In Frankfurt am Main war Felix Mendelssohn Bartholdy glücklich wie kaum anderswo. Im Familienhaus seiner Frau Cécile Jeanrenaud am Mainufer - sein zweites Heim -, im Stadtwald und im Kurort Soden komponierte er viele seiner großen Werke. In dieser Ruhe fand er Anregungen für seine "Lieder ohne Worte" und seine Oratorien. Auch der Cäcilienchor, den er zeitweise leitete, zog ihn an. In den 1830ern fand der bedeutendste Musiker seiner Zeit in der freien Reichsstadt eine Bürgergesellschaft, die politisch, wirtschaftlich und vor allem kulturell gleichsam aufblühte - und die ihn liebte und ehrte. Sein Wunsch, sich ganz nach Frankfurt zurückzuziehen, scheiterte an seinem frühen Tod.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungEntsetzlich verliebt in eine Frankfurterin
Den Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy verband einiges mit der Mainmetropole. Am meisten eine hübsche Frau aus einer berühmten Familie.
Von Hans Riebsamen
In Frankfurt auf der Zeil. So heißt ein kurzes Stück für vier Männerstimmen von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Partitur liegt wohlverwahrt in der Universitätsbibliothek. Auf dieser Zeil, so heißt es weiter im Text, "da steht ein junger Mann / steht eine lange Weile / und schaut die Sterne an." Der junge Mann ist der Komponist selbst, dem, wiewohl er aus Hamburg stammt, in Berlin aufwuchs und in Leipzig wirkte, Frankfurt ein vertrauter und geschätzter Ort war.
Manches hat Mendelssohn Bartholdy mit der Mainmetropole verbunden, am wichtigsten war dabei die Liebe. Denn hier traf er im Sommer 1836 die Frau seines Lebens, Cécile Jeanrenaud, deren Familie am Fahrtor in einem Haus wohnte, an dessen Stelle heute ein kürzlich errichteter Neubau mit einem Wirtshaus im Erdgeschoss steht.
Dem Komponisten hat der frühere F.A.Z.-Korrespondent Robert von Lucius, der weitläufig mit der Familie der Jeanrenauds verwandt ist, ein Bändchen mit dem Titel "Felix Mendelssohn Bartholdy in Frankfurt am Main" gewidmet. Schon Felix' Vater Abraham pflegte Beziehungen nach Frankfurt, wohnte doch dort seine Schwester Dorothea, die mit Friedrich Schlegel verheiratet war und sich einen Namen als Schriftstellerin gemacht hat.
Schon als junger Pianist war Felix in Frankfurt dem heute noch bestehenden Cäcilienchor verbunden, den er von 1832 an häufig dirigierte und vorübergehend auch leitete. Die Bitte, diesen Klangkörper zu übernehmen, lehnte er ab, das Angebot, das Gewandhausorchester in Leipzig zu leiten, erschien ihm attraktiver. Im Depot der Universitätsbibliothek steht noch ein Flügel aus dem Besitz der Familie Souchay, auf dem Felix gespielt hat.
Seine erste Begegnung mit Cécile Jeanrenaud, einer Tochter des damals schon verstorbenen reformierten Predigers Auguste Jeanrenaud, hatte Felix am 4. Mai 1836, als er nach Frankfurt gekommen war, um für den erkrankten Leiter des Cäcilienchors einzuspringen. Das junge Genie verliebte sich auf der Stelle in die hübsche Frau. Cécile allerdings glaubte, Felix sei von ihrer älteren Schwester Julie angezogen oder gar von ihrer weltgewandten Mutter. Seinem Freund Ferdinand Hiller vertraute der Komponist seine Gefühle an, Felix habe über nichts anderes reden können als über seine Liebe zu Cécile, berichtete Hiller später.
Das erste Mal taucht der Name seiner Verehrten in seinem "Schreibkalender", in dem Felix wichtige Ereignisse vermerkte, am 9. Juni 1836 auf: "Ab(ends) zu Souchay. Verabredung zum Zeichnen. Zeichenbuch Cécile." Seiner jüngsten Schwester Rebecka schrieb er am 24. Juli 1836 aus Frankfurt: "Diese Zeit ist sonderbar. Ich bin so entsetzlich verliebt, wie noch niemals in meinem Leben, und ich weiß nicht, was ich anfangen soll." Und seiner älteren Schwester Fanny, die später als Komponistin immer in seinem Schatten stand, vermeldete der Bruder: "Dass es solch ein liebes, gutes Kind noch in der Welt geben könnte, daran hatte ich ganz den Glauben verloren."
Unter dem 9. September vermerkt er im Kalender einen Ausflug mit Cécile nach Kronthal im Taunus. Tatsächlich hat Felix sich an diesem Tag mit ihr verlobt, wie er am Abend seiner Mutter schreibt: " Wie ist mir so reich und glücklich." Später schrieb Céciles Onkel Eduard Souchay, das junge Paar sei in den Taunus gefahren und unter einer Buche im Kronberger Kronthal habe Felix Cécile seine Liebe gestanden.
