Zwei Freundinnen in einem Opel Astra.
Ein Roadtrip in Europas 'Herz der Finsternis'.
Auf der Suche nach etwas, das Hoffnung verdammt nahekommt.
Als junge Mädchen waren sie unzertrennlich, obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten: Lejla, die Schamlose, Unbändige. Sara, die besonnene Tochter des Polizeichefs. Eine besondere Freundschaft, die plötzlich zerfällt wie das Land, in dem sie aufwachsen. 12 Jahre ist es her, als Sara Bosnien für ein besseres Leben verließ. 12 Jahre Funkstille, als ein Anruf sie in die Heimat zurückholt. Es wird kein harmloses Wiedersehen zweier Kindheitsfreundinnen, sondern eine verrückte Reise durch den Balkan nach Wien, immer tiefer hinein in die Abgründe der jugoslawischen Geschichte.
»Die Ferrante Bosniens« El País
Ausgezeichnet mit dem Literaturpreis der Europäischen Union 2020.
Ein Roadtrip in Europas 'Herz der Finsternis'.
Auf der Suche nach etwas, das Hoffnung verdammt nahekommt.
Als junge Mädchen waren sie unzertrennlich, obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten: Lejla, die Schamlose, Unbändige. Sara, die besonnene Tochter des Polizeichefs. Eine besondere Freundschaft, die plötzlich zerfällt wie das Land, in dem sie aufwachsen. 12 Jahre ist es her, als Sara Bosnien für ein besseres Leben verließ. 12 Jahre Funkstille, als ein Anruf sie in die Heimat zurückholt. Es wird kein harmloses Wiedersehen zweier Kindheitsfreundinnen, sondern eine verrückte Reise durch den Balkan nach Wien, immer tiefer hinein in die Abgründe der jugoslawischen Geschichte.
»Die Ferrante Bosniens« El País
Ausgezeichnet mit dem Literaturpreis der Europäischen Union 2020.
Mit einer Einzigartigkeit spielt Bastasic mit den einzelnen Sätzen und den Erzählstrukturen. Katrin Hesse literaturinitiative 20210628
Rezensent Norbert Mappes-Niediek hat dieser Roman über zwei ehemalige Freundinnen, die zusammen von Mostar nach Wien reisen, um den verschollenen Bruder der einen wiederzufinden, in seinen Bann gezogen: Über die Unterschiede zwischen den Frauen, die beide in Banja Luka aufgewachsen sind, bis die eine nach Dublin auswanderte, verhandelt das Buch die Unterschiede zwischen Ost und West, erzählt von unterschiedlich gelebter weiblicher Sexualität und unterschiedlichen Identitätsentwürfen, fasst der Kritiker zusammen. Die wilde Lejla bringt die europäisierte Sara dabei dem Rezensenten zufolge an ihre Grenzen und konfrontiert sie mit der Unordnung der Welt, die Sara lange verdrängt hat - eine Unordnung, in der laut Mappes-Niediek "alles wild gedeiht: Hass und Stumpfsinn, aber auch Liebe und Zärtlichkeit".
© Perlentaucher Medien GmbH
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In der Farbe vergessener Paprika
Lana Bastašić erzählt in ihrem Debüt „Fang den Hasen“ von einer Frau, die von ihrer Kindheit in Bosnien eingeholt wird. Hautnah und atmosphärisch
Der Titel dieses Romans klingt wie ein Kinderspiel, wie etwas Einfaches und Vergnügliches. Aber das ist schon einer der Irrwege, auf die Lana Bastašić mit ihrem Romandebüt „Fang den Hasen“ führt. Man liest es genau deshalb mit wachsender Spannung. Das Bild dieses „Hasen“ ist mehrdeutig und wird im Lauf des Romans immer magischer. Erst wenn man am Schluss angekommen ist, wird klar, welche doppelten Böden die Autorin von Anfang an eingezogen hat. Ihr Roman verbindet fast unmerklich gesellschaftspolitische Umbrüche und subjektive Erfahrungen, dabei schafft sie eine brodelnde Atmosphäre, in der in jedem Moment etwas Unvorhergesehenes passieren kann.
