Der Brandmeister Heinrich Paffrath hat sich von jungen Jahren an der Bekämpfung von Feuer verschrieben.
Beim Brand des Reichstags hat er an vorderster Front das Feuer zu löschen versucht; von Adolf Hitler erhielt er für diesen Einsatz ein persönliches Dankschreiben. Trotzdem hält er sich von der Politik fern, seine proletarische Mutter hatte ihm das dringend ans Herz gelegt.
Auch sein Sohn, Heini Paffrath, hält sich aus den Entwicklungen der Zeit heraus. Er hat sich in eine Zahnarzthelferin verliebt, und als diese 1961 nach dem Bau der Mauer im Ostteil der Stadt bleibt, verläßt er Westberlin, wird in Ostberlin Volkspolizist und geht seinem Beruf als Ordnungshüter auch dann noch ungerührt nach, nachdem er seine große Liebe aus Enttäuschung glaubt umgebracht zu haben.
Kerstin Hensel erzählt aus dem Leben zweier Männer, die strebsam ihren Berufen nachgehen. Sie halten sich von allem Getriebe der Welt fern, um hinter der biederen Fassade um so besser ihre verzweifelt finsteren Abgründe verbergen zu können. Heinrich und Heini Paffrath sind zwei »falsche Hasen«, auf die jederzeit Verlaß zu sein scheint, zwei Stützen der deutschen Katastrophengeschichten des 20. Jahrhunderts.
Beim Brand des Reichstags hat er an vorderster Front das Feuer zu löschen versucht; von Adolf Hitler erhielt er für diesen Einsatz ein persönliches Dankschreiben. Trotzdem hält er sich von der Politik fern, seine proletarische Mutter hatte ihm das dringend ans Herz gelegt.
Auch sein Sohn, Heini Paffrath, hält sich aus den Entwicklungen der Zeit heraus. Er hat sich in eine Zahnarzthelferin verliebt, und als diese 1961 nach dem Bau der Mauer im Ostteil der Stadt bleibt, verläßt er Westberlin, wird in Ostberlin Volkspolizist und geht seinem Beruf als Ordnungshüter auch dann noch ungerührt nach, nachdem er seine große Liebe aus Enttäuschung glaubt umgebracht zu haben.
Kerstin Hensel erzählt aus dem Leben zweier Männer, die strebsam ihren Berufen nachgehen. Sie halten sich von allem Getriebe der Welt fern, um hinter der biederen Fassade um so besser ihre verzweifelt finsteren Abgründe verbergen zu können. Heinrich und Heini Paffrath sind zwei »falsche Hasen«, auf die jederzeit Verlaß zu sein scheint, zwei Stützen der deutschen Katastrophengeschichten des 20. Jahrhunderts.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005Die Einsamkeit des Feuerlöschers
Schlüsseldienste: Kerstin Hensels allegorischer Jahrhundertroman
Literarische Allegorien sind eine undankbare Sache. Entweder versteht man sie zu leicht - dann wird der Rest der Handlung rasch langweilig und berechenbar. Oder sie sind schwer verständlich; dann verliert man irgendwann die Geduld mit ihnen und läßt das Rätsel auf sich beruhen, ganz gleich, was es bedeutet. Thomas Manns "Doktor Faustus" etwa scheint beide Nachteile in sich zu vereinen: Gleich am Anfang gibt sich das Buch als Schlüsselgeschichte über die deutsche Katastrophe zu erkennen, aber dann muß man doch bis zum Schluß lesen, um alle Schlösser öffnen zu können. Daß die Sache dennoch funktioniert, liegt natürlich an der sprachlichen Meisterschaft des Autors. Es liegt aber auch an der spielerischen Offenheit seiner Erzählung, daran, daß er die Allegorie nie ganz so ernst nimmt, wie er könnte, daß er den Mann im Mittelpunkt immer auch als Mensch behandelt statt bloß als wandelndes Zeichen und redende Figur.
