstein, ist öffentlich.
Warum also ein Buch verhindern, das all dies aufgreift und ergänzt? Weil die Story zwischen zwei Buchdeckeln ein anderes Gewicht hat, als verstreute Beiträge? Weil die Autoren auf Gerichtsunterlagen zurückgreifen und selbst Anklage erheben und die Beweisführung übernehmen – mitten in laufende zivilrechtliche Verfahren hinein, die von getäuschten Sammlern gegen das Kölner Auktionshaus angestrengt wurden?
Es gehört zum Genre der Enthüllungsgeschichte, dass dem Leser neues, unveröffentlichtes Material versprochen wird. In diesem Fall erklären die Autoren mit Hilfe „von Experten wie Ralph Jentsch und Peter van Beveren eine ganze Reihe weiterer mutmaßlicher Fälschungen gefunden“ zu haben und „erstmals“ „aufzudecken“. 14 Fälschungen waren Gegenstand der Kölner Gerichtsverhandlung gegen die Beltracchi-Bande. 14 nicht verjährte und beweisbare, mit einer unwiderstehlichen Provenienzgeschichte in den Handel gebrachte Fakes klassischer Moderner Malerei. Diese Vierzehn reichten, um ein „umfassendes“ Geständnis der Angeklagten zu erlangen und damit auch den sicheren Nachweis bandenmäßiger Kriminalität mit längerer Verjährungsfrist. Die Autoren schelten das Kölner Gericht für den schnellen Deal, der dem Fälscher zum großen medienwirksamen Auftritt verhalf und den Prozess nach nur neun Verhandlungstagen beendete, ohne dass die lange Liste prominenter Zeugen – Auktionatoren, Galeristen, Kunst-Experten, Hollywoodstars – abgearbeitet worden wäre und ohne, dass der gesamte Umfang des jahrzehntelangen Betrugs erkennbar geworden wäre.
Fünfzig Maler habe er in seiner 35-jährigen Fälscherlaufbahn nachgeahmt, brüstete sich Wolfgang Beltracchi bei seinem Spiegel -Interview. Leicht hätte er 100 bis 200 Bilder fremder Handschrift fabrizieren können. Der Prozess hätte bis März diesen Jahres dauern können – und die Presse hätte sich wöchentlich mit neuen Stories profiliert. So muss man auf die vielen kleinen nachgeordneten Verfahren warten.
Koldehoff und Timm preschen mit dem Buch vor. Sie wollen die ersten auf dem Markt sein. Bevor andere sich des Skandal-Themas bemächtigen, bevor Beltracchi selbst mit eitlen Memoiren aufwartet. Betracchi wird im Buch nur aus seinem Spiegel -Interview und aus der Vernehmung vor Gericht zitiert. Den Autoren stand er nicht Rede und Antwort. Das Buch bietet auch bewusst keine Meister-Fälscher-Geschichte. Bloß keine kriminelle Helden! Es ist eine von bisweilen verwirrenden Vor- und Rückgriffen gekennzeichnete Ermittlungsstory, die sich gegen die dunklen Seiten des Kunsthandels richtet.
Die stillen, bescheidenen Helden des Buches sind Kunsthistoriker, die sich nicht von neu „entdeckten“, angeblich verschollenen Campendonks blenden ließen, die den Mut zum Zweifel an der mutmaßlichen Sensations-Geschichte hatten. Ohne die Erfahrung, das Wissen und die umfängliche Katalog-Recherche des Grosz-Experten Ralph Jentsch allerdings wäre der massenhafte Kunsthandelsbetrug nicht aufgeflogen.
Ohne die umfangreichen Hinweise von Jentsch ist aber auch die Beweisführung des Buches und die im Anhang stolz präsentierte Liste der „Werke von Wolfgang Betracchi, aus seinem Besitz oder aus seinem Umfeld“ nicht denkbar: 80 Werke von Malern wie George Braque, Heinrich Campendonk, André Derain, Raoul Dufy, Max Ernst, Fernand Léger, Jean Metzinger oder Max Pechstein. Werke, die vom Beltracchi Trio auf Auktionen eingeliefert wurden; Werke mit der erfundenen Provenienz „Sammlung Jägers“ oder „Sammlung Knops“; Werke mit gefälschten Aufklebern aus der Galerie Flechtheim oder der Galerie Sturm; sowie Werke, die Beltracchi auf einer in seiner Wohnung in Andorra sichergestellten Liste des Jahres 1995 benannte.
