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Der Blick, den Gert Ledig in Faustrecht auf den ersten Nachkriegswinter richtet,ist unsentimental und schonungslos . Er sieht die existentielle Verlorenheit zweier Männer im November 1945: "Draußen reckten die Bäume ihre Äste in den Nebel.Sie standen da wie Skelette. Einer winkte mit dem Arm." Rob blickt aus dem Fenster, ein Novembermittag wie jeder andere. Zusammen mit dem Kunstmaler Edel wartet er auf Hai, einen alten Bekannten. Hai plant einen Überfall auf einen amerikanischen Jeep. Rob und Edel sollen ihm dabei helfen. Es ist Loyalität, die sie schließlich mitmachen lässt, nicht die…mehr

Produktbeschreibung
Der Blick, den Gert Ledig in Faustrecht auf den ersten Nachkriegswinter richtet,ist unsentimental und schonungslos . Er sieht die existentielle Verlorenheit zweier Männer im November 1945: "Draußen reckten die Bäume ihre Äste in den Nebel.Sie standen da wie Skelette. Einer winkte mit dem Arm." Rob blickt aus dem Fenster, ein Novembermittag wie jeder andere. Zusammen mit dem Kunstmaler Edel wartet er auf Hai, einen alten Bekannten. Hai plant einen Überfall auf einen amerikanischen Jeep. Rob und Edel sollen ihm dabei helfen. Es ist Loyalität, die sie schließlich mitmachen lässt, nicht die Aussicht auf Beute. Und sie spüren beide dieGefahr, das Wenige zu verlieren, das ihre Existenz ausmacht. Inmitten vom Schutt und den Trümmern ihrer Häuser bewegen sich Gert Ledigs von den Umständen getriebene Figuren zwischen Freundschaft und Not, Rachsucht und Feigheit.
Autorenporträt
Gert Ledig, geboren am 4. November 1921 in Leipzig, wuchs in Wien auf und meldete sich 1939 freiwillig zur Wehrmacht. In Stalingrad verwundet, arbeitete er in den letzten Kriegsjahren in der Militärverwaltung. Gert Ledig starb am 1. Juni 1999.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2002

Niemandsland der Niederlage
Kriminelle Bagatellen: Gert Ledigs dritter Roman "Faustrecht"

Eine zerbombte Stadt, ein Fluß, eine Brücke, der Schnee fällt. Die Helden sind tot, es leben die Ganoven. Die Ganoven, die Schieber, Profiteure, Hasardeure, Huren. Und die amerikanische Besatzungsmacht. Nachkrieg, Zigarettenwährung, Schwarzmarkt. Und ein Mord wird geplant. Der Überfall auf einen amerikanischen Jeep wird ausgeführt, der GI am Steuer getötet, die Täter werden verfolgt. Sie wollen sich gegenseitig umbringen, einer stirbt an Wundstarrkrampf.

Am Gerüst dieser Handlung entrollt der Autor die Leinwand, auf die er seinen Film projiziert. Auch der dritte Roman von Gert Ledig spielt wieder im Niemandsland der Niederlage, im leeren Raum einer zerbrochenen Welt. Nur ist es diesmal nicht der tragische Irrsinn des Krieges; diesmal ist es der groteske Irrsinn des Nachkriegs. Keine großen Waffentaten - der Kleinkrieg würfelt Ehre und Treue, Liebe und Hoffnung, Lüge und Verrat zwischen Männern und Frauen in kriminellen Bagatellen durcheinander.

Ledig plaziert seinen Thesen-Roman in eine Atmosphäre von Nebel, Schlamm, Regen und Düsternis. Für diesen finsteren Prospekt bedeutungsschwerer Typen und Themen ist der auf Drehbuch und Filmskript hin orientierte Krimi-Plot fast nebensächlich. Kannte man aus Ledigs Vorläufer-Werk "Vergeltung" bereits diese stilisierte Figurenkonstellation von ",der Mann und das Mädchen", so kippt hier das Szenario vielfach ins Klischee. "Draußen-vor-der-Tür"-Stimmung und Hemingway-Ton, Camus-Ethik und Sartre-Ekel produzieren eine Manier, in der die Protagonisten hölzerne Marionettenspiele aufführen, wenn sie die Maskenhaftigkeit der Welt beredt im Munde führen.

