Amsterdam zur Nachkriegszeit und ein Held, dessen Welt plötzlich Kopf steht. Ein historischer Roman für Kinder vom großen Romancier - zum Selberlesen und Vorlesen, aufs Schönste übersetzt von Mirjam Pressler.
Amsterdam in den 50er-Jahren. Felix Wonder lebt mit seiner Familie in einem kriegslädierten, für unbewohnbar erklärten Haus. Doch Felix liebt seine Kerkestraat - und vor allem: Kusine Veertje, mit der sich herrlich spielen lässt, ohne viel zu sagen. Doch mit einem Mal verändert sich Felix Welt: Veertje wandert nach Australien aus, Felix selbst muss für einige Zeit ins Kinderheim Freudenvoll. Dort erwartet ihn nichts Gutes... Und er vermisst Veertje ganz schrecklich. Ob Felix sie je wiedersehen wird?
Eine ergreifende Geschichte von unerschütterlicher Zuversicht und einer ersten, zarten Liebe.
Amsterdam in den 50er-Jahren. Felix Wonder lebt mit seiner Familie in einem kriegslädierten, für unbewohnbar erklärten Haus. Doch Felix liebt seine Kerkestraat - und vor allem: Kusine Veertje, mit der sich herrlich spielen lässt, ohne viel zu sagen. Doch mit einem Mal verändert sich Felix Welt: Veertje wandert nach Australien aus, Felix selbst muss für einige Zeit ins Kinderheim Freudenvoll. Dort erwartet ihn nichts Gutes... Und er vermisst Veertje ganz schrecklich. Ob Felix sie je wiedersehen wird?
Eine ergreifende Geschichte von unerschütterlicher Zuversicht und einer ersten, zarten Liebe.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.09.2011Die Girlande hängt schlaff
Abgründig: Peter van Gestels Kinderbuch "Felix Wonder"
"Hattest du keine Angst, so allein im Haus?" Es ist eine gedankenlose Frage, die der Vater seinem Sohn Felix stellt, und den Zehnjährigen überfällt nachträglich das beklemmende Gefühl, das er zuvor erfolgreich projiziert hatte: Im Radio hatte er lustvoll einem Gruselhörspiel gelauscht, Stimmen und Geräusche aus dem Äther wiegten ihn in der Illusion, die Gefahr befände sich in weiter Ferne. Mit der Frage kommt die Angst zurück. Sie ergreift Felix, der sich in dem Moment nur zu gern auf die Beruhigung durch den Vater verlassen würde: "Doch das passierte natürlich nicht, er war ja schon zehn."
Hinter diesem Satz verbirgt der niederländische Autor Peter van Gestel das dramatische Geschehen seines Romans "Felix Wonder", der in der Nachkriegszeit in Amsterdam spielt: Das Bild des Vaters erhält einen tiefen Riss. Der imposante Jongleur, den der Sohn zu Beginn auf der Bühne des größten Kinos der Stadt bewundert hatte, schrumpft plötzlich auf die Größe eines "ungeschickten Kerls", dem keine Kunst mehr anzumerken ist.
Van Gestels verhaltener Erzählton geht nur scheinbar gleichmütig über die ungeheuerlichsten seelischen Verletzungen hinweg. Der Autor schildert höchst ausdrucksvoll nicht nur eine dem Kind eigene Erlebniswelt, sondern verteidigt sie auch gegen jede Vereinnahmung durch die Erwachsenen - deren Gebaren ja nicht nur in der Fiktion bisweilen bizarre Züge annimmt. Wenn die Mutter am Bett ihres Sohnes sitzt und ihm erzählt, wie sie den Vater kennengelernt hat, will Felix von beider Geschichte einfach nichts wissen und hofft auf Rücksichtnahme, wie er sie selbst an den Tag legt. Doch die Mutter überhört die Signale. Ihre Stimme geleitet nicht mehr, wie einst, sanft in die Traumwelt hinüber, sondern zerrt ihr Kind in die eigene Realität zurück und bedrängt den angeblich von Geburt an "besonderen Jungen" mit ihrer Sehnsucht, sich im Wunderkind zu spiegeln.
Dabei ist es eigentlich Felix, der dringend auf Zuwendung angewiesen wäre. Die Menschen, die ihm am wichtigsten sind, verlassen ihn. Er muss die Auswanderung seiner geliebten Cousine Veertje verkraften und erfährt ausgerechnet an seinem elften Geburtstag, dass er - wenn auch nur für einige Zeit - in ein Kinderheim abgeschoben werden soll.
Van Gestels feinfühlig erzählter Kinderroman bezieht seine Kraft aus der Diskrepanz zwischen der genauen Beobachtungsgabe seines kindlichen Erzählers und dem Gerede der Erwachsenen. Während die Eltern das Heim in schönen Farben auszumalen suchen, bemerkt er an kleinen Anzeichen wie schlaff herabhängenden Festgirlanden, wie freudlos das Leben in der Anstalt wirklich ist. Gleichwohl lässt van Gestel ihn auch an diesem Ort seine Würde bewahren. Und beschenkt ihn schließlich mit einem echten Happy End: Die Cousine kehrt aus Australien zurück.