Die Ost-Berliner Schriftstellerin Kerstin Hensel ist eine Spezialistin für Schlüsselgeschichten. Fast alle Romane und Erzählungen, die sie in den vergangenen fünfzehn Jahren geschrieben hat, handeln von allegorischen Figuren und Begebenheiten: einem Bären, der in einem Dorf im Erzgebirge hundert Jahre deutscher Geschichte miterlebt ("Im Spinnhaus"), einem brandenburgischen See, der von Wassergeistern und vulkanischen Kräften beherrscht wird ("Gipshut"), einer Adelsfrau aus Sachsen-Anhalt, die in der Stadt Leibnitz (sic!) realsozialistisch vor die Hunde geht ("Tanz am Kanal") und so fort.
Dabei hat sich noch keine der Geschichten Hensels zu einem deutschen Großroman ausgewachsen, denn im selben Maß, in dem sich die Autorin aufs zeittypisch Bedeutsame kapriziert, scheint ihr dessen Erhebung ins historisch Bedeutende zu widerstreben. Wann immer ihr ein Stoff zu groß wird, biegt sie ihn ins Anekdotische um. Es ist, als malte jemand lauter Hintergründe und Vignetten für ein Historiengemälde, ohne je zum eigentlichen Bildinhalt zu gelangen. Aber was von Mal zu Mal verschoben wird, muß deshalb nicht aufgehoben sein.
Der Held von Kerstin Hensels neuem Roman "Falscher Hase" heißt Paffrath, Heini Paffrath. Sein Vater, Heinrich Theodor Paffrath, ist Feuerwehrmann, der Sohn, nach gescheitertem Anlauf als Physikstudent, wird Volkspolizist der DDR. Kurz vor Weihnachten 1941, während die englische Luftwaffe Berlin bombardiert, kommt Heini in einer brennenden Wohnung am Tiergarten zur Welt, behütet vom Schaumstrahl eines Feuerlöschers, den der Vater höchstpersönlich erfunden hat und der den sprechenden Namen "Venus" trägt. Paffrath, der Schaumgeborene, der von Venus Gebadete. Sein Leben lang wird Heini dem Trugbild vollkommener Liebe nachjagen, bis ihn die Kräfte seines Wahns verlassen und er sich mit einem selbstgelegten Feuer aus seiner Geschichte verabschiedet. Paffrath, der verspätete Ödipus, der Biedermann als Brandstifter.
So hängt sich ein Deutungsmuster ans andere, verkettet durch die zwangsweisen Wendungen einer Biographie, die immer knapp an den historischen Ereignissen vorbeischrammt, den Bombennächten, der Berlin-Blockade, dem Jahrzehnt der Halbstarken, dem Mauerbau und -fall. Die fünfziger Jahre erlebt Heini als lange Kinderkrankheit, von der ihm eine Allergie gegen Rockmusik und Röhrenjeans zurückbleibt. Sein Lieblingsgericht ist der titelgebende falsche Hase, den er, als verfrühter Gebißträger, mit falschen Zähnen zerkaut. Im August 1961 kommt Paffraths Psyche in Wallung, weil seine heimliche Geliebte, die Zahnarzthelferin Maschula, von einem Tag zum anderen verschwindet, "rübermacht" in den Osten der geteilten Stadt. Heini folgt ihr und wird Bürger der DDR. Nach Jahren, inzwischen trägt er die Uniform der Volkspolizei, findet er Maschula endlich wieder; nur ist sie inzwischen verheiratet und heißt Marion Schwarz.
Dann folgt die Schlüsselszene dieses Schlüsselbuchs. Von seiner Dentalmuse abgewiesen, erträumt sich Paffrath ihren gewaltsamen Tod. Das hätte ein böses deutsches Märchenbild werden können, eine Kreuzung aus Ludwig und Gerhard Richter. Aber es wird nur ein "Tatort"- Idyll. "Steh auf, sagte der Polizist, der sich selbst zum Abschnittsbevollmächtigten beförderte. Maschula stand, zitterte. Lauf! Aber sie lief nicht. Sie war die Sonne und stand. Jetzt zog er die Pistole ... Der Vierkantschlüssel traf Maschula an Stirn Schläfe Hals. Ein knirschendes Brechen des Schädels träumte sich Paffrath herbei. Dann küßte er sie. MeineGutemeineLiebemeineSchöne. Dann hob er hinter dem Knallbeerbusch ein Grab aus. Mit bloßen Händen, so wie er es gelernt hatte, achtete weiter auf Tarnung, verwischte die Spuren. Heini senkte seine Sonne in die Erde."