Diese sogenannte „Andorra-Liste“ aus den Ermittlungs-Akten des Kunstdezernats des LKA Berlin druckt der Verlag als Faksimile gleich mit ab. All diese Bilder müssen als verdächtig gelten, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich das ein oder andere Original darunter befindet. Sollten sie wieder in den Kunsthandel gelangen – so die Absicht der von Aufklärung beseelten Autoren – wäre eine Ausrede auf Gutgläubigkeit kaum akzeptabel.
Das Buch, das sich zum Ziel setzt, mehr als die Spitze des Eisberges zu zeigen, ist eine besserwisserische Abrechnung mit einem sensationslüsternen Kunstmarkt, die in einem „Kodex für den Kunstmarkt“ gipfelt, den das Autorenteam am Donnerstag unter dem Titel „Die acht Gebote“ auch auf der Kunstmarkt-Seite der Zeit veröffentlichte, um auf das Erscheinen ihres Buches zu verweisen. Die Fehleinschätzungen von Kunsthistorikern, die sich auf einen Künstler spezialisiert haben und das entsprechende Werkverzeichnis bearbeiten, sind bekannt. Die sogenannte „kunsthistorisch-stilkritische“ Analyse des Originals kann Irrtümer nicht ausschließen. Trotz aller Seherfahrungen, aller im Moment der Begutachtung de facto nicht gegebener Vergleichsmöglichkeiten, können die um ein Bild aufgebaute Legende, der Nachdruck des Auftraggebers, Zeitdruck, Entdeckerstolz und damit gepaarte Eitelkeit zu einer Betäubung der kritischen Vernunft führen, zu Falscheinträgen im Oeuvre-Verzeichnis.
Insofern fordern die Autoren die Ablösung von Autoritäten durch Teams, zu denen auch Naturwissenschaftler und Restauratoren gehören sollten. Die wenigen spezialisierten Labore hätten noch längere Warteschleifen als bisher. Ihre Tätigkeit im Dienst der Kunst-Wissenschaft und des eigenen Museums käme zum Erliegen, selbst wenn nur – wie von den Autoren vorgeschlagen – hochpreisige Werke geprüft werden müssten.
Noch verwegener ist der Vorschlag, Provenienzforscher mit der Überprüfung der Handelsware zu beauftragen, möglichst solche, die an staatlichen Museen damit beschäftigt seien, „Restitutionsforderungen abzuwehren“. Diese Polemik ist dreist. Die wenigen Museen, die eigene Stellen für Restitutionsforschung geschaffen haben, prüfen in jahrelanger Recherche-Arbeit die „verdächtigen“ Bilder ihrer Sammlung und beschäftigen sich zusätzlich mit teilweise pauschalen und unfundierten Anfragen von spezialisierten Anwälten. Die Forschungsstellen an kleineren Häusern, die für bestimmte Fälle vom Bund finanziert werden, laufen in der Regel nach zwei Jahren aus. Die Museen haben dann für die Weiterbeschäftigung der Wissenschaftler in der Regel kein Geld.
Gemessen an der Aufgabe. unermessliches Unrecht aufzuarbeiten, gibt es an Deutschen Museen viel zu wenig wissenschaftliche Stellen für Restitutionsforschung. In der Regel dauert die Recherche für ein Bild, die Spuren in der ganzen Welt verfolgen muss, ein Jahr. Wie sollen da Museumsbestände von 100 fraglichen Objekten jemals geklärt werden? Und da sollen die raren Spezialisten sich auch noch mit den Einreichungen von Auktionshäusern plagen? Das ist absurd.
IRA MAZZONI
Die stillen Helden des Buches
sind Kunsthistoriker, die sich
den Mut zum Zweifel bewahrten
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gar einen Sittenspiegel unserer Zeit möchte Rose-Maria Gropp in dem Buch von Stefan Koldehoff und Tobias Timm erblicken. Dass die Autoren den interessierten Leser mit ihrem fix geschriebenen, wie Gropp vermerkt, medial anschlussfähigen Text auf den Stand der Dinge in der causa Beltracchi bringen, ist das eine, sämtliche Hintergründe und Fakten der Indizienkette übrigens inbegriffen. Gropp aber erkennt im Blick hinter die Fassade neben der puren Spannung auch das moralische Moment. Spätestens, wenn Koldehoff und Timm einen Kunsthandelskodex fordern.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2012