Verpfuscht, verpatzt, verdorben und verloren - das ist das Leitmotiv der "vor die Hunde gegangenen Generation", die Ledig literarisiert. Motto: "Wir haben den Krieg verloren. Wußten Sie das nicht?" Derart deklinieren die Überlebenden der Katastrophe die Gleichung Mensch = Tier zwischen Depression und Zynismus durch. Wer noch "Es lebe Deutschland!" ruft, der ist verrückt, und wer zum Katholizismus konvertiert, der stirbt am Wundstarrkrampf, weil kein Lobpreis Gottes "Ad maiorem gloriam Dei" das Tetanus vom Schwarzmarkt besorgt.

So oder ähnlich kennt man diese Geschichten aus dem "Dritten Mann", nur nennt hier der Autor seinen Helden doch tatsächlich "Edel" und lastet ihm zu allem Überfluß auch noch den Nachnamen "Noth" auf. Einen Biß auf die Welt hat jener negative Edel-Held nicht mehr, weil ihm symbolschwer die Zähne eingeschlagen wurden. Siebzehn Kapitel lang ist er unterwegs, um sich ein neues Gebiß zu beschaffen. Seine zerschlagenen Malerhände können nur noch zitternd den Pinsel führen, und unschwer überredet ihn der Freund deswegen zum Surrealismus, der ab nun Bilder mit dem Titel "Vergitterte Zukunft" hervorbringt.

Daß der Leser dieses Klageliedes der "lost generation" auch ja keine Metapher verkennt, dafür trägt der Autor ständig Sorge: Straßen führen prinzipiell ins Nichts, Pfade ins Dunkle und, ach!, für "einen Selbstmord war es das geeignetste Wetter".

Rare Momente von Eindringlichkeit erinnern an die lapidare und lakonische Wucht, an die Brillanz und Präzision des Stils, deren Ledig in seinen beiden früheren Arbeiten "Stalinorgel" und "Vergeltung" fähig war.

Ist die Schablonenhaftigkeit der Befüllung von Figuren mit Nachkriegsideologie schon mühsam zu lesen, so wird die Diktion von Hauptsatz, einfachem Relativsatz und Dialog-Stakkato vollends beschwerlich, wenn Ledig in diesen sinistren Friedenszeiten zu Männer-Prosa anhebt à la die Frau als "das Geschäftstüchtigste, was ich kenne". Die gebrochenen Helden Ledigs, die sich mit den Toten auskennen, mit den Lebenden aber nicht und mit den Frauen schon gar nicht - diese gebrochenen Helden atmen von Kuß bis Koitus das Klima der fünfziger Jahre.

Und ob mann diese Spezies nun unrechtmäßig als Hure oder anständigerweise mit Respekt behandelt und sich mit ihr verlobt - egal. Sie heiratet den Ami und die Seidenstrümpfe. Es dampft der Zeitgeist von 1957, dem Jahr der Erstveröffentlichung.

PETER ROOS

Gert Ledig: "Faustrecht". Roman. Mit einem Nachwort von Volker Hage. Piper Verlag, München 2001. 229 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Roman, der den Zeitgeist atmet. Leider den von 1957, dem Jahr seiner Erstveröffentlichung. Auf das Klima der 50er aber hat Peter Roos wenig Lust. Zumal, wenn der "groteske Irrsinn des Nachkriegs" im Kleinkriminellenmilieu wie hier in einen Thesen-Roman mit verholztem Personal und klischeehaftem Szenario verpackt wird: "'Draußen-vor-der-Tür'- Stimmung und Hemingway-Ton, Camus-Ethik und Sartre-Ekel". Und der "auf Drehbuch und Filmskript hin orientierte Krimi-Plot" gerät zur Nebensache. Zwischen der Pennäler-Diktion von Hauptsatz, einfachem Relativsatz und Dialog-Stakkato blitzen zwar dann und wann "rare Momente von Eindringlichkeit" auf, die den Rezensenten an "die lapidare und lakonische Wucht, an die Brillanz und Präzision des Stils" in Ledigs früheren Arbeiten "Stalinorgel" und "Vergeltung" erinnert, aber das Buch hat mehr als 200 Seiten!

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