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Produktdetails
  • btb
  • Verlag: btb
  • Originaltitel: One True Thing
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 340g
  • ISBN-13: 9783442725588
  • ISBN-10: 3442725585
  • Artikelnr.: 08052108
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.1995

Die Seele der Seife
Anna Quindlen bucht die Stunden des Schicksals

Nach dem großen Erfolg ihres Debütromans in den Vereinigten Staaten hat die Journalistin und Pulitzerpreisträgerin Anna Quindlen, so steht es im Klappentext, ihren Job bei der New York Times an den Nagel gehängt, "weil sie sich ganz ihrer literarischen Arbeit widmen will". In Amerika scheren sich offenbar nur wenige um den kleinen Unterschied zwischen Unterhaltungsschriftstellerei und "literarischer" Betätigung im engeren Sinne, der uns auf dem alten Kontinent noch immer Kopfzerbrechen bereitet.

In der Neuen Welt zählen andere Kriterien, zum Beispiel die "ungewöhnliche moralische Eindeutigkeit", die Anna Quindlen von einem Kritiker ihrer eigenen Zeitung bescheinigt wurde. Wer möchte da noch kleinlich mäkeln, geht es doch um ein Thema, das - mehr noch als die ebenso publikumswirksamen Menschheitsgeißeln Aids und Kindesmißbrauch - jederzeit uns alle betreffen kann: Krebs.

Die Autorin dürfte mit ihrer Ich-Erzählerin nicht nur die Silbenzahl des Namens gemeinsam haben. Ellen Gulden, blitzgescheite und fügsame Tochter eines Literaturprofessors, bastelt in New York zielstrebig an ihrer journalistischen Karriere. Als bei ihrer Mutter Kate, einer Frau in den besten Jahren und "Die Seele des Ganzen" (so der deutsche Romantitel), ein unheilbares Krebsleiden diagnostiziert wird, kehrt Miss Gulden auf Wunsch des Vaters in das heimatliche Collegestädtchen zurück und übernimmt die häusliche Pflege.

In den wenigen Monaten bis zur erschütternden Endphase kommen die warmherzige Superhausfrau Kate und die mutig zupackende Mustertochter Ellen einander näher als je zuvor, arbeiten einerseits Werke der Weltliteratur von "Stolz und Vorurteil" bis "Anna Karenina" auf und andererseits die Familienneurose, die vorwiegend auf das Konto des übermächtigen, narzißtisch-intellektuellen Vaters und Ehemanns geht.

Später muß Ellen wegen Verdachts auf Sterbehilfe ins Gefängnis und vor Gericht. Natürlich winkt der Freispruch, denn schon im Prolog hat die Heldin ihr moralisch eindeutiges Bekenntnis abgelegt: Schuldig fühlt sie sich, weil sie nicht gewagt hat, die Mutter von ihren Qualen zu erlösen. Unter dem Eindruck der Erfahrung, die ihr Leben verändert hat, verabschiedet sie sich vom Journalismus und wird - nein, nicht Schriftstellerin, sondern Psychiaterin. Und tauscht zu guter Letzt den miesen Jugendfreund gegen einen charakterstarken Chirurgen ein.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß Anna Quindlen über die Trickkiste effektvollen Erzählens verfügt, als hätte sie bei ihrem Roman-Vater, Professor George Gulden, einen Kursus im Bestsellerschreiben belegt. So quadratisch, praktisch, frisch wirkt Ellen, das lebenstüchtige "Gulden Girl", daß die Autorin ihr und sich auch durch unfreiwillig komische Ausrutscher die Sympathien nicht verscherzt - wenn sie etwa die verblüffende Feminismus-Variante zum besten gibt, "daß es niemals unerheblich sein kann, irgendeinen der Teile zu verlieren, die einen zu einer Frau machen: eine Brust, eine Gebärmutter, ein Kind, einen Mann". Oder wenn sie den Noch-Liebhaber bei passender Gelegenheit sagen läßt: "Himmel, Arsch und Zwirn, diese Unterhaltung könnte aus jeder billigen Seifenoper stammen." Genau so ist es. KRISTINA MAIDT-ZINKE

Anna Quindlen: "Die Seele des Ganzen". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Annette Meyer-Prien. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1995. 366 S., geb., 39,80 DM.

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