Von der Notwendigkeit, Ernst zu machen

Der Prozess um den Fälscher Wolfgang Beltracchi deckte die Schwachstellen des internationalen Kunsthandels auf. Stefan Koldehoff und Tobias Timm fragen in ihrem neuen Buch, was daraus folgen muss.

Dieses Buch ist mit heißer Nadel gestrickt, und es ist auf dem aktuellen Stand der Dinge. Naturgemäß kann es den Fälschungsskandal nicht erschöpfend klären, der im vergangenen Jahr die Gemüter bewegt hat und als der "Fall Beltracchi" in die einschlägige Historie eingehen wird. Das Buch schließt direkt an ein alertes Interesse von Medien und Öffentlichkeit an, man erinnert sich: Wolfgang Beltracchi und seine Mittäter - seine Frau, ein gewisser Otto Schulte-Kellinghaus und Beltracchis Schwägerin - haben eine noch immer unbekannte Zahl von gefälschten Gemälden in den Kunstmarkt geschleust, der sich über Jahre hin als dafür blind erwies. Allerdings ging das Interesse kaum über die deutschen Grenzen hinaus. Beltracchi who?, fragt schon jeder Brite. Dies, obgleich der selbsternannte "Meisterfälscher" außer Deutschland auch England, Frankreich und selbst die Vereinigten Staaten mit seinen Falsifikaten erreichte. Und obwohl Experten, Auktionshäuser und Galerien sein ausgeklügeltes Distributionssystem, das maßgeblich auf fingierten Herkunftsangaben und mehreren frei erfundenen Privatsammlungen beruhte, unterstützten - wie gutgläubig und der Sorgfaltspflicht gehorchend oder nicht, auch das muss im einen oder anderen Fall dahingestellt bleiben.

Alle Hintergründe, derer sie habhaft werden konnten, schreiben die Autoren auf unter dem knackigen Titel "Falsche Bilder. Echtes Geld" (wer weiß eigentlich, ob all das geflossene Geld echt war, oder wenigstens sauber?), bis in feinste Verästelungen. Dabei geben Stefan Koldehoff, investigativ erprobter Kulturredakteur beim Deutschlandfunk, und Tobias Timm, Autor der Wochenzeitung "Die Zeit", selbst gar nicht vor, großartige neue Erkenntnisse beizusteuern, auch wenn der Untertitel den "Fälschungscoup des Jahrhunderts - und wer alles daran verdiente" verheißt. Stattdessen versammeln sie eine ganze Menge akribisch recherchierter Details, vergleichbar einem Indizienprozess, die zum Teil schon Jahre zurückliegen und tatsächlich in solcher Dichte bisher nirgends stehen. Dass darunter durchaus einige brenzlige Informationen sind, zeigen abgekürzte oder offen gelassene Namen an: Vorverurteilungen sind unbedingt zu vermeiden - abgesehen noch davon, dass angesichts allfälliger Empfindlichkeiten Juristen vor der Veröffentlichung den Text durchgeackert haben werden.

Liest man das Buch so, dann ist es ein intelligenter Blick hinter die Fassaden eines weitgehend undurchschaubaren Markts und seiner Gepflogenheiten. Bei seinem ausführlichen Geständnis vor dem Kölner Landgericht hat Beltracchi selbst die bittere Pointe gesetzt. Nicht nur indem er hervorhob, wie einfach es ihm der Kunstmarkt gemacht habe, sondern auch, indem er erklärte, dass die Zeit für seine Variante des betrügerischen Gewerbes vorbei sei. Denn er hatte sich auf Werke der Moderne konzentriert, die als verschollen galten oder nicht bildlich in den Werkverzeichnissen dokumentiert waren. Das ist zynisch genug, und dass ihm sein Erfolg recht gab, macht alles noch unappetitlicher.

Gewarnt sei indessen vor einer Pauschalverurteilung des Kunstmarkts (den es als Einheit übrigens gar nicht gibt) und seiner Protagonisten. Das wäre fahrlässig großräumig; nicht jeder im Kunstbetrieb ist ein Gauner.

