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Er wütete und tobte, trank und frönte dem Exzess - doch vom übermächtigen Vater vermochte sich Michael Mann, genannt Bibi, sein Leben lang nicht zu befreien. Meisterhaft erzählt Michael Degen das Leben des ebenso exzentrischen wie hochbegabten jüngsten Sohnes von Thomas Mann: seine Kindheit im lieblosen Elternhaus, im kalten Zauber des Großschriftstellers, die Jugendjahre im Schweizer Exil, wo er seiner zukünftigen Frau Gret Moser begegnet, seine internationale Karriere als Bratschist. Dann ein plötzlicher Bruch - Michael Mann wird Professor für Germanistik in Berkeley und widmet sich bald dem…mehr

Produktbeschreibung
Er wütete und tobte, trank und frönte dem Exzess - doch vom übermächtigen Vater vermochte sich Michael Mann, genannt Bibi, sein Leben lang nicht zu befreien. Meisterhaft erzählt Michael Degen das Leben des ebenso exzentrischen wie hochbegabten jüngsten Sohnes von Thomas Mann: seine Kindheit im lieblosen Elternhaus, im kalten Zauber des Großschriftstellers, die Jugendjahre im Schweizer Exil, wo er seiner zukünftigen Frau Gret Moser begegnet, seine internationale Karriere als Bratschist. Dann ein plötzlicher Bruch - Michael Mann wird Professor für Germanistik in Berkeley und widmet sich bald dem Werk seines Vaters, um dessen Zuneigung er stets vergeblich gebuhlt hatte. Mit nur siebenundfünfzig Jahren stirbt er an einer fatalen Mischung von Alkohol und Schlafmitteln. Als die greise Mutter Katia von seinem mutmaßlichen Freitod erfährt, meint sie nur: "Er hat ja eigentlich nicht alt werden wollen." Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. Michael Mann konnte nie aus dem Schatten seines Vaters treten. "Familienbande" erzählt sein Leben als Geschichte eines stillen Machtkampfes, eines Daseins, das im Bann allzu großer Talente und Einflüsse zerstört wird. Ein starker, opulenter und anrührender Roman über die Familie Mann - von Bestsellerautor Michael Degen.
Autorenporträt
Degen, Michael
Michael Degen, 1932 in Chemnitz geboren, Schauspieler und Schriftsteller, überlebte den Nationalsozialismus mit seiner Mutter im Berliner Untergrund. Nach dem Krieg absolvierte er eine Ausbildung am Deutschen Theater in Berlin. Er trat an allen großen deutschsprachigen Bühnen auf und arbeitete mit Regisseuren wie Ingmar Bergman, Peter Zadek und George Tabori zusammen. Seine Autobiographie «Nicht alle waren Mörder» (1999) wurde zum Bestseller, es folgten deren zweiter Teil, «Mein heiliges Land» (2007), und der Roman «Familienbande» (2011) über Michael Mann, den jüngsten Sohn der Familie Mann.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2011

Roman eines Einsamen

Einst spielte er den Bendix Grünlich in einer Verfilmung der "Buddenbrooks". Nun gibt der Schauspieler Michael Degen dem ungeliebten Sohn Michael Mann eine Stimme im Roman.

Kinder haben keinen Anspruch darauf, von ihren Eltern geliebt zu werden. Die Natur hat es indes so eingerichtet, dass sich der Beschützerinstinkt in aller Regel von selbst einstellt. Was aber, wenn ein Vater wie Thomas Mann seinem Tagebuch anvertraut, nur "Fremdheit, Kälte, ja Abneigung" gegenüber einem seiner Kinder zu empfinden, und er, in nüchterner Selbstbeobachtung, für dieses "bei Weitem nicht die Zärtlichkeit aufbringt" wie für dessen Geschwister?

Es ist menschlich, dass elterliche Zuwendung nicht gleichbleibend stabil ist und bei mehreren Kindern auch unterschiedlich verteilt wird. Gleichwohl verfügen Kinder über ein ausgeprägtes Sensorium und einen entsprechenden Gerechtigkeitssinn, so dass empfundene Benachteiligung und erst recht Ablehnung sehr häufig zu Minderwertigkeitsgefühlen führen. Das Thomas-Mann-Zitat bezieht sich auf das jüngste der sechs Kinder, Michael, genannt Bibi, der seine Rolle als Nesthäkchen der Schriftsteller-Familie nie hat überzeugend spielen können oder wollen.

