Feldrabbiner spiegeln die Präsenz deutscher jüdischer Soldaten an den Fronten des Ersten Weltkriegs wider. Die jüdischen Gemeinden und Organisationen verbanden damit die Hoffnung auf eine weiter zunehmende Anerkennung der jüdischen Gemeinschaft und ihrer Religion durch die Umgebungsgesellschaft.Zu den zentralen Aufgaben der Feldrabbiner gehörten, neben der eigentlichen religiösen Seelsorge, die Verteilung von religiöser Lektüre und Liebesgaben aus der Heimat, die Durchführung von Unterhaltungsabenden und Vorträgen und der Dienst in Lazaretten. Nach der sogenannten Judenzählung 1916 widmeten sie sich auch verstärkt dem Kampf gegen den Antisemitismus in den deutschen Streitkräften. In diesem Buch werden erstmals die durch umfassende Recherchen ermittelten Feldrabbiner und Feldhilfsrabbiner der deutschen Streitkräfte mit ihren Biographien vorgestellt sowie umfangreiche Dokumente ihrer Tätigkeit abgebildet und kommentiert.
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Süddeutsche ZeitungKURZKRITIK
Frontseelsorge
Ein Handbuch erschließt das
Leben von 45 Feldrabbinern
Hugo Klein wurde 1890 als viertes von acht Kindern in Berlin geboren. Innerhalb von 16 Tagen erwarb er im Juni 1914 in Würzburg den philosophischen Doktortitel und das Rabbinerdiplom an der liberalen Berliner „Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums“. Noch im Mai 1918 wurde Klein Feldrabbiner der deutschen Armee in Rumänien. Am 15. August 1942, bis dahin hatte er in Berlin seine seelsorgerischen Aufgaben erfüllt, wurde er mit seiner Ehefrau nach Riga verschleppt und drei Tage später ermordet. Drei seiner Geschwister überlebten.
Anders ist es Leo Baerwald ergangen. 1883 in Böhmen geboren, wurde der 1905 promovierte Philosoph sechs Jahre später am konservativen „Jüdisch-theologischen Seminar“ in Breslau zum Rabbiner ernannt. Im selben Jahr kam er nach München und war dort bis 1940 an der liberalen Hauptsynagoge tätig. Von 1914 bis 1917 war Baerwald als Feldrabbiner an der Westfront eingesetzt. Dem kurzzeitig in Dachau Inhaftierten gelang noch 1940 die Flucht über Genua in die USA, wo er 1970 verstarb. Ebenso wie Klein erhielt er das Eiserne Kreuz, dazu noch den Bayerischen Militärverdienstorden, 4. Klasse.
Zwei Schicksale, die in gewisser Weise typisch für die insgesamt 45 Lebensläufe von sogenannten Feldrabbinern und Hilfsfeldrabbinern der deutschen Streitkräfte im Ersten Weltkrieg sind, die sich nunmehr in einem beeindruckenden Sammelband dokumentiert finden. Die bereits mit zahlreichen wichtigen Publikationen hervorgetretenen Editoren Hank und Simon haben die zum größten Teil kaum mehr lesbaren Lebensspuren der Rabbiner und ihrer Familien freigelegt und durch den Abdruck zahlreicher Zeugnisse ihrer Tätigkeiten einen wesentlichen Beitrag für die deutsch-jüdische Geschichte von 1914 bis 1918 geliefert.
THOMAS MEYER
Sabine Hank, Hermann Simon, Uwe Hank: Feldrabbiner in den deutschen Streitkräften des Ersten Weltkrieges. Verlag Hentrich&Hentrich, Berlin 2013. 624 Seiten, 170 Abb., 48 Euro.
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Frontseelsorge
Ein Handbuch erschließt das
Leben von 45 Feldrabbinern
Hugo Klein wurde 1890 als viertes von acht Kindern in Berlin geboren. Innerhalb von 16 Tagen erwarb er im Juni 1914 in Würzburg den philosophischen Doktortitel und das Rabbinerdiplom an der liberalen Berliner „Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums“. Noch im Mai 1918 wurde Klein Feldrabbiner der deutschen Armee in Rumänien. Am 15. August 1942, bis dahin hatte er in Berlin seine seelsorgerischen Aufgaben erfüllt, wurde er mit seiner Ehefrau nach Riga verschleppt und drei Tage später ermordet. Drei seiner Geschwister überlebten.
Anders ist es Leo Baerwald ergangen. 1883 in Böhmen geboren, wurde der 1905 promovierte Philosoph sechs Jahre später am konservativen „Jüdisch-theologischen Seminar“ in Breslau zum Rabbiner ernannt. Im selben Jahr kam er nach München und war dort bis 1940 an der liberalen Hauptsynagoge tätig. Von 1914 bis 1917 war Baerwald als Feldrabbiner an der Westfront eingesetzt. Dem kurzzeitig in Dachau Inhaftierten gelang noch 1940 die Flucht über Genua in die USA, wo er 1970 verstarb. Ebenso wie Klein erhielt er das Eiserne Kreuz, dazu noch den Bayerischen Militärverdienstorden, 4. Klasse.
Zwei Schicksale, die in gewisser Weise typisch für die insgesamt 45 Lebensläufe von sogenannten Feldrabbinern und Hilfsfeldrabbinern der deutschen Streitkräfte im Ersten Weltkrieg sind, die sich nunmehr in einem beeindruckenden Sammelband dokumentiert finden. Die bereits mit zahlreichen wichtigen Publikationen hervorgetretenen Editoren Hank und Simon haben die zum größten Teil kaum mehr lesbaren Lebensspuren der Rabbiner und ihrer Familien freigelegt und durch den Abdruck zahlreicher Zeugnisse ihrer Tätigkeiten einen wesentlichen Beitrag für die deutsch-jüdische Geschichte von 1914 bis 1918 geliefert.
THOMAS MEYER
Sabine Hank, Hermann Simon, Uwe Hank: Feldrabbiner in den deutschen Streitkräften des Ersten Weltkrieges. Verlag Hentrich&Hentrich, Berlin 2013. 624 Seiten, 170 Abb., 48 Euro.
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