Die Hauptfigur und Ich-Erzählerin Sara ist in Banja Luka aufgewachsen, zur Zeit des Bürgerkriegs auf dem Balkan. Sie hat den Übergang vom ehemaligen Jugoslawien zu dem neuen Staatsgebilde Bosnien aus der Kinderperspektive erlebt, und dieses Lebensgefühl des Übergangs, des Dazwischenstehens ist wesentlich für sie. Sie kann weder dem Früher noch dem Heute viel abgewinnen und lebt bereits seit einigen Jahren als Übersetzerin in Dublin. Mit ihrer Vergangenheit scheint sie endgültig abgeschlossen zu haben. Der Roman setzt ein, als sie den Anruf einer unbekannten Nummer annimmt. Ihre Kindheitsfreundin Lejla ist am Telefon, zu der sie seit zwölf Jahren keinen Kontakt mehr hat. Das setzt eine schwindelerregende Exkursion in ihre Balkanidentität in Gang. Schon die Selbstverständlichkeit, mit der Lejla aus heiterem Himmel verlangt, Sara solle sie sofort in Mostar in Bosnien abholen und sie nach Wien fahren, katapultiert die Ich-Erzählerin zurück in eine Welt, die sie überwunden zu haben glaubte. Trotz ihrer Abwehr überträgt sich sofort etwas Unheimliches, eine Elena-Ferrante-hafte Bindung, etwas Zwiespältiges und Bedrängendes. Und obwohl Sara sofort auflegt: Die Stimme aus der Vergangenheit erreicht sie wieder, und als Lejla dann wie ein Codewort den Namen Armin ausspricht, bucht Sara sofort einen überteuerten Flug nach Zagreb und nimmt die beschwerliche siebenstündige Busfahrt von dort nach Mostar auf sich.
Lana Bastašić erzählt in kurzen, grell beleuchteten Szenen. Unvermittelt werden Personen und Motive angerissen, von denen man nur ahnt, dass sie später eine unbestimmte und starke Bedeutung bekommen. Dabei springt die Autorin zwischen der Gegenwartsebene, der Reise nach Mostar und nach Wien und fragmentarischen Erinnerungen an die Schul- und Universitätszeit ihrer beiden Figuren in Bosnien hin und her. Sara registriert mit Schaudern, wie sehr die Herkunft immer noch in ihr arbeitet. Als sie Lejla wiedersieht, ist ihr die Freundin zutiefst fremd und vertraut zugleich – eine Kellnerin in einheimischer Tracht, die unentwegt Touristen anzulocken versucht und nach der Arbeit in ein fast schlampig anmutendes Outfit wechselt. Sara spürt: Lejla wird ihr „Europa ausziehen wie einer Neureichen den Pelzmantel und die Narben des Balkans schamlos an die Öffentlichkeit zerren.“
Armin, so stellt sich nach einiger Zeit wie beiläufig heraus, ist Lejlas Bruder. Um ihn schwebt eine Bedeutung, die nie richtig aufgelöst werden wird. Dass Sara der Aufforderung folgt, in ihr verhasstes Kindheitsland zurückzukehren, hat offenkundig etwas damit zu tun. In scharfen Momentaufnahmen konfrontiert die Autorin Saras Alltag in Dublin mit ihrem früheren Leben in Banja Luka. Sie nimmt es als Bedrohung wahr, dass sie allmählich wieder in ihre alte Sprache und ihre alte Haut hineinfindet. Dieses Leben betrifft sie weitaus mehr als ihr cooles, aber doch überschaubares und harmloses irisches Leben.