Ihm hat der Schauspieler und Schriftsteller Michael Degen einen Roman mit dem klug gewählten Titel "Familienbande" gewidmet. Degen ist mit dem gewaltigen Thomas-Mann-Komplex vertraut. Er spielte in der Verfilmung der "Buddenbrooks" fürs Fernsehen aus dem Jahr 1979 unnachahmlich Bendix Grünlich. Auch wenn der Begriff der Bande an sich in einen anderen, weniger intellektuell geprägten Kontext gehört, so hält auch diese Familienbande die typischen Strukturen mit Ausrichtung auf ein unanfechtbares Oberhaupt bereit. Für seine Familie war Thomas Mann, offenbar mit magischen Fähigkeiten ausgestattet, der "Zauberer". Als dieser bildet er gewissermaßen die Romanachse, an der sich Michaels Leben vor den Augen des Lesers entfaltet. Das Buch beginnt im Jahr 1919 mit dessen Geburt in München, begleitet diesen auf seinem Weg durch die Schweiz, nach England und Amerika und endet schließlich mit seinem Freitod in der Neujahrsnacht des Jahres 1977 in der Nähe von San Francisco.

Thomas Manns Werk und autobiographische Zeugnisse, zumal die verletzenden Tagebuch-Passagen, dienen Degen als Begründung von Michaels Vater-Komplex. Die Frage nach Dichtung und Wahrheit spielt für den Roman eine ebenso marginale Rolle wie der Klatsch und Tratsch rund um die Familie. Das sollte man bei der Lektüre stets im Hinterkopf behalten. Im Zentrum des Buches steht der strukturelle Familienzusammenhalt als Kipp-Phänomen familiärer Bande, die zwar einerseits Halt geben, aber andererseits auch die Luft zum Atmen und zuweilen sogar die Lust am Leben nehmen können.

Degen flicht bekannte Anekdoten wie Michaels nicht selten gewalttätige Zornausbrüche ebenso geschickt in die Romanhandlung ein wie schon früh vorhandene suizidale Neigungen, die immer auch einen Hang zur Theatralik aufwiesen: Das Kapitel über Michaels bestandene Aufnahmeprüfung am Züricher Konservatorium endet nicht mit dem erhofften elterlichen Zuspruch. Stattdessen fordert die Mutter Katia ihren Jüngsten auf, dem Vater von dem "großen Erfolg" zu berichten. "Er wird darüber erleichtert sein. Bisher hattest du uns in der Hinsicht ja nicht viel zu bieten." Gelähmt von dieser "gefühllosen Kälte", legt sich Michael mit einer Überdosis Tabletten ins Bett und ist geradezu von der Idee beseelt, wie man ihn vorfinden würde, wie der Übervater auf ihn zustürzt und ihm "liebevolle, tröstliche Worte" zuspricht. Man findet den Jungen rechtzeitig, aber die Worte sind wie gewohnt harsch. Der Vater schilt ihn nur ob seiner Dummheit, "ein kaum angefangenes Leben wegzuwerfen".

Ob diese Szene sich im Einzelnen so zugetragen hat, ist ungewiss. In ihrer Ausschmückung dürfte sie sich der Degenschen Phantasie verdanken. Das gilt auch für eine weitere, sehr viel spätere Unterredung zwischen Mutter und Sohn, die den grausamen Höhepunkt des Romans bildet: Wie ein glühender Dorn bohren sich die Worte der verwitweten Katia in die noch immer offene Wunde. Der Schmerz wird noch einmal manifest, die erneute Traumatisierung scheint den Sohn endgültig zu stigmatisieren: "Du willst doch nicht etwa Schriftsteller werden? Glaubst Du, jetzt, wo Dein Vater tot ist, eine Chance zu haben? Da irrst du Dich." Und, nach einer Atempause, holt sie zum verbalen Todesstoß aus: "Dein Vater wird auch dann noch am Leben sein, wenn längst niemand mehr weiß, dass es Nachkommen von ihm gegeben hat."

Michael Degen hat keinen klassischen psychologischen Roman geschrieben. Er begnügt sich nicht damit, zu schildern, wie sein Held nach gesellschaftlicher Anerkennung sucht. "Familienbande" ist ein tiefenpsychologischer Roman, und zwar, das ist das Bemerkenswerte daran, ohne dabei zu psychologisieren. Dass die Wahrheit oft noch beklemmender war als die von Degen ausgewählten und literarisierten Details, zeigt etwa die Geschichte der Meningitis, an der in Wahrheit nicht Frido, sondern Michael selbst als Jugendlicher erkrankt war. Die Erkrankung hatte ihm offenbar auch psychisch stark zugesetzt, so dass er kurz nach seiner Genesung in einem irgendwie entrückten Zustand seinem kleinen Hund die Kehle durchschnitt, was sein Vater schlicht auf "Champagner-Exzess" zurückführte. Dass es sich bei Michaels Tat um eine Nachahmung der frühen Mannschen Erzählung "Tobias Mindernickel" gehandelt haben könnte, in der Mindernickel in einem Anfall von Wahnsinn seinen geliebten Hund auf ebendiese Weise umbringt, darauf war der Vater offenbar gar nicht gekommen. Vielleicht war Degen diese Geschichte zu plakativ erschienen, so dass er sie für sein Buch nicht ausgeschlachtet hat.

