Produktdetails
- Verlag: Spektrum Akademischer Verlag
- ISBN-13: 9783827413833
- Artikelnr.: 24347452
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.01.2003Ein bunter Flickenteppich mit eingestickten Perlen
Die Einsicht, dass der Farbenlehre keine fundamentale Bedeutung zukommt, gehört zu den größten Erfolgen des reduktionistischen Erklärungsprogramms der exakten Naturwissenschaften. Farben sind keine primären Eigenschaften der Natur, sondern abgeleitete Phänomene. Soweit es die Entstehung, Ausbreitung und Absorption von Licht betrifft, ist mit der Theorie der Quantenelektrodynamik aus den dreißiger Jahren alles gesagt. Von jeder chemischen Substanz lassen sich seither sämtliche ihrer farblichen Eigenschaften exakt vorherbestimmen. Und die subjektive Wahrnehmung des Ausschnitts aus dem Spektrum der elektromagnetischen Strahlen, den wir als Farben sehen, hat die Neurophysiologie erschöpfend erklärt. Allein von der Biochemie und Verdrahtung der Nervenzellen können wir die Farbwahrnehmung jedes Tiers vorhersagen, einschließlich der Sinnestäuschungen und krankheitsbedingten Störungen.
Da mag es verwundern, dass jetzt, nach Abschluss dieser Erfolgsgeschichte, der renommierte Wissenschaftsverlag Spektrum noch einmal eine monumentale Farbenlehre vorlegt (Norbert Welsch und Claus Chr. Liebmann: Farben. Natur, Technik, Kunst. Heidelberg 2003. 434 Seiten, 49,95 Euro). Freilich geht es den Autoren nicht darum, eine alternative Wissenschaft zu begründen, die jenseits der Kälte des mechanistischen Forschungsprogramms unsere sinnliche Wahrnehmung wieder zum Fundament der Welterklärung machen wollte – was Goethe mit seiner „Farbenlehre” beabsichtigte und was schon damals wissenschaftlich obsolet war. Das Buch ist eine Anthologie der vielfältigen Aspekte der Farben, der naturwissenschaftlichen und der kulturellen. Es ist eine Bestätigung von Nancy Cartwrights „Patchwork”-Modell der Wissenschaften, demzufolge fundamentale Theorien nur einen geringen Nutzen bei allen wesentlichen Fragen haben. So wird uns ein Flickenteppich aus interessanten Wissensbrocken vorgesetzt – zur Physik, Chemie und Physiologie, aber auch zur Poesie der Farben oder über Claude Monets Wahrnehmung der „Japanischen Holzbrücke” (unser Bild), nachdem er an Grauem Star erkrankt war. Und auch die Bedeutung umgangssprachlicher Farbsymbole, die sich nicht aus der Quantentheorie erschließt, wird erklärt. Ach du grüne Neune!
ULRICH KÜHNE
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Die Einsicht, dass der Farbenlehre keine fundamentale Bedeutung zukommt, gehört zu den größten Erfolgen des reduktionistischen Erklärungsprogramms der exakten Naturwissenschaften. Farben sind keine primären Eigenschaften der Natur, sondern abgeleitete Phänomene. Soweit es die Entstehung, Ausbreitung und Absorption von Licht betrifft, ist mit der Theorie der Quantenelektrodynamik aus den dreißiger Jahren alles gesagt. Von jeder chemischen Substanz lassen sich seither sämtliche ihrer farblichen Eigenschaften exakt vorherbestimmen. Und die subjektive Wahrnehmung des Ausschnitts aus dem Spektrum der elektromagnetischen Strahlen, den wir als Farben sehen, hat die Neurophysiologie erschöpfend erklärt. Allein von der Biochemie und Verdrahtung der Nervenzellen können wir die Farbwahrnehmung jedes Tiers vorhersagen, einschließlich der Sinnestäuschungen und krankheitsbedingten Störungen.
Da mag es verwundern, dass jetzt, nach Abschluss dieser Erfolgsgeschichte, der renommierte Wissenschaftsverlag Spektrum noch einmal eine monumentale Farbenlehre vorlegt (Norbert Welsch und Claus Chr. Liebmann: Farben. Natur, Technik, Kunst. Heidelberg 2003. 434 Seiten, 49,95 Euro). Freilich geht es den Autoren nicht darum, eine alternative Wissenschaft zu begründen, die jenseits der Kälte des mechanistischen Forschungsprogramms unsere sinnliche Wahrnehmung wieder zum Fundament der Welterklärung machen wollte – was Goethe mit seiner „Farbenlehre” beabsichtigte und was schon damals wissenschaftlich obsolet war. Das Buch ist eine Anthologie der vielfältigen Aspekte der Farben, der naturwissenschaftlichen und der kulturellen. Es ist eine Bestätigung von Nancy Cartwrights „Patchwork”-Modell der Wissenschaften, demzufolge fundamentale Theorien nur einen geringen Nutzen bei allen wesentlichen Fragen haben. So wird uns ein Flickenteppich aus interessanten Wissensbrocken vorgesetzt – zur Physik, Chemie und Physiologie, aber auch zur Poesie der Farben oder über Claude Monets Wahrnehmung der „Japanischen Holzbrücke” (unser Bild), nachdem er an Grauem Star erkrankt war. Und auch die Bedeutung umgangssprachlicher Farbsymbole, die sich nicht aus der Quantentheorie erschließt, wird erklärt. Ach du grüne Neune!