Saras Bindung an die Heimat erinnert zuweilen an Thomas Bernhard, aber Bastašićs Sätze sind kürzer, rotziger. Der Balkan ist für sie vor allem eine Farbe: „Ein schwerer Grünton, wie vergessene Paprika, trocken und runzelig, die niemand mehr isst. Ein schales Braun, das sich weiterschlängelt wie ein toter Fluss nach der Apokalypse. Die Farbe einer Mumie, durch Maden von innen zerfressen.“ Es sitzt alles tief, man wird es nicht mehr los. Die Sprache, die sie wieder zu sprechen gezwungen ist, wirkt, als würde sie sich nach Jahren der Entwöhnung wieder „im Raucherbereich“ aufhalten. Auch Lejla strahlt diese Atmosphäre aus, und ihre manipulative Durchsetzungsfähigkeit in der Gegenwart steht raffiniert collagiert neben den Rückblenden, in denen der intime Charakter der Freundschaft der Frauen aufscheint.
Der jugoslawische Bürgerkrieg bildet in der Erinnerung eher eine Art Hintergrundrauschen, er wird fast nie direkt thematisiert. Aber seine Auswirkungen sind umso stärker. Lejla stammt aus einer muslimischen Familie, Sara aus einer serbisch-orthodoxen, und dieser Unterschied beginnt, sich wie ein Schleier über alles zu legen. Die politische und die persönliche Geschichte vermischen sich auf beklemmende Weise. Die Figur Armins, der vier Jahre älter ist, taucht nur in wenigen einprägsamen Sehnsuchtsbildern auf. Es sind die einzigen zärtlichen, zugewandten Momente, an die sich Sara überhaupt erinnert. Sie war erst zwölf, als Armin plötzlich nicht mehr da war. Seine Anziehung kontrastiert mit ernüchternden Szenen, in denen die sexuellen Beziehungen der beiden Freundinnen geschildert werden. Darin, wie desillusioniert sie sind, ergänzen sie sich auf unvorhergesehene Weise.
Armin steht für etwas Unerlöstes, und zwar in einer raffinierten Überblendung mit den serbisch-muslimischen Auseinandersetzungen. Sein Verschwinden hängt mit dem Krieg zusammen. Es gibt eine entscheidende Szene am Meer, die mit der Nennung seines Namens zu tun hat und einen ersten Bruch in der Beziehung zwischen den Freundinnen herbeiführt. Doch jede Nacherzählung klänge falsch. Das, was passiert, wird nie direkt beschrieben, sondern durch prägnante Beschreibungen einzelner Situationen und Details hautnah evoziert. Die Momente haben ein allegorisches Potenzial, sie werden festgehalten wie poetische Bilder, die nie ganz aufzulösen sind. Spielende Kinder auf einer penibel gepflegten österreichischen Wiese etwa, mit einer verstörenden Schlussvolte. Der Kuss, den Sara dem steinernen Partisanen eines Kriegerdenkmals gibt. Oder die Papierpuppen, die die Kinder zum ersten Schultag mitbringen müssen, und Lejlas ist anders als die der anderen.
Dies alles erzeugt eine ganz eigene Sphäre, die das zeitgeschichtlich aufgeladene Geschehen durchdringt. Der Bruder Armin, der weiße Hase, den die beiden Freundinnen nach der Abschlussprüfung in einer bizarren Szene auf dem Markt ergattern, die bosnische „Finsternis“, die unvermeidlich in den „Blutkreislauf“ einsickert – das alles wird zu einem besonderen literarischen Raum. Er entwickelt ein Kraftfeld, dem man sich nicht entziehen kann. Ein verblüffend poetisches, politisches Buch.
HELMUT BÖTTIGER
Jede Nacherzählung klänge
falsch, es wird nie direkt
beschrieben, was hier passiert
Lana Bastašić:
Fang den Hasen.
Roman. Aus dem Bosnischen
von Rebekka Zeinzinger.
S. Fischer,
Frankfurt am Main 2021.
