Wie ist es zu erklären, dass ein Großteil der Deutschen das nazistische Regime bereitwillig mittrug? In seiner Materialstudie über den Zusammenhang der »Ideologie der gesunden Normalität und der Ausrottungspolitiken im deutschen Faschismus« hat Wolfgang Fritz Haug einen hegemonialen Effekt des Zusammenwirkens unterschiedlicher gesellschaftlicher Felder, Institutionen, Praktiken und Diskurse herausgearbeitet, statt die Faschisierung des bürgerlichen Subjekts auf die Wirkung einzelner Bereiche wie Ökonomie, Politik, Kunst oder Philosophie zu reduzieren oder als Einbahnwirkung von oben nach unten zu sehen. Als entscheidend erweisen sich die »Resonanzeffekte« zwischen diesen Mächten. Sie bedingen ein alltägliches Do-it-yourself der Ideologie beispielsweise in Praxen der Selbstperfektionierung, deren Machtwirkungen Haug als entfremdete Handlungsfähigkeit analysiert. Aus einer Intervention ins faschismusanalytische Handgemenge der 1970er und 1980er Jahre hervorgegangen, entwickelt Haugs Studie in kritischer Hörweite Foucaults einerseits und der kritischen Theorie andererseits aus dem konkreten historischen Material ein begriffliches Instrumentarium für Analysen der Subjektivierung auch in gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen. Dieses Instrumentarium ermöglicht, analytisch zwischen den Dimensionen ideologischer Fremd- und kultureller Selbst-Vergesellschaftung zu unterscheiden und dem spannungsvollen Wechselspiel beider Dimensionen nachzugehen: Angelpunkt einer kritischen Theorie der Subjektivierung. Haugs Buch ist ein materialreich gestützter Meilenstein auf dem in jeder Epoche konkret neu zu bestimmenden Weg dorthin.