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". dieser Krieg als der erste wirkliche Weltkrieg, geht um den Begriff des Weltfriedens" (1.9.1916)Die hier erstmals vollständig veröffentlichten Feldpostbriefe geben Aufschluss darüber, wie Rosenzweig seinen Alltag als Soldat erlebte und womit er sich geistig beschäftigte. Zeitgeschichtlich interessant ist, wie Franz Rosenzweig die politische und militärische Lage einschätzt, während geistesgeschichtlich seine Überlegungen zum Bildungswesen, zur Geschichtsphilosophie und zu "Mitteleuropa" von Belang sind.

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Produktbeschreibung
". dieser Krieg als der erste wirkliche Weltkrieg, geht um den Begriff des Weltfriedens" (1.9.1916)Die hier erstmals vollständig veröffentlichten Feldpostbriefe geben Aufschluss darüber, wie Rosenzweig seinen Alltag als Soldat erlebte und womit er sich geistig beschäftigte. Zeitgeschichtlich interessant ist, wie Franz Rosenzweig die politische und militärische Lage einschätzt, während geistesgeschichtlich seine Überlegungen zum Bildungswesen, zur Geschichtsphilosophie und zu "Mitteleuropa" von Belang sind.
Autorenporträt
Franz Rosenzweig (1886-1929) war Philosoph und Historiker und lehrte zu Beginn der zwanziger Jahre im Freien Jüdischen Lehrhaus in Frankfurt/M.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2013

Für die Revolution fehlte ihm der Sinn
Eine Edition von Franz Rosenzweigs Feldpostbriefen an die Eltern und eine Studie zu seinen politischen Ideen

Franz Rosenzweig ist eine singuläre Erscheinung in der deutschen Philosophie, für manche der Autor eines einzigen Buches, "Der Stern der Erlösung" (1921). Nicht nur sein früher Tod 1929 verhinderte weitere große Bücher, sondern vor allem auch sein Übergang von der "reinen" Philosophie zu einer von ihm als Handeln verstandenen Lehre im Freien Jüdischen Lehrhaus Frankfurt. Diese Distanz zur akademisch gewordenen Philosophie ist ein wesentlicher Antrieb seines religionsphilosophischen Hauptwerks, das sich gegen "die Philosophie" wendet und mit einer Apologie auf "das Leben" schließt. Rosenzweig aber war ursprünglich durchaus in der akademischen Philosophie engagiert, und seine kürzlich neuaufgelegte, ein Jahr vor dem "Stern" erschienene Dissertation "Hegel und der Staat" (F.A.Z. vom 27. November 2010) gilt bis heute als Standardwerk zu Hegels politischer Philosophie.

In der Rosenzweig-Forschung spielt die Entstehungsgeschichte der beiden bald nach dem Ersten Weltkrieg erschienenen Werke seit langem eine bedeutende Rolle. Die Entstehung des "Sterns" weist nämlich direkt zurück in die Zeit des Krieges; das erste Fragment, die sogenannte "Urzelle des Sterns der Erlösung", findet sich in einem Brief, den Rosenzweig am 18. November 1917 von der Front aus an seinen engen Freund, den christlichen Theologen Rudolf Ehrenberg, schrieb. Das Hegelbuch dagegen war bereits vor dem Krieg fertiggestellt worden.

Rosenzweig meldete sich im September 1914 als Krankenpfleger beim Roten Kreuz; sein Einsatz in Thourout auf dem belgischen Kriegsschauplatz war ihm eine erste Erfahrung mit der "Menschenschlächterei". Doch Rosenzweig war durchaus kein Pazifist, und so war es in seinem Sinne, dass er ab März 1916 bis kurz vor Kriegsende als Beobachter und Telefonist auf dem Balkan eingesetzt wurde. Hier befand er sich allerdings in der Etappe und so weit von der Front entfernt, dass der Kriegsalltag ihm Zeit für ausgiebige Lektüren, Briefwechsel und auch für die Niederschrift kleinerer Aufsätze ließ. Im Oktober 1918 kam Rosenzweig zurück nach Deutschland. Mitgebracht hatte er die Folgen einer Malaria, womöglich der Auslöser seiner späteren tödlichen Lateralsklerose, und den Anfang des "Sterns".

