Faust und die Musik:
Die Geschichte von Faust, dem Sinnbild des menschlichen Erkenntniswillens um jeden Preis, ist zu einem Schlüsselmythos der Neuzeit geworden. Auf der Grundlage von Goethes Drama lebt dieser Mythos seit dem 19. Jahrhundert vor allem in der Musik fort, in unserer Gegenwart mit einer auffälligen Rückwendung zu der Erkenntnisskepsis des 16. Jahrhunderts, der Zeit seiner Entstehung.
Die Geschichte von Faust, dem Sinnbild des menschlichen Erkenntniswillens um jeden Preis, ist zu einem Schlüsselmythos der Neuzeit geworden. Auf der Grundlage von Goethes Drama lebt dieser Mythos seit dem 19. Jahrhundert vor allem in der Musik fort, in unserer Gegenwart mit einer auffälligen Rückwendung zu der Erkenntnisskepsis des 16. Jahrhunderts, der Zeit seiner Entstehung.
Die frühen Überlieferungsstufen der antiken Mythen erfordern oft komplizierte Rekonstruktionen. Der wirkungsmächtigste Mythos der Neuzeit jedoch, die Erzählung von Faust, ist 1587 mit einem Schlage vorhanden. Seine Anziehungskraft beruht im Kern auf der Wissenschaftsthematik und ihrer Problematisierung. Über die Person des Autors wissen wir nichts - ein Dunkelstern dieser Größenordnung ist in der Dichtung eine Seltenheit. Hans Joachim Kreutzer analysiert die Ursprungsgestalt des Mythos und seine Erscheinungsformen in der Welt des Musiktheaters, von der romantischen Oper bis in die unmittelbare Gegenwart. In der Musik erfährt, auf der Basis von Goethes Drama, der Faust-Mythos eine Art von Wiedergeburt. Er lebt, von Robert Schumann über Berlioz bis zu Busoni, in unterschiedlichen Gattungen. Unter dem Eindruck der politischen Katastrophen, die Nationalsozialismus und Drittes Reich heraufbeschworen haben, wenden sich die Komponisten, in der Nachfolge von Thomas Manns Roman Doktor Faustus, in beklemmender Einmütigkeit wieder zu der warnenden Erkenntnisskepsis der Faust-Historia des 16. Jahrhunderts zurück.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die Geschichte von Faust, dem Sinnbild des menschlichen Erkenntniswillens um jeden Preis, ist zu einem Schlüsselmythos der Neuzeit geworden. Auf der Grundlage von Goethes Drama lebt dieser Mythos seit dem 19. Jahrhundert vor allem in der Musik fort, in unserer Gegenwart mit einer auffälligen Rückwendung zu der Erkenntnisskepsis des 16. Jahrhunderts, der Zeit seiner Entstehung.
Die Geschichte von Faust, dem Sinnbild des menschlichen Erkenntniswillens um jeden Preis, ist zu einem Schlüsselmythos der Neuzeit geworden. Auf der Grundlage von Goethes Drama lebt dieser Mythos seit dem 19. Jahrhundert vor allem in der Musik fort, in unserer Gegenwart mit einer auffälligen Rückwendung zu der Erkenntnisskepsis des 16. Jahrhunderts, der Zeit seiner Entstehung.