Diese Prosa knüpft keine Zusammenhänge, sie hält sich ans Naheliegende. Aber was ihr nahekommt, verrutscht fast zwangsläufig ins Unscharfe, als wäre sie kurz- und weitsichtig zugleich. Stirn, Schläfe oder Hals, das ist einerlei, ein bloßes Gewebe aus Worten, so wie die lyrische Kadenz aus Sonne und Erde. Später, als Paffrath nach seiner Pensionierung das West-Berliner Viertel besucht, in dem er aufgewachsen ist, heißt es, er betrete "das Vineta seiner Biografie". Seine Wohnung im Osten, in Pankow, liegt in der Vinetastraße. Doch auch dieses Motiv bleibt folgenlos, denn das Verschüttete, im Mythos Vergrabene, ist kein Thema des Romans.
Ihren Tiefpunkt erreicht Kerstin Hensels Kunstsprache da, wo sie mit dem Namen des Helden kokettiert. "Paffrath pafft": Das grenzt, selbst unter der literarischen Erbengemeinschaft Thomas Manns, ans Ordinäre. Ein Leverkühn erkühnt sich nicht. Der Name spricht, oder er bleibt stumm. Bei Kerstin Hensel braucht er einen Schallverstärker.
Das Buch hat keinen Ausgang, es führt in einem Bogen zum Beginn der Geschichte zurück. Zuletzt liefert sich der pensionierte Polizist selbst auf dem Revier ab, in dem er jahrzehntelang gesessen hat. Sein Ankläger dürfte Mühe haben, einen Fall zu konstruieren, denn Paffrath hat gar zuwenig erlebt. Wo andere zeitgenössische Wortmaler des Historischen, ein Grass, ein Walser, ein Kumpfmüller, mitunter zu breit und dick auftragen, da wirkt Kerstin Hensels Roman allzu dünn gepinselt. Vor lauter Konzentration auf den gleichmäßigen Atem der Sätze geht ihm die erzählerische Puste aus. Sein Held ist weder Person noch Chiffre, sondern eine Gliederpuppe, in der die Autorin verschiedene Ideen zum deutschen Zwangscharakter vernäht hat. Sie hat nur vergessen, die Puppe zum Leben zu erwecken. "Leer geht aus die Allegorie", hat Walter Benjamin die Freunde der Bilderrätsel beschieden. Bei Kerstin Hensel ist es der Leser, der am Ende leer ausgeht.
ANDREAS KILB.
Kerstin Hensel: "Falscher Hase". Roman. Luchterhand Verlag, München 2005. 221 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schlüsseldienste: Kerstin Hensels allegorischer Jahrhundertroman
Literarische Allegorien sind eine undankbare Sache. Entweder versteht man sie zu leicht - dann wird der Rest der Handlung rasch langweilig und berechenbar. Oder sie sind schwer verständlich; dann verliert man irgendwann die Geduld mit ihnen und läßt das Rätsel auf sich beruhen, ganz gleich, was es bedeutet. Thomas Manns "Doktor Faustus" etwa scheint beide Nachteile in sich zu vereinen: Gleich am Anfang gibt sich das Buch als Schlüsselgeschichte über die deutsche Katastrophe zu erkennen, aber dann muß man doch bis zum Schluß lesen, um alle Schlösser öffnen zu können. Daß die Sache dennoch funktioniert, liegt natürlich an der sprachlichen Meisterschaft des Autors. Es liegt aber auch an der spielerischen Offenheit seiner Erzählung, daran, daß er die Allegorie nie ganz so ernst nimmt, wie er könnte, daß er den Mann im Mittelpunkt immer auch als Mensch behandelt statt bloß als wandelndes Zeichen und redende Figur.
Die Ost-Berliner Schriftstellerin Kerstin Hensel ist eine Spezialistin für Schlüsselgeschichten. Fast alle Romane und Erzählungen, die sie in den vergangenen fünfzehn Jahren geschrieben hat, handeln von allegorischen Figuren und Begebenheiten: einem Bären, der in einem Dorf im Erzgebirge hundert Jahre deutscher Geschichte miterlebt ("Im Spinnhaus"), einem brandenburgischen See, der von Wassergeistern und vulkanischen Kräften beherrscht wird ("Gipshut"), einer Adelsfrau aus Sachsen-Anhalt, die in der Stadt Leibnitz (sic!) realsozialistisch vor die Hunde geht ("Tanz am Kanal") und so fort.
