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In seiner Heimat Jugoslawien zunächst heftig bekämpft, wurde Danilo Kis bald als einer der größten Erzähler der europäischen Nachkriegsliteratur anerkannt. Mit seinem einzigartigen literarischen Werk schrieb er gegen das Vergessen und den Tod an. In seiner Trilogie "Frühe Leiden", "Garten, Asche", "Sanduhr", die er selbst auch "Familienzirkus" nannte, hat er dem in Auschwitz ermordeten Vater und der Kultur Mitteleuropas ein Denkmal gesetzt. Seine "Enzyklopädie der Toten", die jetzt endlich in einer Neuübersetzung vorliegt, ist sein bekanntestes Buch geworden. Zu seinem 25. Todestag erscheinen…mehr

Produktbeschreibung
In seiner Heimat Jugoslawien zunächst heftig bekämpft, wurde Danilo Kis bald als einer der größten Erzähler der europäischen Nachkriegsliteratur anerkannt. Mit seinem einzigartigen literarischen Werk schrieb er gegen das Vergessen und den Tod an. In seiner Trilogie "Frühe Leiden", "Garten, Asche", "Sanduhr", die er selbst auch "Familienzirkus" nannte, hat er dem in Auschwitz ermordeten Vater und der Kultur Mitteleuropas ein Denkmal gesetzt. Seine "Enzyklopädie der Toten", die jetzt endlich in einer Neuübersetzung vorliegt, ist sein bekanntestes Buch geworden. Zu seinem 25. Todestag erscheinen seine wichtigsten Werke in einem Band - eine Einladung, diesen Autor immer wieder und immer neu zu lesen.
Autorenporträt
Danilo Ki, 1935 in Subotica als Sohn eines ungarischen Juden und einer Montenegrinerin geboren, zählt zu den bedeutendsten europäischen Autoren der Gegenwart. Er starb 1989 in Paris. Sein Werk umfasst Romane, Erzählungen, Gedichte und Essays. Neben dem Schreiben arbeitete Ki auch als Übersetzer aus dem Ungarischen, Französischen und Russischen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Gegen das Vergessen im doppelten Sinn empfiehlt Karl-Markus Gauß den serbischen Schriftsteller Danilo Kis, dessen wichtigste Bücher jetzt in einem Band auf Deutsch vorliegen. Dass der Autor nach einer kurzen Renaissance wiederum beinahe aus dem Blick des Lesers verschwunden ist, kann Gauß nicht begreifen. So wie der Autor in seinen Texten die Vaterfigur und mit ihr eine versunkene Welt (wieder-)entdeckt, jenseits von Nationalitäten, sollen wir, so wünscht es sich der Rezensent, diesen Autor entdecken, einen Autor, der laut Gauß auf künstlerisch überwältigende Weise und in präzisen Bildern ein Archiv der Erinnerung erschaffen hat, das untrennbar mit der Geschichte Mitteleuropas verbunden ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2015

Die Last der Erinnerung lässt sich nicht schultern

Danilo Kis wuchs zwischen vielen Kulturen auf. Trotzdem war das Rätsel der Herkunft nie sein Thema. Stattdessen hat er Grenzen und Zeiten überschritten, um Verschwundenen ein Denkmal zu setzen.

Der vermutlich aktuellste Autor dieser Zeiten, in denen Identitäre und selbsternannte Abendlandretter ihre Gespensterzüge veranstalten und der besitzstandswahrende ethnische Populismus in ganz Europa blüht, ist seit fünfundzwanzig Jahren tot. Denn niemand hätte wohl deren verquastes Weltbild so sehr ad absurdum geführt - wenn sie denn läsen! - wie die "ethnographische Rarität" Danilo Kis. Die Bezeichnung stammt von ihm selbst. Der Sohn eines ungarischen Juden und einer montenegrinischen Mutter wurde 1935 in Subotica geboren, das damals zu Jugoslawien gehörte und heute serbisch ist, im Verlauf seiner Geschichte aber auch schon mal königlich-ungarisch und österreichisch-ungarisch war und Jahrhunderte davor unter türkischer Hoheit stand.