HEIDI STROBEL
Peter van Gestel: "Felix Wonder".
Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler. Bilder von Gerda Raidt. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2010. 191 S., geb, 12,95 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Abgründig: Peter van Gestels Kinderbuch "Felix Wonder"
"Hattest du keine Angst, so allein im Haus?" Es ist eine gedankenlose Frage, die der Vater seinem Sohn Felix stellt, und den Zehnjährigen überfällt nachträglich das beklemmende Gefühl, das er zuvor erfolgreich projiziert hatte: Im Radio hatte er lustvoll einem Gruselhörspiel gelauscht, Stimmen und Geräusche aus dem Äther wiegten ihn in der Illusion, die Gefahr befände sich in weiter Ferne. Mit der Frage kommt die Angst zurück. Sie ergreift Felix, der sich in dem Moment nur zu gern auf die Beruhigung durch den Vater verlassen würde: "Doch das passierte natürlich nicht, er war ja schon zehn."
Hinter diesem Satz verbirgt der niederländische Autor Peter van Gestel das dramatische Geschehen seines Romans "Felix Wonder", der in der Nachkriegszeit in Amsterdam spielt: Das Bild des Vaters erhält einen tiefen Riss. Der imposante Jongleur, den der Sohn zu Beginn auf der Bühne des größten Kinos der Stadt bewundert hatte, schrumpft plötzlich auf die Größe eines "ungeschickten Kerls", dem keine Kunst mehr anzumerken ist.
Van Gestels verhaltener Erzählton geht nur scheinbar gleichmütig über die ungeheuerlichsten seelischen Verletzungen hinweg. Der Autor schildert höchst ausdrucksvoll nicht nur eine dem Kind eigene Erlebniswelt, sondern verteidigt sie auch gegen jede Vereinnahmung durch die Erwachsenen - deren Gebaren ja nicht nur in der Fiktion bisweilen bizarre Züge annimmt. Wenn die Mutter am Bett ihres Sohnes sitzt und ihm erzählt, wie sie den Vater kennengelernt hat, will Felix von beider Geschichte einfach nichts wissen und hofft auf Rücksichtnahme, wie er sie selbst an den Tag legt. Doch die Mutter überhört die Signale. Ihre Stimme geleitet nicht mehr, wie einst, sanft in die Traumwelt hinüber, sondern zerrt ihr Kind in die eigene Realität zurück und bedrängt den angeblich von Geburt an "besonderen Jungen" mit ihrer Sehnsucht, sich im Wunderkind zu spiegeln.
Dabei ist es eigentlich Felix, der dringend auf Zuwendung angewiesen wäre. Die Menschen, die ihm am wichtigsten sind, verlassen ihn. Er muss die Auswanderung seiner geliebten Cousine Veertje verkraften und erfährt ausgerechnet an seinem elften Geburtstag, dass er - wenn auch nur für einige Zeit - in ein Kinderheim abgeschoben werden soll.
Van Gestels feinfühlig erzählter Kinderroman bezieht seine Kraft aus der Diskrepanz zwischen der genauen Beobachtungsgabe seines kindlichen Erzählers und dem Gerede der Erwachsenen. Während die Eltern das Heim in schönen Farben auszumalen suchen, bemerkt er an kleinen Anzeichen wie schlaff herabhängenden Festgirlanden, wie freudlos das Leben in der Anstalt wirklich ist. Gleichwohl lässt van Gestel ihn auch an diesem Ort seine Würde bewahren. Und beschenkt ihn schließlich mit einem echten Happy End: Die Cousine kehrt aus Australien zurück.
HEIDI STROBEL
Peter van Gestel: "Felix Wonder".
Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler. Bilder von Gerda Raidt. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2010. 191 S., geb, 12,95 [Euro]. Ab 10 J.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Einen äußerst "feinfühligen" Kinderroman hat Rezensentin Heidi Strobel in "Felix Wonder", dem neuen Buch des niederländischen Schriftstellers Peter van Gestel vorgefunden. Ausdrucksstark schildere der Autor die vielen seelischen Verletzungen des zehnjährigen Felix, der im Amsterdam der Nachkriegszeit aufwächst: erst enttäuscht ihn der einst bewunderte Vater, später holt seine Mutter ihn mit den Erinnerungen ihrer Vergangenheit aus der kindlich-sanften Traumwelt in die Realität, schließlich muss er für einige Zeit in ein Kinderheim. Die Kritikerin lobt insbesondere van Gestels Talent, dem Gerede der Erwachsenen die "genaue Beobachtungsgabe" des kindlichen Erzählers gegenüberzustellen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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