Die Mutter Céciles stammte aus der wohlhabenden Hugenottenfamilie Souchay, die von der Loire stammte und zu einer der angesehensten großbürgerlichen Familien in Deutschland und England avancierte. Johann, der Bruder von Mutter Elisabeth, der es als Großkaufmann in Manchester zu enormem Reichtum gebracht hatte, baute später in Dresden das Schloss Eckberg, das im Volksmund "Villa Souchay" genannt wurde. Und der erwähnte Onkel Eduard Souchay war in Frankfurt Advokat und Senator und brachte es sogar zum Bürgermeister. Emilia, eine Schwester von Céciles Mutter, war in Heidelberg mit Friedrich Fallenstein verheiratet, zu ihren Nachkommen zählen die Soziologen Max und Alfred Weber sowie der Historiker Theodor Mommsen. In Frankfurt sahen sich die aus dem schweizerischen Neuchâtel stammenden Jeanrenauds und die Souchays als eine Insel des Calvinismus in einer Stadt der Lutheraner.
Im herrschaftlichen Elternhaus von Cécile mit sieben Fenstern zum Main mit Blick auf Sachsenhausen saß Felix oft stundenlang im ersten Stock und betrachtete das Geschehen auf dem Main, gelegentlich zeichnete er dort auch. Freilich fehlt an dem neuen Gebäude dort heute jede Erinnerung an den berühmten Gast. Immerhin verdankte die Welt dem in eine Frankfurterin verliebten Komponisten ein hübsches Werk, das "Duetto" op. 38, eines der wenigen "Lieder ohne Worte", denen Mendelssohn Bartholdy einen Titel gab. Er schenkte diesen Dialog einer Sopran- und einer Tenorstimme als Weihnachtspräsent seiner Verlobten. Zwischen Verlobung und Hochzeit musste das Paar übrigens innerhalb von drei Tagen 163 Besuche bei Verwandten und Bekannten abstatten, um ihre Verbindung zu verkünden. So groß und bedeutsam war die Familie der Braut in Frankfurt.
Am 28. März 1837 heirateten Felix und Cécile in der französisch-reformierten Kirche am Goetheplatz. In diesem Gotteshaus der Nachfahren der französischen Glaubensflüchtlinge wurde übrigens bis 1916 der Gottesdienst auf Französisch zelebriert, dann war diese Tradition in der Welle des Nationalismus und der Erzfeindschaft zu Frankreich nicht mehr zu halten. Wie auch zwei Jahrzehnte später die Mendelssohnstraße im Westend in einer anderen Welle des Irrsinns, des Rassenwahns der Nazis, in Joseph-Haydn-Straße umbenannt wurde. Dabei war Felix Mendelssohn Bartholdy überhaupt kein Jude, sondern christlich erzogen und am 21. März 1816 zu Hause in Berlin protestantisch getauft worden.
Robert von Lucius: "Felix Mendelssohn Bartholdy in Frankfurt am Main", 72 Seiten, Morio Verlag, 7,95 Euro
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Den Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy verband einiges mit der Mainmetropole. Am meisten eine hübsche Frau aus einer berühmten Familie.
Von Hans Riebsamen
In Frankfurt auf der Zeil. So heißt ein kurzes Stück für vier Männerstimmen von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Partitur liegt wohlverwahrt in der Universitätsbibliothek. Auf dieser Zeil, so heißt es weiter im Text, "da steht ein junger Mann / steht eine lange Weile / und schaut die Sterne an." Der junge Mann ist der Komponist selbst, dem, wiewohl er aus Hamburg stammt, in Berlin aufwuchs und in Leipzig wirkte, Frankfurt ein vertrauter und geschätzter Ort war.
Manches hat Mendelssohn Bartholdy mit der Mainmetropole verbunden, am wichtigsten war dabei die Liebe. Denn hier traf er im Sommer 1836 die Frau seines Lebens, Cécile Jeanrenaud, deren Familie am Fahrtor in einem Haus wohnte, an dessen Stelle heute ein kürzlich errichteter Neubau mit einem Wirtshaus im Erdgeschoss steht.
Dem Komponisten hat der frühere F.A.Z.-Korrespondent Robert von Lucius, der weitläufig mit der Familie der Jeanrenauds verwandt ist, ein Bändchen mit dem Titel "Felix Mendelssohn Bartholdy in Frankfurt am Main" gewidmet. Schon Felix' Vater Abraham pflegte Beziehungen nach Frankfurt, wohnte doch dort seine Schwester Dorothea, die mit Friedrich Schlegel verheiratet war und sich einen Namen als Schriftstellerin gemacht hat.
Schon als junger Pianist war Felix in Frankfurt dem heute noch bestehenden Cäcilienchor verbunden, den er von 1832 an häufig dirigierte und vorübergehend auch leitete. Die Bitte, diesen Klangkörper zu übernehmen, lehnte er ab, das Angebot, das Gewandhausorchester in Leipzig zu leiten, erschien ihm attraktiver. Im Depot der Universitätsbibliothek steht noch ein Flügel aus dem Besitz der Familie Souchay, auf dem Felix gespielt hat.