Kis wusste also schon als Kind nicht, ob er nun ein Ungar, ein Montenegriner, ein Jugoslawe oder ein Jude sei, und um diese Frage hat er sich auch sein Leben lang nicht geschert. In der europäischen Literatur gibt es kaum treffendere Attacken auf Nationalismus und ethnische Sentimentalitäten als bei ihm. Nicht einmal ein jüdischer Autor wollte er sein, wenn auch sein Werk zu wesentlichen Teilen um den "verschwundenen" Vater kreist, der 1944 nach Auschwitz deportiert wurde und nicht zurückkam. Kis erfuhr also das Judentum schon früh wesentlich als Stigma, das zur Verfolgung führt, nicht als Wertesystem oder schützende Gemeinschaft. Er selbst entkam dem Lager nur deshalb, weil seine Mutter schon früh darauf bestanden hatte, dass er orthodox getauft wurde.

Für Kis als Leser wie als Autor hatte die Existenz als ethnographische Rarität vor allem die Konsequenz, dass nur Weltliteratur zählte. Im innerjugoslawischen Literaturstreit war dies für ihn, der in den fünfziger Jahren das noch ganz neue Fach Komparatistik studierte, durchaus ein Kampfbegriff gegen die aufkommenden ethnischen Literaturkonzepte im Vielvölkerstaat.

Weltliteratur war aber auch ein Anspruch an ihn selbst als Autor, und mit den Romanen "Garten, Asche" und "Sanduhr" sowie dem Erzählungsband "Ein Grabmal für Boris Davidowitsch" hat Kis wenigstens drei Bücher geschrieben, die in diesen Kanon gehören. Dass von seinem Werk auf Deutsch lange Zeit manches nur noch antiquarisch zu bekommen war, ist ein Manko, dem der Hanser Verlag nun dankenswerterweise mit dem Band "Familienzirkus" Abhilfe schafft, der die großen Romane und Erzählungen vereint. Er folgt dabei nicht der Chronologie des Erscheinens. Am Anfang steht die Geschichtensammlung "Frühe Leiden", die fünf Jahre später als "Garten, Asche" veröffentlicht wurde. Dieses Werk zählt nicht zu den stärksten des Autors, gehört aber natürlich zur Familientrilogie, die es inhaltlich eröffnet.

"Garten, Asche" ist dennoch das vielleicht schönste Buch von Danilo Kis, trotz der furchtbaren Geschichte, die es letztendlich erzählt. Die Eingangsszenen erinnern an Proust, ohne auch nur einen Moment epigonal zu sein. Leider ist die sehr schöne Übersetzung von Anton Hamm aus dem Jahr 1968 "von Blanka Stipetic und Brigitte Döbert vollständig durchgesehen und überarbeitet" worden, wie es in den Nachweisen heißt, und das hat dem Buch nicht gutgetan. Modernisierung der Übersetzung heißt hier vor allem Glättung und Vereinfachung, wodurch die Proustsche Qualität des Textes beeinträchtigt wird. Dennoch bleibt genug davon übrig, um zu ahnen, dass es sich bei diesem Roman um einen wirklichen Meilenstein der europäischen Literatur in der Mitte des letzten Jahrhunderts handelt.

Das trifft natürlich auch auf den formal sehr ambitionierten - und gelungenen - Roman "Sanduhr" zu, der vier verschiedene Erzählarten und -stränge miteinander verbindet. Er erzählt wiederum vor allem die Geschichte des Vaters - nun aber auf Basis eines Briefes, den dieser an Kiss Schwester Olga geschrieben hatte und der dem Autor erst 1967 in die Hände fiel. Die darin enthaltenen Anspielungen und Bezüge musste er sich erst langsam erschließen, und das konnte nur multiperspektivisch gelingen.