335 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Lana Bastašić erzählt in ihrem Debüt „Fang den Hasen“ von einer Frau, die von ihrer Kindheit in Bosnien eingeholt wird. Hautnah und atmosphärisch
Der Titel dieses Romans klingt wie ein Kinderspiel, wie etwas Einfaches und Vergnügliches. Aber das ist schon einer der Irrwege, auf die Lana Bastašić mit ihrem Romandebüt „Fang den Hasen“ führt. Man liest es genau deshalb mit wachsender Spannung. Das Bild dieses „Hasen“ ist mehrdeutig und wird im Lauf des Romans immer magischer. Erst wenn man am Schluss angekommen ist, wird klar, welche doppelten Böden die Autorin von Anfang an eingezogen hat. Ihr Roman verbindet fast unmerklich gesellschaftspolitische Umbrüche und subjektive Erfahrungen, dabei schafft sie eine brodelnde Atmosphäre, in der in jedem Moment etwas Unvorhergesehenes passieren kann.
Die Hauptfigur und Ich-Erzählerin Sara ist in Banja Luka aufgewachsen, zur Zeit des Bürgerkriegs auf dem Balkan. Sie hat den Übergang vom ehemaligen Jugoslawien zu dem neuen Staatsgebilde Bosnien aus der Kinderperspektive erlebt, und dieses Lebensgefühl des Übergangs, des Dazwischenstehens ist wesentlich für sie. Sie kann weder dem Früher noch dem Heute viel abgewinnen und lebt bereits seit einigen Jahren als Übersetzerin in Dublin. Mit ihrer Vergangenheit scheint sie endgültig abgeschlossen zu haben. Der Roman setzt ein, als sie den Anruf einer unbekannten Nummer annimmt. Ihre Kindheitsfreundin Lejla ist am Telefon, zu der sie seit zwölf Jahren keinen Kontakt mehr hat. Das setzt eine schwindelerregende Exkursion in ihre Balkanidentität in Gang. Schon die Selbstverständlichkeit, mit der Lejla aus heiterem Himmel verlangt, Sara solle sie sofort in Mostar in Bosnien abholen und sie nach Wien fahren, katapultiert die Ich-Erzählerin zurück in eine Welt, die sie überwunden zu haben glaubte. Trotz ihrer Abwehr überträgt sich sofort etwas Unheimliches, eine Elena-Ferrante-hafte Bindung, etwas Zwiespältiges und Bedrängendes. Und obwohl Sara sofort auflegt: Die Stimme aus der Vergangenheit erreicht sie wieder, und als Lejla dann wie ein Codewort den Namen Armin ausspricht, bucht Sara sofort einen überteuerten Flug nach Zagreb und nimmt die beschwerliche siebenstündige Busfahrt von dort nach Mostar auf sich.
Lana Bastašić erzählt in kurzen, grell beleuchteten Szenen. Unvermittelt werden Personen und Motive angerissen, von denen man nur ahnt, dass sie später eine unbestimmte und starke Bedeutung bekommen. Dabei springt die Autorin zwischen der Gegenwartsebene, der Reise nach Mostar und nach Wien und fragmentarischen Erinnerungen an die Schul- und Universitätszeit ihrer beiden Figuren in Bosnien hin und her. Sara registriert mit Schaudern, wie sehr die Herkunft immer noch in ihr arbeitet. Als sie Lejla wiedersieht, ist ihr die Freundin zutiefst fremd und vertraut zugleich – eine Kellnerin in einheimischer Tracht, die unentwegt Touristen anzulocken versucht und nach der Arbeit in ein fast schlampig anmutendes Outfit wechselt. Sara spürt: Lejla wird ihr „Europa ausziehen wie einer Neureichen den Pelzmantel und die Narben des Balkans schamlos an die Öffentlichkeit zerren.“
Armin, so stellt sich nach einiger Zeit wie beiläufig heraus, ist Lejlas Bruder. Um ihn schwebt eine Bedeutung, die nie richtig aufgelöst werden wird. Dass Sara der Aufforderung folgt, in ihr verhasstes Kindheitsland zurückzukehren, hat offenkundig etwas damit zu tun. In scharfen Momentaufnahmen konfrontiert die Autorin Saras Alltag in Dublin mit ihrem früheren Leben in Banja Luka. Sie nimmt es als Bedrohung wahr, dass sie allmählich wieder in ihre alte Sprache und ihre alte Haut hineinfindet. Dieses Leben betrifft sie weitaus mehr als ihr cooles, aber doch überschaubares und harmloses irisches Leben.