Die frühen Überlieferungsstufen der antiken Mythen erfordern oft komplizierte Rekonstruktionen. Der wirkungsmächtigste Mythos der Neuzeit jedoch, die Erzählung von Faust, ist 1587 mit einem Schlage vorhanden. Seine Anziehungskraft beruht im Kern auf der Wissenschaftsthematik und ihrer Problematisierung. Über die Person des Autors wissen wir nichts - ein Dunkelstern dieser Größenordnung ist in der Dichtung eine Seltenheit. Hans Joachim Kreutzer analysiert die Ursprungsgestalt des Mythos und seine Erscheinungsformen in der Welt des Musiktheaters, von der romantischen Oper bis in die unmittelbare Gegenwart. In der Musik erfährt, auf der Basis von Goethes Drama, der Faust-Mythos eine Art von Wiedergeburt. Er lebt, von Robert Schumann über Berlioz bis zu Busoni, in unterschiedlichen Gattungen. Unter dem Eindruck der politischen Katastrophen, die Nationalsozialismus und Drittes Reich heraufbeschworen haben, wenden sich die Komponisten, in der Nachfolge von Thomas Manns Roman Doktor Faustus, in beklemmender Einmütigkeit wieder zu der warnenden Erkenntnisskepsis der Faust-Historia des 16. Jahrhunderts zurück.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2003Interfaustisches
Kreutzers Goethe als Melopoet
Einesteils gibt das Bändchen ein schönes Beispiel für Nutzen und Notwendigkeit fachübergreifender Kenntnisse. Um zu verstehen, welche Bedeutung die Musik in Goethes und in Thomas Manns Faust hat, und um zu verstehen, welche Arbeit am Mythos die Faustopern von Spohr bis Schnittke verrichten, trägt Hans Joachim Kreutzer Literatur-, Musik- und Theatergeschichtliches zusammen. Neunzehn Prozent des ersten und vierundzwanzig Prozent des zweiten Teils von Goethes Faust seien in irgendeiner Weise für Musik gedacht. Neben Gretchens Liedern stellten vor allem die "hochkomplexen multimedialen Handlungsszenen", angefangen von der Walpurgisnacht, ein dramengeschichtliches Novum dar. Goethe schaffe hier ein "Zwischenreich aus Musik und Sprache", eine "dritte Art von Bühnensprache, weder Sprechtext noch Gesang", die Kreutzer Melopoesie zu nennen vorschlägt. In solchen Gattungsmischungen korrespondiere Goethe mit den avanciertesten Tendenzen des romantischen Musiktheaters. "Goethe ist in dichterischer Praxis prononcierterer Romantiker als die Angehörigen der romantischen Generation." Seine konservative Musikanschauung habe ihn jedoch gehindert, diese Verwandtschaft anzuerkennen. So gerieten die Texte dann doch weitgehend librettountauglich.
Und während der Blick auf Musik und Theater Kreutzer in Goethes Faust das musikalische Kunstwerk vergangener Zukunft erkennen läßt, kann er umgekehrt als Literaturwissenschaftler Schumanns Faustszenen rehabilitieren. Die "vokal-instrumentale-chorisch-solistische Vereinigung von Dichtung und Musik" realisiere Goethes geheime Intention. Die scheinbar willkürliche Textauswahl diene einer schlüssigen Umdeutung des Faust als Verklärungsgeschichte, als "eine Vergeistigung, die in der Musik ihre adäquate Beheimatung findet".
Andernteils ist das "und" des Buchtitels ein klarer Euphemismus. Der Zusammenhang zwischen der "Historia von D. Johann Fausten", Goethe und der Oper des neunzehnten Jahrhunderts besteht in den Interessen des Autors. Als These läßt er sich nicht formulieren. Selbst wenn man sagt, daß hier die irgendwie musikalischen Elemente der Geschichte des Faust-Mythos behandelt werden, ist dieser doch je nur ein Stoff unter anderen. Goethe reagiert im Faust II auf die Romantiker, Schumann reagiert auf Goethe, bei Berlioz geht es um die Kunst und den Künstler in einer häßlich gewordenen Welt und bei Thomas Mann um den "Musiker als Prototyp des Deutschen". Kreutzer kennt sich da überall gut aus, und kommt deshalb jeweils nur knapp auf das Faustische seiner Gegenstände zu sprechen. Aber eben weil das Woraufhin der Darstellung fehlt, sind dem Einströmen von Bildungsgut aller Art keinerlei Grenzen mehr gesetzt. Vielleicht zeigt sich darin die Kehrseite von Interdisziplinarität. Es fehlt die disziplinierende Macht etablierter Methodik.
