In 42 Episoden erzählt Wolfgang Hegewald das Leben Nathan Niedlichs, eines deutsch-deutschen Schriftstellers, dem der erfolgreiche Durchbruch nicht gelingen will. Sprühend vor vitaler Komik schafft er es, selbst deprimierenden Episoden eine triumphierende Pointe abzugewinnen. Zwischen liebevollen Beschreibungen absurder Alltäglichkeiten und ironischer Sicht auf die gegenwärtigen Verhältnisse erleben wir Szenen aus der Kindheit, erste literarische Versuche, literarische Freund- und Feindschaften bis hin zur Existenz Nathan Niedlichs als Religionswissenschaftler, der die Absagen der Verlage chronologisch durchnummeriert in einen Ordner abheftet. Doch N.N. lässt sich nicht unterkriegen: »beleidigt, enttäuscht, gedemütigt, denunziert, geliebt, geschätzt oder auf andere Weise unvergesslich behandelt« berichtet er in demütig amüsiertem, manchmal erbost spitzzüngigem Ton von seinem alltäglichen, vor allem literarischen Umfeld. Mit herzlich skurrilem Humor und treffend gewitzten Sprachschöpfungen erzählt er oft scheinbar am Wesentlichen vorbei, fokussiert Beiläufiges und trifft jedoch genau dadurch umso präziser ins Schwarze. "Fegefeuernachmittag" ist nicht nur eine liebevoll-bissige Abrechnung, sondern auch ein vor Sprach- und Aberwitz sprühender, raffiniert konstruierter autofiktionaler Roman über deutsche Wirklichkeit in Ost und West.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2010Wir scheitern alle
Wolfgang Hegewald liest aus "Fegefeuernachmittag"
Vor zwölf Jahren hat Wolfgang Hegewald seinen letzten Roman veröffentlicht. Das lag nicht an ihm allein, sondern auch an Verlegern, die nichts mehr von ihm drucken wollten. "Fegefeuernachmittag" erschien schließlich bei Matthes & Seitz und ist zu guten Teilen eine Abrechnung mit dem Literaturbetrieb. Gemeinsam mit seiner Schriftstellerkollegin und Freundin Katja Lange-Müller las Hegewald nun im Frankfurter Literaturhaus aus dem Roman.
Sein wenig verfremdetes Alter Ego nennt sich Nathan Niedlich und ist wie der Autor am 26. März 1952 in Dresden geboren. Mit fünf macht er sich an seinen ersten Roman. Fortan schreibt er "weiter und weiter, als habe einst jemand ein Schreibwerk in ihm aufgezogen, das so lange schnurrte und tickte und Sätze ausschied, bis es mit ihm aus war". Hegewald gefällt die Vorstellung nicht, der Künstler sei eine gefüllte Tube, aus der der Leidensdruck Kunst herausquetsche, sagt er. Es gehe vielmehr darum, mit den Möglichkeiten des Phantastischen zu spielen.
Hegewald ist da am besten, wo er grimmig ist. Wenn er die "Wiener Nobelsirene Getraude Molinek" alias Elfriede Jelinek oder David Wellensteyn alias Daniel Kehlmann auftreten lässt. Und er beeindruckt mit genauen Beschreibungen. Dass das manchmal etwas behäbig wirkt, weiß er selbst. Für ihn, so sagt er, seien Manierismen und Abschweifungen nicht negativ besetzt. Um seinen Roman zu lesen, brauche man überdies keine Dechiffrierscheibe. Auch wenn das Buch den Untertitel "Mein Leben von ihm selbst erzählt" trage, gehe es um das Misslingen und darum, wie man sich damit arrangiere. "Biologisch scheitern wir alle", sagt Hegewald. Seine Romanfigur durchlebe das nur exemplarisch. "N.N." kürzt Hegewald den Namen Nathan Niedlichs im Roman ab, wie das lateinische "nomen nominandum", ein Platzhalter. Beim Lesen kann jeder seinen Namen einsetzen.
ANDRÉ WEIKARD
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wolfgang Hegewald liest aus "Fegefeuernachmittag"
Vor zwölf Jahren hat Wolfgang Hegewald seinen letzten Roman veröffentlicht. Das lag nicht an ihm allein, sondern auch an Verlegern, die nichts mehr von ihm drucken wollten. "Fegefeuernachmittag" erschien schließlich bei Matthes & Seitz und ist zu guten Teilen eine Abrechnung mit dem Literaturbetrieb. Gemeinsam mit seiner Schriftstellerkollegin und Freundin Katja Lange-Müller las Hegewald nun im Frankfurter Literaturhaus aus dem Roman.
Sein wenig verfremdetes Alter Ego nennt sich Nathan Niedlich und ist wie der Autor am 26. März 1952 in Dresden geboren. Mit fünf macht er sich an seinen ersten Roman. Fortan schreibt er "weiter und weiter, als habe einst jemand ein Schreibwerk in ihm aufgezogen, das so lange schnurrte und tickte und Sätze ausschied, bis es mit ihm aus war". Hegewald gefällt die Vorstellung nicht, der Künstler sei eine gefüllte Tube, aus der der Leidensdruck Kunst herausquetsche, sagt er. Es gehe vielmehr darum, mit den Möglichkeiten des Phantastischen zu spielen.
Hegewald ist da am besten, wo er grimmig ist. Wenn er die "Wiener Nobelsirene Getraude Molinek" alias Elfriede Jelinek oder David Wellensteyn alias Daniel Kehlmann auftreten lässt. Und er beeindruckt mit genauen Beschreibungen. Dass das manchmal etwas behäbig wirkt, weiß er selbst. Für ihn, so sagt er, seien Manierismen und Abschweifungen nicht negativ besetzt. Um seinen Roman zu lesen, brauche man überdies keine Dechiffrierscheibe. Auch wenn das Buch den Untertitel "Mein Leben von ihm selbst erzählt" trage, gehe es um das Misslingen und darum, wie man sich damit arrangiere. "Biologisch scheitern wir alle", sagt Hegewald. Seine Romanfigur durchlebe das nur exemplarisch. "N.N." kürzt Hegewald den Namen Nathan Niedlichs im Roman ab, wie das lateinische "nomen nominandum", ein Platzhalter. Beim Lesen kann jeder seinen Namen einsetzen.
ANDRÉ WEIKARD
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wolfgang Hegewald war mal ein kommender Autor der deutschen Literatur. Das war in den Achtziger Jahren, da war er, unter anderem, Bachmann-Preisträger. Erfolgreich beim Publikum war er nie, erst verlor dann auch die Kritik, dann der Verlag des Interesse. So blieb Hegewald für die Öffentlichkeit zwölf Jahre lang unfreiwillig stumm. Nun feiert er bei einem neuen Verlag ein Comeback und nutzt es dafür, von einem zu erzählen, dem es sehr ähnlich erging wie auch ihm: Nathan Niedlich (Initialen N.N.) ist als Autor ohne Publikationsfortune sein Protagonist. "Fegefeuernachmittag" gibt Einblicke in den Literaturbetrieb, die sich - und darin sieht Sarah Elsing eine entscheidende Qualität dieses Buches - in der Satire und im Schlüsselromanhaften nicht erschöpfen. Der Genuss, den sie aus dem Text zieht, verdankt sich seinem "Humor", seiner "Leichtigkeit" und sogar dem Gefühl, es mit einem von tieferer Bedeutung und großer Ambition entlasteten "Nebenwerk" zu tun zu haben. Für die weitere Zukunft jedenfalls wünscht Elsing dem Verfasser nur das beste.
© Perlentaucher Medien GmbH
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