Auch in bisherigen Editionen wurden bereits Briefe publiziert, in denen die äußeren und inneren Umstände des Wandels dokumentiert sind, die von der Doktorarbeit zum "Stern" führen. Dazu gehören die Briefe an Ehrenberg, an den Historiker Eugen Rosenstock und besonders die mehr als tausend Briefe an Rosenstocks Frau Margrit, die sogenannten "Gritli-Briefe" (F.A.Z. vom 3. Juni 2002). Hinzugekommen sind jetzt die Feldpostbriefe, die Rosenzweig aus Mazedonien an seine Eltern sandte, ein umfangreiches Konvolut von Nachrichten aller Art. Das Hauptgewicht liegt auf den Alltäglichkeiten eines Lebens an der Front: Berichte vom kleinen und großen Kriegsgeschehen, für die besorgten Eltern gefiltert. Sie geben einen ungewohnt detaillierten Einblick in das Durchschnittsdasein eines Soldaten, sind aber darüber hinaus nur sehr begrenzt von Bedeutung.

Natürlich sind bestimmte Elemente des "Sterns" der Kriegserfahrung unmittelbar zuzurechnen. Das Pathos des Todes, der Angst vor dem Tod, das zentrale Passagen des "Sterns" bestimmt, wird ja von Rosenzweig selbst dem Erleben des Krieges zugeschrieben. Doch in den Briefen kommt diese Angst kaum vor. Diese Zurückhaltung ist natürlich auch den Briefempfängern geschuldet, den Eltern, die Rosenzweig nicht zusätzlich beunruhigen will. Sie macht aber auch klar, dass die Briefe an Freunde und Kollegen aus derselben Zeit in fast jeder Hinsicht gewichtiger sind.

Der Herausgeber Wolfgang D. Herzfeld ist auf das Briefkonvolut bei der Vorbereitung seiner Arbeit über "Franz Rosenzweig, ,Mitteleuropa' und der Erste Weltkrieg" gestoßen - und in den Zusammenhang von Rosenzweigs politischem Denken ist es auch zu stellen. Die wirklich bedeutenden Äußerungen muss man allerdings im Gesamtkorpus der Briefe suchen. Ist man dann fündig geworden, setzt sich das Bild eines Intellektuellen zusammen, der dem Krieg auf eher durchschnittliche Weise gegenübersteht. Rosenzweig kommentiert Geschehnisse und Gestalten in Begriffen traditioneller Machtund Geopolitik, selbst da, wo er etwa den Begriff des Nationalstaats zugunsten einer neuen, übernationalen Staatsform in Frage stellt; er kritisiert die Politik des Deutschen Reiches deutlich, aber nur punktuell und innerhalb der traditionellen politischen Deutungsmuster; und die Revolution, die der Niederlage folgt und die erste deutsche Republik bringen wird, findet bei ihm keinerlei Sympathie.

Ganz anders also als seine - ihm damals natürlich noch unbekannten - Zeitgenossen in der jüdisch-deutschen Philosophie, neben die er heute gern gestellt wird. Anders als der revolutionäre Apokalyptiker Ernst Bloch, der zionistische Anarchist Gershom Scholem, der elitäre Eklektiker Walter Benjamin ist Rosenzweig kein Kriegsgegner, vielmehr ein bürgerlich-konservativer und durchaus staatstragender Zeitgenosse, für den der Sieg Deutschlands gegen den sehr negativ gesehenen Westen, vor allem Frankreich und England, lange eine Selbstverständlichkeit ist. Hier steht Franz Rosenzweig sogar dem Thomas Mann der "Betrachtungen eines Unpolitischen" näher als den stets zu Radikallösungen tendierenden und heute so viel berühmteren Kollegen, die seinen Weg in Frankfurt dann kreuzen, ihm aber immer fern und fremd bleiben werden.

WOLFGANG MATZ.

Wolfgang D. Herzfeld: "Franz Rosenzweig, ,Mitteleuropa' und der Erste Weltkrieg". Rosenzweigs politische Ideen im zeitgeschichtlichen Kontext.

Verlag Karl Alber, Freiburg 2013. 560 S., br., 59,- [Euro].

Franz Rosenzweig: "Feldpostbriefe". Die Korrespondenz mit den Eltern (1914-1917).

Verlag Karl Alber, Freiburg 2013. 608 S., geb., 98,- [Euro].

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