Absolut folgerichtig schreiben Koldehoff und Timm in ihrem Kapitel "Die Methode Beltracchi": "Wolfgang Beltracchi gehört zwar nicht zu den großen Künstlern, er zählt aber sicher zu den raffiniertesten Fälschern der Kunstgeschichte - raffinierter sind nur noch diejenigen, deren Namen wir noch nicht kennen. Beltracchi hat sich als erstklassiger Handwerker und Krimineller erwiesen: Über drei Jahrzehnte lang konnte er seine Betrugstechnik ungestört optimieren." Das ist ein Kernsatz des Buchs, von dem aus sich die Fäden zurück in die Historie des Skandals aufwickeln lassen - und in die Zukunft, wo manche dieser Fäden noch lose hängen. Es ist unbedingt richtig, dass die Autoren unbeirrbar in Beltracchi schlicht einen Betrüger erkennen, zumal der "Kunstkrimi" um ihn in der Öffentlichkeit gelegentlich begleitet war von klandestiner oder gar offener Schadenfreude. Beltracchi ist kein "Filou", und verständnisinniges Psychologisieren ist unangebracht, auch wenn er sich dann im Prozess im Herbst 2011 coram publico als eine Art aus dem Ruder gelaufener Hippie gerierte (übrigens keine schlechte Show).

Es ist allgemein bekannt geworden, dass das Landeskriminalamt in Berlin und die Staatsanwaltschaft in Köln gerade mal vierzehn - wohlgemerkt nicht verjährte - Fälschungen vorlegen konnten, die Beltracchi dann auch gestand; mehr war nicht möglich. Angesichts der geballten Faktenfülle, die Koldehoff und Timm zusammenführen, wird einmal mehr deutlich, in welchem Missverhältnis diese Anzahl zur Gesamtmenge der vermuteten Fälschungen steht, mit der Beltracchi auch immer wieder angegeben hat, selbstredend ohne dabei konkrete Angaben zu machen. Das hat den Skandal noch einmal aufgegipfelt, in seinem vorerst letzten Akt.

Der durchaus legitime Deal zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht hat es verhindert, dass die erhofften Zeugen gehört wurden, was gewiss einiges Licht in die Kulissen der Affäre gebracht hätte. So aber ist der Mantel eines erstaunlich milden Urteils darüber gebreitet, das dem Hauptbeschuldigten gerade mal sechs Jahre beschert hat, die er als Freigänger verbringt. Die Autoren haben an das Ende des Buchs eine Liste gestellt mit mehr als achtzig Gemälden, die Beltracchi zuzuordnen sind. Sie floppt leider, ausgerechnet weil sie aufrichtig kommentiert ist: Mehr als dreißigmal steht da "Fälschung nicht nachgewiesen"; allein dreiundfünfzig dieser Werke sind bereits in jener Liste verzeichnet, die die Ermittler des Berliner LKA 2011 erstellt haben. Dass Beltracchi selbst sich zu der Aufstellung nicht geäußert hat, wie die Autoren anmerken, kann nicht verwundern.

Es ist schon folgerichtig, dass Koldehoff und Timm in ihrem Schlussplädoyer moralisch werden, ein "Kodex für den Kunsthandel" müsse her, Maximalforderungen sind formuliert. Sie sind freilich unrealistisch, aber richtig sind sie trotzdem. Die Lektion aus dem Buch heißt kurz und bündig: dran bleiben! Die auf Kunstdelikte spezialisierten Kommissare sind weiterhin hellwach. Es ist ein spannendes Buch geworden, eine Indiziengeschichte für Leute, die sich für die Machenschaften im Feld mittel- bis hochpreisiger Kunst interessieren - und vielleicht sogar überhaupt ein Sittenspiegel unserer Gesellschaft.

ROSE-MARIA GROPP

Stefan Koldehoff und Tobias Timm: "Falsche Bilder, Echtes Geld".

Verlag Galiani, Berlin 2012. 275 S., Abb., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Eine sehr empfehlenswerte Lektüre für alle, die nicht auf die Selbstinszenierung des Fälschers hereinfallen wollen. Anne Haeming spiegel.de 20140205