Dabei hat sich noch keine der Geschichten Hensels zu einem deutschen Großroman ausgewachsen, denn im selben Maß, in dem sich die Autorin aufs zeittypisch Bedeutsame kapriziert, scheint ihr dessen Erhebung ins historisch Bedeutende zu widerstreben. Wann immer ihr ein Stoff zu groß wird, biegt sie ihn ins Anekdotische um. Es ist, als malte jemand lauter Hintergründe und Vignetten für ein Historiengemälde, ohne je zum eigentlichen Bildinhalt zu gelangen. Aber was von Mal zu Mal verschoben wird, muß deshalb nicht aufgehoben sein.
Der Held von Kerstin Hensels neuem Roman "Falscher Hase" heißt Paffrath, Heini Paffrath. Sein Vater, Heinrich Theodor Paffrath, ist Feuerwehrmann, der Sohn, nach gescheitertem Anlauf als Physikstudent, wird Volkspolizist der DDR. Kurz vor Weihnachten 1941, während die englische Luftwaffe Berlin bombardiert, kommt Heini in einer brennenden Wohnung am Tiergarten zur Welt, behütet vom Schaumstrahl eines Feuerlöschers, den der Vater höchstpersönlich erfunden hat und der den sprechenden Namen "Venus" trägt. Paffrath, der Schaumgeborene, der von Venus Gebadete. Sein Leben lang wird Heini dem Trugbild vollkommener Liebe nachjagen, bis ihn die Kräfte seines Wahns verlassen und er sich mit einem selbstgelegten Feuer aus seiner Geschichte verabschiedet. Paffrath, der verspätete Ödipus, der Biedermann als Brandstifter.
So hängt sich ein Deutungsmuster ans andere, verkettet durch die zwangsweisen Wendungen einer Biographie, die immer knapp an den historischen Ereignissen vorbeischrammt, den Bombennächten, der Berlin-Blockade, dem Jahrzehnt der Halbstarken, dem Mauerbau und -fall. Die fünfziger Jahre erlebt Heini als lange Kinderkrankheit, von der ihm eine Allergie gegen Rockmusik und Röhrenjeans zurückbleibt. Sein Lieblingsgericht ist der titelgebende falsche Hase, den er, als verfrühter Gebißträger, mit falschen Zähnen zerkaut. Im August 1961 kommt Paffraths Psyche in Wallung, weil seine heimliche Geliebte, die Zahnarzthelferin Maschula, von einem Tag zum anderen verschwindet, "rübermacht" in den Osten der geteilten Stadt. Heini folgt ihr und wird Bürger der DDR. Nach Jahren, inzwischen trägt er die Uniform der Volkspolizei, findet er Maschula endlich wieder; nur ist sie inzwischen verheiratet und heißt Marion Schwarz.
Dann folgt die Schlüsselszene dieses Schlüsselbuchs. Von seiner Dentalmuse abgewiesen, erträumt sich Paffrath ihren gewaltsamen Tod. Das hätte ein böses deutsches Märchenbild werden können, eine Kreuzung aus Ludwig und Gerhard Richter. Aber es wird nur ein "Tatort"- Idyll. "Steh auf, sagte der Polizist, der sich selbst zum Abschnittsbevollmächtigten beförderte. Maschula stand, zitterte. Lauf! Aber sie lief nicht. Sie war die Sonne und stand. Jetzt zog er die Pistole ... Der Vierkantschlüssel traf Maschula an Stirn Schläfe Hals. Ein knirschendes Brechen des Schädels träumte sich Paffrath herbei. Dann küßte er sie. MeineGutemeineLiebemeineSchöne. Dann hob er hinter dem Knallbeerbusch ein Grab aus. Mit bloßen Händen, so wie er es gelernt hatte, achtete weiter auf Tarnung, verwischte die Spuren. Heini senkte seine Sonne in die Erde."
