Wälder sind der Schmuck der Berge - aber noch viel mehr. Sie bewahren die Bergflanken vor Erosion, Rutschungen und Steinschlag und schützen die Siedlungen in den Alpentälern vor Naturgefahren. Wälder sind «grüne Lungen», die Sauerstoff spenden, sie sind Lebensraum für Tiere und Pflanzen von grosser Artenvielfalt und Oasen der Ruhe und Besinnung für den Menschen. Der Naturfotograf Roland Gerth nimmt uns mit auf eine Reise durch die Wälder der Schweiz in den Alpen, den Voralpen, den südlichen Alpentälern und im Jura. Seine stimmungsvollen Bilder zeigen die Wälder in ihrem ganz eigenen Charakter und Zauber bei Sonnenschein, Regen, Schnee oder Nebel. Sie erscheinen im Wandel der Jahreszeiten, des Lichts und der Farben - vom frischen Grün des Frühlings bis zum goldenen Herbst und der weissen Pracht des Winters. Unter anderem stellt das Buch die drei Urwälder der Schweiz vor: Scatlé in der Surselva, Bödmeren am Pragelpass und Derborence im Wallis. Es zeigt die berühmten Arven im höchstgelegenen Arvenwald Europas im Naturreservat God da Tamangur im Unterengadin, die Moorwälder auf der Chaltenbrunnenalp im Berner Oberland und bei Rothenthurm im Kanton Schwyz. Auch die Kastanienwälder im Tessin und Graubünden, die einst einen wichtigen Teil der Ernährung für die Bevölkerung der Bergtäler bildeten, hat der Fotograf besucht. Die eindrucksvollen Bilder von Roland Gerth und die begleitenden Texte des Schriftstellers Emil Zopfi regen an, die faszinierende und geheimnisvolle Welt unserer Bergwälder auf eigenen Streifzügen und Wanderungen zu entdecken und dabei ihre Stille, ihre Farben und Düfte und die Vielfalt ihrer Tier- und Pflanzenwelt zu erleben. Dabei werden wir uns bewusst, wie sorgsam wir mit dem Schatz unserer Wälder umgehen müssen
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2016Was wären die Berge ohne den Wald?
Es ist so eine Sache mit dem Wald. Als im vorigen Jahrhundert das Waldsterben in Europa drohte, entstand eine ganze politische Bewegung. Die Partei der Grünen wuchs daraus hervor. Auf breiter gesellschaftlicher Ebene wurde über Ursachen des Waldsterbens gestritten, Umweltgesetze wurden erlassen. Der Wald ist nicht gestorben. Nicht erst seit damals, aber seit damals besonders, gilt Wald als sakrosankt: Viel Wald ist gut. Wenig Wald ist schlecht. Allein, so einfach ist es nicht. In der Schweiz gibt es viel Wald, viel mehr als im neunzehnten Jahrhundert. Am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts brauchten Städte und Industrie Holz, der Wald schwand. Daraus resultierte 1876 das erste Schweizer Forstpolizeigesetz mit einem Rodungsverbot. Von Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts an änderte sich das Leben auch in der Schweiz, die Berglandwirtschaft ging zurück. Aufgelassene Almen, Lichtungen, Weiden begannen zu verbuschen, der Wald kam zurück - und darf nun, des Forstpolizeigesetzes wegen, nicht mehr gerodet werden. Wer doch rodet, muss an anderer Stelle wiederaufforsten. Heute ist ein Drittel der Schweiz bewaldet. Allein in den neunziger Jahren hat die Waldfläche im Alpenraum um fast zehn Prozent zugenommen. Im Tessin ist die Hälfte der Kantonsfläche Wald, im Malcantone sind es sogar siebzig Prozent. Im Schweizer AS Verlag ist nun ein Bildband erschienen, der den Wald feiert. Für "Faszination Bergwälder" hat der Fotograf Roland Gerth die Wälder der Schweiz in den Alpen, den Voralpen, den südlichen Alpentälern und im Jura abgelichtet. Natürlich sieht das zumeist wunderschön aus. Herrliche Bäume, sonnige Wipfel, bunte Herbstfarben, dichte Forste. Ja, Wald ist schön. Aber bald blättert man nur noch so weiter in dieser Bestandsaufnahme. Das Mystische des Waldes hat der Fotograf nur selten eingefangen. Im Einleitungsessay schlägt sich der Autor Emil Zopfi ganz auf die Seite des Waldschutzes. Was wären die Berge ohne Wald, fragt er. Natürlich stimmt seine Antwort, sie wären unwirtliche Steinwüsten. Aber die ein oder andere Lichtung im Wald wäre wohl nicht verkehrt. Zopfi schreibt auch von der "großen Artenvielfalt". Doch gerade Wälder zeichnen sich nicht durch eine große Biodiversität aus. Wild fühlt sich dort wohl, aber manche Vogelarten oder Schmetterlinge verlieren durch Verwaldung ihren Lebensraum. Großartige, uralte Wälder bedürfen eines umfassenden Schutzes, auch diese werden genannt. Ein wildes Kleinod der Natur sind die drei Urwälder der Schweiz, die das Buch ebenfalls vorstellt: Scatlé in der Surselva, Bödmeren am Pragelpass und Derborence im Wallis. Der höchstgelegene Arvenwald Europas im Naturreservat God da Tamangur im Unterengadin und die Moorwälder auf der Chaltenbrunnenalp im Berner Oberland sind weitere Schätze. Da diese Bestandsaufnahme des Schweizer Waldes ein Schweizer Werk ist, fehlt auch eine Karte nicht. Alle Wälder sind mit GPS-Daten angegeben und es findet sich noch der Hinweis auf eine Schweizer Website, auf der mittels der Koordinaten die Wälder gefunden werden können. Schweizer Gründlichkeit eben.