Saras Bindung an die Heimat erinnert zuweilen an Thomas Bernhard, aber Bastašićs Sätze sind kürzer, rotziger. Der Balkan ist für sie vor allem eine Farbe: „Ein schwerer Grünton, wie vergessene Paprika, trocken und runzelig, die niemand mehr isst. Ein schales Braun, das sich weiterschlängelt wie ein toter Fluss nach der Apokalypse. Die Farbe einer Mumie, durch Maden von innen zerfressen.“ Es sitzt alles tief, man wird es nicht mehr los. Die Sprache, die sie wieder zu sprechen gezwungen ist, wirkt, als würde sie sich nach Jahren der Entwöhnung wieder „im Raucherbereich“ aufhalten. Auch Lejla strahlt diese Atmosphäre aus, und ihre manipulative Durchsetzungsfähigkeit in der Gegenwart steht raffiniert collagiert neben den Rückblenden, in denen der intime Charakter der Freundschaft der Frauen aufscheint.
Der jugoslawische Bürgerkrieg bildet in der Erinnerung eher eine Art Hintergrundrauschen, er wird fast nie direkt thematisiert. Aber seine Auswirkungen sind umso stärker. Lejla stammt aus einer muslimischen Familie, Sara aus einer serbisch-orthodoxen, und dieser Unterschied beginnt, sich wie ein Schleier über alles zu legen. Die politische und die persönliche Geschichte vermischen sich auf beklemmende Weise. Die Figur Armins, der vier Jahre älter ist, taucht nur in wenigen einprägsamen Sehnsuchtsbildern auf. Es sind die einzigen zärtlichen, zugewandten Momente, an die sich Sara überhaupt erinnert. Sie war erst zwölf, als Armin plötzlich nicht mehr da war. Seine Anziehung kontrastiert mit ernüchternden Szenen, in denen die sexuellen Beziehungen der beiden Freundinnen geschildert werden. Darin, wie desillusioniert sie sind, ergänzen sie sich auf unvorhergesehene Weise.
Armin steht für etwas Unerlöstes, und zwar in einer raffinierten Überblendung mit den serbisch-muslimischen Auseinandersetzungen. Sein Verschwinden hängt mit dem Krieg zusammen. Es gibt eine entscheidende Szene am Meer, die mit der Nennung seines Namens zu tun hat und einen ersten Bruch in der Beziehung zwischen den Freundinnen herbeiführt. Doch jede Nacherzählung klänge falsch. Das, was passiert, wird nie direkt beschrieben, sondern durch prägnante Beschreibungen einzelner Situationen und Details hautnah evoziert. Die Momente haben ein allegorisches Potenzial, sie werden festgehalten wie poetische Bilder, die nie ganz aufzulösen sind. Spielende Kinder auf einer penibel gepflegten österreichischen Wiese etwa, mit einer verstörenden Schlussvolte. Der Kuss, den Sara dem steinernen Partisanen eines Kriegerdenkmals gibt. Oder die Papierpuppen, die die Kinder zum ersten Schultag mitbringen müssen, und Lejlas ist anders als die der anderen.
Dies alles erzeugt eine ganz eigene Sphäre, die das zeitgeschichtlich aufgeladene Geschehen durchdringt. Der Bruder Armin, der weiße Hase, den die beiden Freundinnen nach der Abschlussprüfung in einer bizarren Szene auf dem Markt ergattern, die bosnische „Finsternis“, die unvermeidlich in den „Blutkreislauf“ einsickert – das alles wird zu einem besonderen literarischen Raum. Er entwickelt ein Kraftfeld, dem man sich nicht entziehen kann. Ein verblüffend poetisches, politisches Buch.
HELMUT BÖTTIGER
Jede Nacherzählung klänge
falsch, es wird nie direkt
beschrieben, was hier passiert
Lana Bastašić:
Fang den Hasen.
Roman. Aus dem Bosnischen
von Rebekka Zeinzinger.
S. Fischer,
Frankfurt am Main 2021.
335 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de