Diese Prosa knüpft keine Zusammenhänge, sie hält sich ans Naheliegende. Aber was ihr nahekommt, verrutscht fast zwangsläufig ins Unscharfe, als wäre sie kurz- und weitsichtig zugleich. Stirn, Schläfe oder Hals, das ist einerlei, ein bloßes Gewebe aus Worten, so wie die lyrische Kadenz aus Sonne und Erde. Später, als Paffrath nach seiner Pensionierung das West-Berliner Viertel besucht, in dem er aufgewachsen ist, heißt es, er betrete "das Vineta seiner Biografie". Seine Wohnung im Osten, in Pankow, liegt in der Vinetastraße. Doch auch dieses Motiv bleibt folgenlos, denn das Verschüttete, im Mythos Vergrabene, ist kein Thema des Romans.
Ihren Tiefpunkt erreicht Kerstin Hensels Kunstsprache da, wo sie mit dem Namen des Helden kokettiert. "Paffrath pafft": Das grenzt, selbst unter der literarischen Erbengemeinschaft Thomas Manns, ans Ordinäre. Ein Leverkühn erkühnt sich nicht. Der Name spricht, oder er bleibt stumm. Bei Kerstin Hensel braucht er einen Schallverstärker.
Das Buch hat keinen Ausgang, es führt in einem Bogen zum Beginn der Geschichte zurück. Zuletzt liefert sich der pensionierte Polizist selbst auf dem Revier ab, in dem er jahrzehntelang gesessen hat. Sein Ankläger dürfte Mühe haben, einen Fall zu konstruieren, denn Paffrath hat gar zuwenig erlebt. Wo andere zeitgenössische Wortmaler des Historischen, ein Grass, ein Walser, ein Kumpfmüller, mitunter zu breit und dick auftragen, da wirkt Kerstin Hensels Roman allzu dünn gepinselt. Vor lauter Konzentration auf den gleichmäßigen Atem der Sätze geht ihm die erzählerische Puste aus. Sein Held ist weder Person noch Chiffre, sondern eine Gliederpuppe, in der die Autorin verschiedene Ideen zum deutschen Zwangscharakter vernäht hat. Sie hat nur vergessen, die Puppe zum Leben zu erwecken. "Leer geht aus die Allegorie", hat Walter Benjamin die Freunde der Bilderrätsel beschieden. Bei Kerstin Hensel ist es der Leser, der am Ende leer ausgeht.
ANDREAS KILB.
Kerstin Hensel: "Falscher Hase". Roman. Luchterhand Verlag, München 2005. 221 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Enttäuscht zeigt sich Andreas Kilb von Kerstin Hensels jüngstem Roman, wieder eine allegorische Geschichte, wie er versichert, die vom Zweiten Weltkrieg quer durch die DDR-Geschichte bis zum Mauerfall führt. Wo andere Historienmaler - Kilb nennt Grass, Walser und Kumpfmüller - eher zu dick auftrügen, wirke Hensels Roman leider zu dünn gepinselt, bedauert er. Vor einem historischen Großroman scheine die Autorin zurückzuscheuen, denn immer wenn ihr der Stoff zu groß werde, wende sie ihn ins Anekdotische, stellt Kilb fest. So kette sich Szene an Szene, Bedeutungsmuster an Bedeutungsmuster, ohne jemals zum Kern, zu einer inhaltlichen Aussage vorzudringen. Hensels Kunstsprache knüpft, für Kilb bezeichnend, keine Zusammenhänge, sondern verlegt sich aufs Naheliegende, wobei sie häufig ins Unscharfe abrutscht, bemängelt Kilb. Hensels Protagonist - ein Volkspolizist, der dem Trugbild der wahren Liebe nachjagt - ist dem Rezensenten viel zu kontur-, zu fleischlos, "weder Person noch Chiffre", schreibt Kilb, eine leblose "Gliederpuppe", der Hensel ihre Ideen zum deutschen Zwangscharakter eingenäht hätte.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Kerstin Hensels Romane sind richtige Schätze: Sie bewahren - mit großer sprachlicher Präzision - Geschichten aus unserer Geschichte, die nur sie erzählen kann und die unter keinen Umständen verlorengehen dürfen." (Die Welt)