Im Hintergrund der Bücher dieses Autors steht immer das Lager - nicht nur Auschwitz, sondern ebenso der GULag. Davon handeln die "sieben Kapitel ein und derselben Geschichte", die in "Ein Grabmal für Boris Davidowitsch" erzählt wird. Hier geht es um das "umgedrehte Denken", um jene völlig absurden Geständnisse nach dem Muster der Moskauer Prozesse, wie man sie aus Koestlers großem Roman "Sonnenfinsternis" kennt. Kis, der seit Anfang der siebziger Jahre als Universitätslektor in Frankreich lebte, war entsetzt über die Borniertheit linker Studenten, die die Existenz des GULag negierten. In der "Heimat", sprich Jugoslawien, trugen ihm diese Erzählungen Attacken von der Seite einflussreicher Literaturwissenschaftler ein, weil er hier dokumentarische Techniken ebenso wie eine intertextuelle Verfahrensweise angewendet hatte. Damit bewies er ein Grad von literarischer Modernität, der offenbar das Fassungsvermögen mancher jugoslawischer Professoren und Literaturfunktionäre überstieg.

Der letzte Teil des Bandes, die "Enzyklopädie der Toten", ist von Katharina Wolf-Grießhaber vollständig neu übersetzt. Das ist sinnvoll, wenn man die alte Übersetzung von Ivan Ivanji aus dem Jahr 1986 danebenhält, die hier und da doch etwas angegangen wirkt. Kis hat formal niemals dasselbe Buch geschrieben; inhaltlich aber bleibt er seiner Obsession treu, den Verschwundenen ein Denkmal zu setzen, so auch hier. Auch darum gehören seine Bücher zur Weltliteratur, denn es kann inzwischen kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass "die Verschwundenen" die große emblematische Figur des zwanzigsten Jahrhunderts sind.

Im Band findet sich erstmals auf Deutsch die berühmte, knapp dreiseitige "Geburtsurkunde", die Kis 1983 als "kurze Autobiographie" geschrieben hat. Diesen Text hat der Oxforder Historiker Mark Thompson in einem an Roland Barthes erinnernden Verfahren detailliert untersucht und nach zwanzigjähriger Recherche zu einer großartigen Biographie des Autors ausgearbeitet, die 2013 bei Cornell University Press erschien (F.A.Z. vom 11. Juli 2013). Unter dem Titel "Geburtsurkunde" wird das Buch bei Hanser im Frühjahr nun auch auf Deutsch publiziert werden. Darauf darf man sich freuen.

JOCHEN SCHIMMANG.

Danilo Kis: "Familienzirkus". Die großen Romane und Erzählungen.

Hrsg. und mit einem Nachwort von Ilma Rakusa. Carl Hanser Verlag, München 2014. 907 S., geb., 34,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Grandioses Prosawerk." Karl-Markus Gauss, Neue Zürcher Zeiung, 14.03.15

"Eine seltsame Sprache, eine seltsame Zeit. Vor 25 Jahren starb der jugoslawische Dichter Danilo Kis. Bildreich und sinnlich führt er ein in die Welt des untergegangenen Jugoslawien." SWR-Bestenliste, 26.02.15

"Kis´Bücher gehören zur Weltliteratur." Jochen Schimmang, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.01.15

"Der 900-Seiten-Band mit den Romanen und Erzählungen von Danilo Kis ist eine großartige Einladung, diesen Autor wieder zu lesen und neu zu entdecken." Claus-Ulrich Bielefeld, Die Welt, 18.10.14

"Wie Mahnmale wider die Ungeheuerlichkeit des Vergessens, des Vergessenwollens nehmen sich Kis' hinterlassene Prosawerke aus: Wie hoch aufgerichtete Erinnerungstafeln in einer Gedächtnislandschaft, in der die Zeichen von Schuld und Verantwortung immer wieder von der Gleichgültigkeit der Geschichtslosen eingeebnet werden." Oliver vom Hove, Die Presse, 11.10.14

"Ein ästhetisches Monument, das in seiner genauen, sinnlichen Sprache etwas Zeitloses hat." Helmut Böttiger, Süddeutsche Zeitung, 27.10.14

"Ein dicker Band, an dem man sich festbeissen sollte." Andreas Breitenstein, Neue Zürcher Zeitung, 25.10.14

"Danilo Kis ist ein moderner Klassiker. Melancholie und tiefe Zweifel prägen seine Texte genauso wie ein hartnäckiger Funke Hoffnung. Es ist die unsterbliche Hoffnung eines Humanisten." Tobias Schwartz, Der Tagesspiegel, 23.11.14