Fast wie im richtigen Leben
Sie blickt gen Westen, er gen Osten. Das Cover von „Fast schon ein ganzes Leben“ verdeutlicht sehr gut das, womit sich Rita König in ihrem Roman beschäftigt: dem Lebensweg von Birgit und Paul, den sie zunächst jahrelang gemeinsam gehen, bevor es beide in
unterschiedliche Richtungen treibt. Die Autorin beschreibt gekonnt und mit geschickter Verknappung, wie die…mehrFast wie im richtigen Leben
Sie blickt gen Westen, er gen Osten. Das Cover von „Fast schon ein ganzes Leben“ verdeutlicht sehr gut das, womit sich Rita König in ihrem Roman beschäftigt: dem Lebensweg von Birgit und Paul, den sie zunächst jahrelang gemeinsam gehen, bevor es beide in unterschiedliche Richtungen treibt. Die Autorin beschreibt gekonnt und mit geschickter Verknappung, wie die beiden zusammenfinden, zusammenleben, sich langsam entfremden, auseinandergehen und letztendlich doch wieder annähern. Rita König skizziert in einer sachlich-nüchternen, dennoch bildhaften Sprache und erstaunlich frei von Wertung das, was ihre beiden Protagonisten umtreibt – gemeinsam und jeden für sich alleine. Der Mauerfall erschüttert nicht nur die Ordnung der brandenburgischen Kleinstadt, in der die beiden leben, sondern auch nach und nach den Familienzusammenhalt. Zu verschieden sind die Pläne und Wünsche für die Zukunft: während die „große“ Mauer fällt, scheint sich die interfamiliäre, die sich schon in den Jahren vorher erahnen lässt, erst richtig aufzubauen. So unterschiedlich die Sichten sind, sind sie dennoch beide nachvollziehbar. Und das ist vermutlich die größte Stärke des Romans. Einerseits entstehen immer wieder Beklemmungsgefühle und Birgits Sehnsucht nach der „weiten Welt“ kann erahnt werden. Andererseits kann man mit Paul mitfühlen – in seinem fast schon naiven Versuch, Birgit alle Wünsche zu erfüllen, um das kleine Familienglück und einen Ort von Geborgenheit zu wahren. Vielleicht ist auch das die Quintessenz der Geschichte: Jeder hat – berechtigterweise – seine eigene Sicht und seine eigene Wahrheit. Es ist ein großes Glück, wenn zwei sich finden, die diese teilen, aber eben ohne Garantie auf Lebenszeit. Fast wie im richtigen Leben …