Farben sind optische Leitbilder, mit denen wir uns der physischen Welt ver sichern und ihr Bedeutung verleihen. Seit Newton die spektrale Brechung des Lichts nachgewiesen hat, ist Farbe kein greifbarer Bestandteil der wirklichen Natur mehr, sondern ein subjektiv erfahrenes Phänomen, das sich dem menschlichen Empfinden verdankt, aber auf physikalischen Ursachen beruht. Farbwahrnehmung stellt somit den Präzedenzfall des zerteilten Subjekts zwischen Physis und Psyche dar. Indem wir ihren Eindruck auf Auge und Gehirn zurückführen, ist Farbexistenz ebenso wenig erläutert, wie die Annahme verkehrt sein muss, sie verdanke sich allein dem menschlichen Eindruck. Die Welt ist auch farbig ohne unsere Wahrnehmung als solche, aber es ist sinnlos, von Farbe zu sprechen, ohne den sie wahrnehmenden Menschen und sein ästhetisches Urteil. Zum sichtbaren Licht haben wir keine Distanz, es herrscht kein Gegenüberverhältnis, sondern ein a priori bestehendes Kontaktverhältnis (C. F. v. Weizsäcker). DerBand 'farben' von Sabine Scho beschäftigt sich mit diesem unausweichlichen Kontaktverhältnis, mit dem Stimmungswert des Farbgefühls. Er schreibt sich durch die Motive und Empfindungen hindurch, die für ein bundesdeutsches Subjekt identitätsstiftend wurden. Eine Voyage Colorée. Mit Gedichten und Bildern in Farbe durch die Innenwelt des Außenerlebens.'Schos Eigenständigkeit scheint unverkennbar: So spröde und zugleich schräg dichtet heute niemand sonst.' Süddeutsche Zeitung
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2008Das Foto rappt
Farben und Bilder - beide zerlegt Sabine Scho in den zwei Kapiteln ihres neuen Gedichtbandes in ihre Bestandteile, analysiert ihre Wahrnehmung und ihren emotionalen Gehalt, an der Schnittstelle zwischen der menschlichen Psyche und der physischen Welt, deren wir uns durch optische Leitbilder zu versichern haben. Dazu fasst die in São Paulo und Berlin lebende Lyrikerin vor allem Fotografien und Gemälde ins Auge, abermals - wie in ihrem kürzlich wiederaufgelegten Debüt "Album" - die Wechselwirkung zwischen Bild und Schrift raffiniert erkundend. Ihre visuellen Quellen sind dabei ebenso weit verzweigt wie die sprachlichen, die Wortspiele der amerikanischen Rap-Musik wie "anglizissle" und kunsthistorische Fachbegriffe genauso beinhalten wie eine Prozesskritik Andreas Baaders, die in dem offenbar von Gerhard Richters "18. Oktober 1977" inspirierten "chartreuse" zitiert wird. Damit einher geht das subtile Zusammendenken unterschiedlicher Disziplinen: In dem Zyklus "Nachfolgende Tiere" etwa verbindet Schos (oft auch politisch zu lesende) Voyage Colorée gedanklich die Werke des Renaissance-Malers Ludger tom Ring d. J. mit Robert Musils "Drei Frauen". Derart vielfältig lässt Sabine Scho "die fächernden Farben / aus Luft" schillern, dass sie die reizvolle Sprödigkeit ihrer früheren Texte, eigentlich ein Markenzeichen, weitgehend vergessen macht. Ihren poetisch polyglotten Gedichtband darf man guten Gewissens farbenprächtig nennen, ohne Schos originelles Schaffen in die Nähe jener Autoren zu rücken, deren Poeme in ihrem kurzlebigen Glanz an bunt verzierte Geburtstagstorten erinnern. Schos literarisch ausdrucksstarke Kost ist zwar alles andere als leicht verdaulich, aber auch äußerst gehaltvoll. (Sabine Scho: "farben". Gedichte. Kookbooks, Idstein 2008. 80 S., Abb., geb., 19,90 [Euro].) axmü
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Farben und Bilder - beide zerlegt Sabine Scho in den zwei Kapiteln ihres neuen Gedichtbandes in ihre Bestandteile, analysiert ihre Wahrnehmung und ihren emotionalen Gehalt, an der Schnittstelle zwischen der menschlichen Psyche und der physischen Welt, deren wir uns durch optische Leitbilder zu versichern haben. Dazu fasst die in São Paulo und Berlin lebende Lyrikerin vor allem Fotografien und Gemälde ins Auge, abermals - wie in ihrem kürzlich wiederaufgelegten Debüt "Album" - die Wechselwirkung zwischen Bild und Schrift raffiniert erkundend. Ihre visuellen Quellen sind dabei ebenso weit verzweigt wie die sprachlichen, die Wortspiele der amerikanischen Rap-Musik wie "anglizissle" und kunsthistorische Fachbegriffe genauso beinhalten wie eine Prozesskritik Andreas Baaders, die in dem offenbar von Gerhard Richters "18. Oktober 1977" inspirierten "chartreuse" zitiert wird. Damit einher geht das subtile Zusammendenken unterschiedlicher Disziplinen: In dem Zyklus "Nachfolgende Tiere" etwa verbindet Schos (oft auch politisch zu lesende) Voyage Colorée gedanklich die Werke des Renaissance-Malers Ludger tom Ring d. J. mit Robert Musils "Drei Frauen". Derart vielfältig lässt Sabine Scho "die fächernden Farben / aus Luft" schillern, dass sie die reizvolle Sprödigkeit ihrer früheren Texte, eigentlich ein Markenzeichen, weitgehend vergessen macht. Ihren poetisch polyglotten Gedichtband darf man guten Gewissens farbenprächtig nennen, ohne Schos originelles Schaffen in die Nähe jener Autoren zu rücken, deren Poeme in ihrem kurzlebigen Glanz an bunt verzierte Geburtstagstorten erinnern. Schos literarisch ausdrucksstarke Kost ist zwar alles andere als leicht verdaulich, aber auch äußerst gehaltvoll. (Sabine Scho: "farben". Gedichte. Kookbooks, Idstein 2008. 80 S., Abb., geb., 19,90 [Euro].) axmü
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