Bei aller unaufdringlichen Tiefenschärfe, die den Roman im Ganzen auszeichnet, ist es ein umso größeres Ärgernis, dass ausgerechnet der Einstieg einigermaßen misslungen ist. Der Ton ist schnöselig bis schrill, die Einfälle sind unpassend und übertrieben. So spricht der Erzähler in einer derart gestelzten Art und Weise, dass man das Buch am liebsten wieder weggelegt hätte: Der gerade geborene Sohn sei "von Beginn an nicht sehr erbaut" darüber gewesen, "dass man ihn in diese Welt geworfen hatte" - und dies "unter Beihilfe" seiner Eltern. Der später als durchgängig distanziert geschilderte Vater wird infantilisiert, indem es heißt, dieser hätte sich am liebsten zum permanent brüllenden "Söhnchen ins Bett gelegt und auf ähnliche Weise gestrampelt". Derweil die Roman-Katia nur damit beschäftigt war, Michaels "ausgeprägtes Geschlecht" zu betrachten. Das "widerliche Geschöpf" von "geradezu grotesker Hässlichkeit" indes "beäugte" seine Eltern weiterhin "misstrauisch" und "verbrüllte fast sein ganzes Babydasein". Mit einem "wie auch immer" endet dieses unglaubwürdige Gerede zum Glück schon bald und Degen findet zu einem dem Gegenstand angemessenen Ton.

Michael lässt sich nach dem Tod des Vaters von dem mütterlichen "Rat", sich nicht noch einmal neu zu erfinden, nicht abhalten. Im Alter von achtunddreißig Jahren nimmt er in Harvard das Germanistik-Studium auf und wird Professor für Neuere Deutsche Literatur in Berkeley. Wie in einem letzten Akt der Selbstermächtigung macht er sich daraufhin an die Edition der väterlichen Tagebücher. Nun hatte er es schwarz auf weiß, dass er schon immer ein ungeliebtes Kind war. Es wurde gelegentlich die Auffassung geäußert, dass Michael sich aus Kummer darüber umgebracht habe. Dass sich allerdings ein Siebenundfünfzigjähriger wirklich das Leben nimmt, weil er nun liest, was er ohnehin schon zeit seines Lebens wusste, scheint nicht sehr plausibel. Vielleicht aber hat die Lektüre das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht und bei Michael den tragisch endenden Kurzschluss ausgelöst.

Manch ein Thomas-Mann-Forscher konnte den von da an im Raum stehenden Vorwurf an den "Zauberer" schwer auf sich beruhen lassen, ein apologetischer Gestus verdeckt dabei oft die offenkundigen Defizite. So handelt etwa Hermann Kurzke in seiner Biographie "Thomas Mann. Das Leben als Kunstwerk" (1999) die Selbstmorde der beiden Söhne Klaus und Michael sowie die psychischen Krisen von Golo und Monika im Kapitel "Familie, auch kein Spaß" ab, mit Behauptungen wie, Thomas Mann sei "das Scheusal nicht, das manche in ihm sehen wollten". In Bezug auf die möglichen Gründe für Michaels Suizid heißt es bei Kurzke lapidar: "So schlimm kann es eigentlich nicht gewesen sein." Wie schlimm es tatsächlich war, kann niemand wissen. Wie schlimm es indes gewesen sein könnte, erfährt man auf lesenswerte Weise in Michael Degens Roman eines lebenslänglich Anerkennungslosen.

FRIEDERIKE REENTS

Michael Degen: "Familienbande". Roman.

Rowohlt Verlag, Berlin 2011. 480 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Wirklichkeit war schlimmer. Soviel weiß Friederike Reents über das Leben des ungeliebten Thomas-Mann-Sohnes Michael. Die Lektüre des Romans von Michael Degen verhilft ihr dennoch zu Einsichten, die allein die Lektüre der Tagebücher Thomas Manns nicht hergeben. Vielleicht gerade deswegen, weil sich der Autor um die Frage nach Dichtung und Wahrheit nicht schert, wie Reents feststellt, und sich häufig genug auf seine Vorstellungskraft verlässt. Nach anfänglichen stilistischen Unsicherheiten kommt das Buch zu einer tiefenpsychologischen Finesse, die die Rezensentin die Qualen eines lebenslänglich Annerkennungslosen unaufdringlich nachvollziehen lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein intensives, bewegendes, ungeschöntes Buch über die Familie Mann. Münchner Merkur