Seine erste Begegnung mit Cécile Jeanrenaud, einer Tochter des damals schon verstorbenen reformierten Predigers Auguste Jeanrenaud, hatte Felix am 4. Mai 1836, als er nach Frankfurt gekommen war, um für den erkrankten Leiter des Cäcilienchors einzuspringen. Das junge Genie verliebte sich auf der Stelle in die hübsche Frau. Cécile allerdings glaubte, Felix sei von ihrer älteren Schwester Julie angezogen oder gar von ihrer weltgewandten Mutter. Seinem Freund Ferdinand Hiller vertraute der Komponist seine Gefühle an, Felix habe über nichts anderes reden können als über seine Liebe zu Cécile, berichtete Hiller später.
Das erste Mal taucht der Name seiner Verehrten in seinem "Schreibkalender", in dem Felix wichtige Ereignisse vermerkte, am 9. Juni 1836 auf: "Ab(ends) zu Souchay. Verabredung zum Zeichnen. Zeichenbuch Cécile." Seiner jüngsten Schwester Rebecka schrieb er am 24. Juli 1836 aus Frankfurt: "Diese Zeit ist sonderbar. Ich bin so entsetzlich verliebt, wie noch niemals in meinem Leben, und ich weiß nicht, was ich anfangen soll." Und seiner älteren Schwester Fanny, die später als Komponistin immer in seinem Schatten stand, vermeldete der Bruder: "Dass es solch ein liebes, gutes Kind noch in der Welt geben könnte, daran hatte ich ganz den Glauben verloren."
Unter dem 9. September vermerkt er im Kalender einen Ausflug mit Cécile nach Kronthal im Taunus. Tatsächlich hat Felix sich an diesem Tag mit ihr verlobt, wie er am Abend seiner Mutter schreibt: " Wie ist mir so reich und glücklich." Später schrieb Céciles Onkel Eduard Souchay, das junge Paar sei in den Taunus gefahren und unter einer Buche im Kronberger Kronthal habe Felix Cécile seine Liebe gestanden.
Die Mutter Céciles stammte aus der wohlhabenden Hugenottenfamilie Souchay, die von der Loire stammte und zu einer der angesehensten großbürgerlichen Familien in Deutschland und England avancierte. Johann, der Bruder von Mutter Elisabeth, der es als Großkaufmann in Manchester zu enormem Reichtum gebracht hatte, baute später in Dresden das Schloss Eckberg, das im Volksmund "Villa Souchay" genannt wurde. Und der erwähnte Onkel Eduard Souchay war in Frankfurt Advokat und Senator und brachte es sogar zum Bürgermeister. Emilia, eine Schwester von Céciles Mutter, war in Heidelberg mit Friedrich Fallenstein verheiratet, zu ihren Nachkommen zählen die Soziologen Max und Alfred Weber sowie der Historiker Theodor Mommsen. In Frankfurt sahen sich die aus dem schweizerischen Neuchâtel stammenden Jeanrenauds und die Souchays als eine Insel des Calvinismus in einer Stadt der Lutheraner.
Im herrschaftlichen Elternhaus von Cécile mit sieben Fenstern zum Main mit Blick auf Sachsenhausen saß Felix oft stundenlang im ersten Stock und betrachtete das Geschehen auf dem Main, gelegentlich zeichnete er dort auch. Freilich fehlt an dem neuen Gebäude dort heute jede Erinnerung an den berühmten Gast. Immerhin verdankte die Welt dem in eine Frankfurterin verliebten Komponisten ein hübsches Werk, das "Duetto" op. 38, eines der wenigen "Lieder ohne Worte", denen Mendelssohn Bartholdy einen Titel gab. Er schenkte diesen Dialog einer Sopran- und einer Tenorstimme als Weihnachtspräsent seiner Verlobten. Zwischen Verlobung und Hochzeit musste das Paar übrigens innerhalb von drei Tagen 163 Besuche bei Verwandten und Bekannten abstatten, um ihre Verbindung zu verkünden. So groß und bedeutsam war die Familie der Braut in Frankfurt.
Am 28. März 1837 heirateten Felix und Cécile in der französisch-reformierten Kirche am Goetheplatz. In diesem Gotteshaus der Nachfahren der französischen Glaubensflüchtlinge wurde übrigens bis 1916 der Gottesdienst auf Französisch zelebriert, dann war diese Tradition in der Welle des Nationalismus und der Erzfeindschaft zu Frankreich nicht mehr zu halten. Wie auch zwei Jahrzehnte später die Mendelssohnstraße im Westend in einer anderen Welle des Irrsinns, des Rassenwahns der Nazis, in Joseph-Haydn-Straße umbenannt wurde. Dabei war Felix Mendelssohn Bartholdy überhaupt kein Jude, sondern christlich erzogen und am 21. März 1816 zu Hause in Berlin protestantisch getauft worden.
Robert von Lucius: "Felix Mendelssohn Bartholdy in Frankfurt am Main", 72 Seiten, Morio Verlag, 7,95 Euro
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