GUSTAV FALKE
Hans Joachim Kreutzer: "Faust". Mythos und Musik. C. H. Beck Verlag, München 2003. 187 S., geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kreutzers Goethe als Melopoet
Einesteils gibt das Bändchen ein schönes Beispiel für Nutzen und Notwendigkeit fachübergreifender Kenntnisse. Um zu verstehen, welche Bedeutung die Musik in Goethes und in Thomas Manns Faust hat, und um zu verstehen, welche Arbeit am Mythos die Faustopern von Spohr bis Schnittke verrichten, trägt Hans Joachim Kreutzer Literatur-, Musik- und Theatergeschichtliches zusammen. Neunzehn Prozent des ersten und vierundzwanzig Prozent des zweiten Teils von Goethes Faust seien in irgendeiner Weise für Musik gedacht. Neben Gretchens Liedern stellten vor allem die "hochkomplexen multimedialen Handlungsszenen", angefangen von der Walpurgisnacht, ein dramengeschichtliches Novum dar. Goethe schaffe hier ein "Zwischenreich aus Musik und Sprache", eine "dritte Art von Bühnensprache, weder Sprechtext noch Gesang", die Kreutzer Melopoesie zu nennen vorschlägt. In solchen Gattungsmischungen korrespondiere Goethe mit den avanciertesten Tendenzen des romantischen Musiktheaters. "Goethe ist in dichterischer Praxis prononcierterer Romantiker als die Angehörigen der romantischen Generation." Seine konservative Musikanschauung habe ihn jedoch gehindert, diese Verwandtschaft anzuerkennen. So gerieten die Texte dann doch weitgehend librettountauglich.
Und während der Blick auf Musik und Theater Kreutzer in Goethes Faust das musikalische Kunstwerk vergangener Zukunft erkennen läßt, kann er umgekehrt als Literaturwissenschaftler Schumanns Faustszenen rehabilitieren. Die "vokal-instrumentale-chorisch-solistische Vereinigung von Dichtung und Musik" realisiere Goethes geheime Intention. Die scheinbar willkürliche Textauswahl diene einer schlüssigen Umdeutung des Faust als Verklärungsgeschichte, als "eine Vergeistigung, die in der Musik ihre adäquate Beheimatung findet".
Andernteils ist das "und" des Buchtitels ein klarer Euphemismus. Der Zusammenhang zwischen der "Historia von D. Johann Fausten", Goethe und der Oper des neunzehnten Jahrhunderts besteht in den Interessen des Autors. Als These läßt er sich nicht formulieren. Selbst wenn man sagt, daß hier die irgendwie musikalischen Elemente der Geschichte des Faust-Mythos behandelt werden, ist dieser doch je nur ein Stoff unter anderen. Goethe reagiert im Faust II auf die Romantiker, Schumann reagiert auf Goethe, bei Berlioz geht es um die Kunst und den Künstler in einer häßlich gewordenen Welt und bei Thomas Mann um den "Musiker als Prototyp des Deutschen". Kreutzer kennt sich da überall gut aus, und kommt deshalb jeweils nur knapp auf das Faustische seiner Gegenstände zu sprechen. Aber eben weil das Woraufhin der Darstellung fehlt, sind dem Einströmen von Bildungsgut aller Art keinerlei Grenzen mehr gesetzt. Vielleicht zeigt sich darin die Kehrseite von Interdisziplinarität. Es fehlt die disziplinierende Macht etablierter Methodik.
GUSTAV FALKE
Hans Joachim Kreutzer: "Faust". Mythos und Musik. C. H. Beck Verlag, München 2003. 187 S., geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Der Mythos Faust ist, so die grundlegende These von Hans Joachim Kreutzer, nach Goethe vor allem in der Musik lebendig geblieben und zum Gegenstand zahlreicher Bearbeitungen geworden. Diesen nun geht Kreutzer nach, von Faust-Opern von Ignaz Walter (1796) und Louis Spohr (1816) bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, in dem 1989 der "Doktor Faustus" des promovierten Germaniste Giacomo Manzoni entstand, erklärt der ror. zeichnende Rezensent. Gerühmt werde Ferrucio Busoni als "der belesenste, gelehrteste, gebildetste unter allen komponierenden Faust-Dichtern" und erwähnt werde auch Unvollendetes wie der Libretto gebliebene Faust von Hanns Eisler, schreibt unser offenbar zufriedener Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH