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1918 erschien Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" und war eine literarische Sensation. Das Ende des Kaiserreiches und die Kriegsniederlage schienen für viele Deutsche Spenglers kulturgeschichtliche Apokalyptik zu bestätigen. Die zeitgenössische Wirkung Spenglers war enorm und ist bis heute kaum erforscht. Barbara Beßlich rekonstruiert in ihrer Monographie die Spengler-Rezeption Thomas Manns. Mit bisher unveröffentlichten Quellen aus dem Thomas Mann-Archiv (Zürich) zeichnet sie nach, wie Thomas Mann Spengler verstanden hat, mit wem er in München 1919/20 über den "Untergang des…mehr

Produktbeschreibung
1918 erschien Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" und war eine literarische Sensation. Das Ende des Kaiserreiches und die Kriegsniederlage schienen für viele Deutsche Spenglers kulturgeschichtliche Apokalyptik zu bestätigen. Die zeitgenössische Wirkung Spenglers war enorm und ist bis heute kaum erforscht. Barbara Beßlich rekonstruiert in ihrer Monographie die Spengler-Rezeption Thomas Manns. Mit bisher unveröffentlichten Quellen aus dem Thomas Mann-Archiv (Zürich) zeichnet sie nach, wie Thomas Mann Spengler verstanden hat, mit wem er in München 1919/20 über den "Untergang des Abendlandes" diskutierte und wie Spengler Eingang in Thomas Manns Werk fand. Thomas Manns Haltung zur Konservativen Revolution ist wesentlich über seine Spengler-Rezeption bestimmt. Indem sich Thomas Mann nach 1922 von Spengler abkehrt, wendet er sich der Weimarer Republik zu. Die Essays der 1920er Jahre spiegeln diesen Rezeptionswandel wider. Aus dem begeisterten Spengler-Leser wird ein vehementer Spengler-Kritiker. Gleichwohl bleibt die Faszination des Verfalls, die Spenglers Werk ausübt, für Thomas Mann zeitlebens bestehen. Neben der Essayistik Thomas Manns steht besonders der Roman "Der Zauberberg" im Mittelpunkt des Interesses. Eine intertextuale Analyse zeigt, wie der "Zauberberg" auf Spenglers Untergangsdiagnose antwortet. Spengler-Reminiszenzen in Thomas Manns Roman "Doktor Faustus" beschließen Barbara Beßlichs kulturwissenschaftliche Studie.
Autorenporträt
Dr. Barbara Beßlich, Universität Freiburg
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2003

Verfalls-Skizzen
Barbara Beßlich über Thomas Manns Spengler-Rezeption

In der Forschung ist Thomas Manns Spengler-Lektüre verschiedentlich nachgezeichnet worden, aber doch weitgehend ohne Manns Gespräche über Oswald Spengler und die entsprechenden Positionen von Manns Gesprächspartnern zu berücksichtigen. Demgegenüber versucht Barbara Beßlich herauszufinden, wer Thomas Mann in seiner Spengler-Rezeption wie beeinflußt haben könnte. In Beßlichs Studie geht es nicht so sehr um die späte Abrechnung Thomas Manns mit Spengler, als vielmehr um Manns frühe Hinwendung zum Autor des Buches "Der Untergang des Abendlandes" in den Jahren 1919 bis 1924. Die Studie beginnt mit einer chronologischen Skizze, die erläutert, wie Mann Spengler liest und welche Gesprächspartner, etwa Max Weber, Erich Marcks und vor allem Georg Merz, "seine verhohlene Faszination nach und nach dämpfen". Dabei werden die Anstreichungen und Randbemerkungen Manns in seinem Exemplar des "Untergang des Abendlandes" erstmals ausführlich berücksichtigt. Barbara Beßlich: "Thomas Mann, der zeitlebens ein Meister in der intellektuellen Anverwandlung fremder Konzepte war, erweist sich auch in seiner Spengler-Rezeption nicht nur als bereit, sondern als geradezu erpicht darauf, sich in seiner Meinung beeinflussen zu lassen."

Ein zentraler Abschnitt der Studie befaßt sich mit dem Einfluß vom "Untergang des Abendlandes" auf den "Zauberberg". Neben der Zeitphilosophie geht es dabei vor allem um das "Taufschalen"-Kapitel, um die Definition des Russischen als Gegensphäre zum Abendländischen und um die Orientierung der Peeperkorn-Figur an Spenglers Cäsaren-Typus. Auch in der Auffassung einer spezifisch abendländischen Arbeitsmoral, so die Studie, folgt Mann Spengler. Im Blick auf quellenkritisch herstellbare intertextuelle Zusammenhänge wird insbesondere die Figur des Leo Naphta im "Zauberberg" untersucht. In dessen Gestaltung sieht Barbara Beßlich Züge Spenglerscher Geschichtstheorie eingeflossen: "Naphtas weltanschaulicher Rigorismus und seine rhetorisch gepflegte Grausamkeit, seine fatalistische Apokalyptik, seine Gotik-Auffassung, sein Begriff des Preußischen und dessen gemutmaßte Verwandtschaft zum Spanischen, sein Verständnis von Sozialismus und seine Tendenz zum paradoxalem Denken weisen Naphta als Geistesverwandten Spenglers aus."

CHRISTIAN GEYER

Barbara Beßlich: "Faszination des Verfalls". Thomas Mann und Oswald Spengler. Akademie Verlag, Berlin 2002. 170 S., geb., 39,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Barbara Beßlichs Studie untersucht nicht nur das Verhältnis Thomas Manns zum kulturpessimistischen Philosophen Oswald Spengler ("Der Untergang des Abendlandes"), das sich von beträchtlichem Enthusiasmus in den Jahren 1919 bis 1924 in Skepsis und Ablehnung verwandelte, nicht zuletzt durch den Einfluss sehr Spengler-kritischer Freunde. "Erstmals berücksichtigt" werden Manns Randbemerkungen in seiner Ausgabe des "Abendland"-Buchs, eingehend analysiert werden auch zentrale Figuren des "Zauberbergs", die entweder in der Figurenzeichnung an Spenglers "Cäsaren-Typus" erinnern (wie Peeperkorn) oder in ihren Ansichten beinahe im Originalton Spenglersche Thesen verbreiten (Leo Naphta). Der Rezensent Christian Geyer beschränkt sich aufs Referat, Widersprüche hat er jedenfalls nicht anzumelden.

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