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2003Die bunte Welt der Farben
Sehen, wahrnehmen und verstehen
Ob in der Natur, Technik oder Kunst - Farben sind überall gegenwärtig. Einem von Geburt an Blinden das Aussehen einer Farbe zu erklären und dabei Empfindungen auszulösen ist jedoch fast unmöglich. Denn das Phänomen ist selbst für Menschen mit gesundem Augenlicht schwer zu fassen. So wird physikalisch damit ein bestimmter Wellenlängenbereich im elektromagnetischen Spektrum des sichtbaren Lichts bezeichnet. Ein Gegenstand erscheint farbig, weil er das auftreffende Licht durchläßt, absorbiert oder reflektiert. Physiologisch wird Farbe dagegen definiert als Sinneswahrnehmung, die entsteht, wenn Licht von bestimmten Sehzellen in der Netzhaut aufgenommen wird und an den Cortex weitergeleitet wird. Dort entsteht dann das eigentliche Farbempfinden. Farben können beim Menschen die unterschiedlichsten Gefühle und Stimmungen auslösen, weshalb sie die Werbebranche bewußt als Signale verwendet. Pflanzen und Tiere verwenden Farben zur Tarnung sowie als Warn-, Reiz- und Locksignale. Diese und viele weitere faszinierende Aspekte werden ausführlich in dem Buch "Farben" von Norbert Welsch und Claus Chr. Liebmann behandelt. Die mehr als 130 Themen sind in vier Kapitel unterteilt. Die Geschichte der Farben, ihre Rolle in Sprache, Kunst und Kultur sowie die Farbenlehre werden ebenso beleuchtet wie die chemischen und physikalischen Hintergründe von Farbe und Licht. Der Leser lernt bei der Lektüre, wie Farbfernsehen, Farbfotografie, Leuchtdioden oder Laser funktionieren. Das reichlich illustrierte und allgemein verständliche Buch enthält 300 farbige Abbildungen.
mli
Norbert Welsch, Claus Chr. Liebmann: "Farben. Natur, Technik, Kunst". Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2003. 420 Seiten, 49,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sehen, wahrnehmen und verstehen
Ob in der Natur, Technik oder Kunst - Farben sind überall gegenwärtig. Einem von Geburt an Blinden das Aussehen einer Farbe zu erklären und dabei Empfindungen auszulösen ist jedoch fast unmöglich. Denn das Phänomen ist selbst für Menschen mit gesundem Augenlicht schwer zu fassen. So wird physikalisch damit ein bestimmter Wellenlängenbereich im elektromagnetischen Spektrum des sichtbaren Lichts bezeichnet. Ein Gegenstand erscheint farbig, weil er das auftreffende Licht durchläßt, absorbiert oder reflektiert. Physiologisch wird Farbe dagegen definiert als Sinneswahrnehmung, die entsteht, wenn Licht von bestimmten Sehzellen in der Netzhaut aufgenommen wird und an den Cortex weitergeleitet wird. Dort entsteht dann das eigentliche Farbempfinden. Farben können beim Menschen die unterschiedlichsten Gefühle und Stimmungen auslösen, weshalb sie die Werbebranche bewußt als Signale verwendet. Pflanzen und Tiere verwenden Farben zur Tarnung sowie als Warn-, Reiz- und Locksignale. Diese und viele weitere faszinierende Aspekte werden ausführlich in dem Buch "Farben" von Norbert Welsch und Claus Chr. Liebmann behandelt. Die mehr als 130 Themen sind in vier Kapitel unterteilt. Die Geschichte der Farben, ihre Rolle in Sprache, Kunst und Kultur sowie die Farbenlehre werden ebenso beleuchtet wie die chemischen und physikalischen Hintergründe von Farbe und Licht. Der Leser lernt bei der Lektüre, wie Farbfernsehen, Farbfotografie, Leuchtdioden oder Laser funktionieren. Das reichlich illustrierte und allgemein verständliche Buch enthält 300 farbige Abbildungen.
mli
Norbert Welsch, Claus Chr. Liebmann: "Farben. Natur, Technik, Kunst". Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2003. 420 Seiten, 49,95 Euro.
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