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"Na, bist du heute spät! Wer ist eigentlich der Muselmane, der bei euch mit dem Aktenkoffer ein und aus spaziert? Hat der da eine Bombe drin versteckt?", scherzte mein Klassenkamerad. In Wirklichkeit war ich zu spät, da Fareed noch mit seiner Gebetswaschung, dem Wudu, das Bad besetzte. Ich redete nicht über diese Erfahrung. Genau so wenig wie über Hartz-IV. Wer wollte hier im Hörsaal unter den ganzen Akademikerkindern schon von solchen Geschichten hören? War mir die Doppelehe von Fareed mit meiner Mutter peinlich? Ja. Allerdings ist es so, dass wir ein Leben lang unterschiedliche Rollen…mehr

Produktbeschreibung
"Na, bist du heute spät! Wer ist eigentlich der Muselmane, der bei euch mit dem Aktenkoffer ein und aus spaziert? Hat der da eine Bombe drin versteckt?", scherzte mein Klassenkamerad. In Wirklichkeit war ich zu spät, da Fareed noch mit seiner Gebetswaschung, dem Wudu, das Bad besetzte. Ich redete nicht über diese Erfahrung. Genau so wenig wie über Hartz-IV. Wer wollte hier im Hörsaal unter den ganzen Akademikerkindern schon von solchen Geschichten hören? War mir die Doppelehe von Fareed mit meiner Mutter peinlich? Ja. Allerdings ist es so, dass wir ein Leben lang unterschiedliche Rollen gegenüber unseren Mitmenschen einnehmen und durch solche kurzen Begegnungen schreiben wir unserem Gegenüber ihre Rollen zu. Auf manche dieser Rollen schauen wir hinauf, auf andere hinab. In Wahrheit aber wird unsere Identität durch die Hunderte zwischenmenschliche Wechselwirkungen an nur einem einzigen Tag gezeichnet. Sehen wir das nicht, berauben wir unseren Mitmenschen ihrer Menschlichkeit.
Autorenporträt
Die Frage nach ihrer Identität fand Johanna Engels als Scheidungskind und nach der Erfahrung mit Hartz-IV nicht immer einfach. Als sie sich an die Doppelehe ihrer Mutter mit Fareed erinnert, fand sie ihre Antwort und fing mit dem Schreiben an. Sie hat die Kurzgeschichten aus Anerkennung für den Mittleren Osten, seine Kultur und seine Menschen geschrieben. In Jordanien hat sie gelebt und gearbeitet und war in Marokko, Dubai, in der West-Sahara, Kurdistan, Katar, im Oman und zuletzt (Mai 2022) Baghdad unterwegs: Mir war es wichtig zwischen der Angst und Hoffnung, das Land der zwei Ströme zu erleben, um zu sehen, wo Fareed aufwuchs, wo er zur Moschee ging, wo er am Flughafen arbeitete, wo er Tee trank, wo sein Vater sein Barbiergeschäft besaß.