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"Faszination Bergwälder - Die schönsten Waldlandschaften der Schweiz" von Roland Gerth (Fotografien) und Emil Zopfi (Text). AS Verlag, Zürich 2015. 128 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 39,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es ist so eine Sache mit dem Wald. Als im vorigen Jahrhundert das Waldsterben in Europa drohte, entstand eine ganze politische Bewegung. Die Partei der Grünen wuchs daraus hervor. Auf breiter gesellschaftlicher Ebene wurde über Ursachen des Waldsterbens gestritten, Umweltgesetze wurden erlassen. Der Wald ist nicht gestorben. Nicht erst seit damals, aber seit damals besonders, gilt Wald als sakrosankt: Viel Wald ist gut. Wenig Wald ist schlecht. Allein, so einfach ist es nicht. In der Schweiz gibt es viel Wald, viel mehr als im neunzehnten Jahrhundert. Am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts brauchten Städte und Industrie Holz, der Wald schwand. Daraus resultierte 1876 das erste Schweizer Forstpolizeigesetz mit einem Rodungsverbot. Von Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts an änderte sich das Leben auch in der Schweiz, die Berglandwirtschaft ging zurück. Aufgelassene Almen, Lichtungen, Weiden begannen zu verbuschen, der Wald kam zurück - und darf nun, des Forstpolizeigesetzes wegen, nicht mehr gerodet werden. Wer doch rodet, muss an anderer Stelle wiederaufforsten. Heute ist ein Drittel der Schweiz bewaldet. Allein in den neunziger Jahren hat die Waldfläche im Alpenraum um fast zehn Prozent zugenommen. Im Tessin ist die Hälfte der Kantonsfläche Wald, im Malcantone sind es sogar siebzig Prozent. Im Schweizer AS Verlag ist nun ein Bildband erschienen, der den Wald feiert. Für "Faszination Bergwälder" hat der Fotograf Roland Gerth die Wälder der Schweiz in den Alpen, den Voralpen, den südlichen Alpentälern und im Jura abgelichtet. Natürlich sieht das zumeist wunderschön aus. Herrliche Bäume, sonnige Wipfel, bunte Herbstfarben, dichte Forste. Ja, Wald ist schön. Aber bald blättert man nur noch so weiter in dieser Bestandsaufnahme. Das Mystische des Waldes hat der Fotograf nur selten eingefangen. Im Einleitungsessay schlägt sich der Autor Emil Zopfi ganz auf die Seite des Waldschutzes. Was wären die Berge ohne Wald, fragt er. Natürlich stimmt seine Antwort, sie wären unwirtliche Steinwüsten. Aber die ein oder andere Lichtung im Wald wäre wohl nicht verkehrt. Zopfi schreibt auch von der "großen Artenvielfalt". Doch gerade Wälder zeichnen sich nicht durch eine große Biodiversität aus. Wild fühlt sich dort wohl, aber manche Vogelarten oder Schmetterlinge verlieren durch Verwaldung ihren Lebensraum. Großartige, uralte Wälder bedürfen eines umfassenden Schutzes, auch diese werden genannt. Ein wildes Kleinod der Natur sind die drei Urwälder der Schweiz, die das Buch ebenfalls vorstellt: Scatlé in der Surselva, Bödmeren am Pragelpass und Derborence im Wallis. Der höchstgelegene Arvenwald Europas im Naturreservat God da Tamangur im Unterengadin und die Moorwälder auf der Chaltenbrunnenalp im Berner Oberland sind weitere Schätze. Da diese Bestandsaufnahme des Schweizer Waldes ein Schweizer Werk ist, fehlt auch eine Karte nicht. Alle Wälder sind mit GPS-Daten angegeben und es findet sich noch der Hinweis auf eine Schweizer Website, auf der mittels der Koordinaten die Wälder gefunden werden können. Schweizer Gründlichkeit eben.
bär
"Faszination Bergwälder - Die schönsten Waldlandschaften der Schweiz" von Roland Gerth (Fotografien) und Emil Zopfi (Text). AS Verlag, Zürich 2015. 128 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 39,90 Euro.
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