Produktdetails
- Ullstein Taschenbuch
- Verlag: Ullstein TB
- Gewicht: 214g
- ISBN-13: 9783548358703
- ISBN-10: 3548358705
- Artikelnr.: 24063160
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.09.1999Kaufmännische Grundsätze, hurra!
Wer im Buchgeschäft erfinderisch sein, aber nicht nach neuen Themen oder Autoren suchen will, setzt meist auf Reihen: Frauen, die Familie Mann, wichtige Tage unseres Jahrhunderts - alles kann in einheitliche Formate gepackt, hässlich gestaltet und en bloc auf den Markt geworfen werden. Da ist es schon wohltuend, wenn einmal ein weniger gängiges Sachgebiet gewählt wird, und man darf es wohl als überraschend empfinden, dass es beim nimmermüden Verlangen nach Innovation so lange gedauert hat, bis die Erfinder als Sujet entdeckt wurden. Besser noch: die deutschen Erfinder, oder am besten (heutzutage muss es ja Englisch sein): Made in Germany. So zumindest verkündet es das güldene Siegel auf dem silbernen Umschlag (dem Ausland bleibt da wohl nur noch Blech) einer neuen Reihe, die sich dem "Jahrhundert der Erfindungen" widmet. Dieses Jahrhundert ist, zweite Überraschung, nicht identisch mit dem zwanzigsten. Wie auch - wissen wir doch längst, wie kurz es war, von 1917 bis 1989, wenn man den Historikern glauben darf. Was soll da schon geschehen sein? Nein, das lange deutsche "Jahrhundert der Erfindungen" reicht von mindestens 1836, als Lothar Faber die Bleistiftfabrik seiner Vorväter übernahm und aus ihr binnen kurzem den Weltmarktführer machte, bis in die fünfziger Jahre, als Max Grundig oder Adi Dassler ihre Firmen auf Erfolgskurs brachten. Jeweils einem dieser Gründerväter wird ein Bändchen gewidmet, acht sind projektiert, vier bereits erschienen: zu Faber, Zeppelin, Grundig und Philip Rosenthal. Ihre Lektüre lässt indes manchen Mythos verblassen. Ob der Graf Zeppelin am Anfang ausgelacht wurde, weiß Helmut Pigge ("Ferdinand Graf von Zeppelin". Ullstein Verlag, Berlin 1999. 175 S., Abb., br., 16,90 DM) leider auch nicht so genau. Aber Leute wie der Graf mussten Geld haben, viel Geld, um ihre Träume zu verwirklichen. Zeppelin besaß viel Geld, und noch mehr wurde es nach dem tragischen Brand eines seiner Luftschiffe im Jahr 1908, als das mitleidige deutsche Volk für seinen Lieblingsgrafen sechs Millionen sammelte, um ihm die Fortführung seiner luftigen Geschäfte zu ermöglichen. Pigge findet für diesen nationalen Anfall von Euphorie allein im Jahr 1989 eine Parallele - ein etwas gewagter Vergleich, der allerdings in bester Tradition steht. Hatte doch schon Kaiser Wilhelm II. in einem seiner notorischen Begeisterungstaumel Zeppelin zum größten Deutschen des Jahrhunderts erklärt, als das Säculum gerade einmal acht Lenze zählte. Schöne, dicke Erfindungen wie das Luftschiff haben es eben leichter. Lothar Faber, dessen Werdegang Juliane Nitzke-Dürr erzählt ("Lothar Freiherr von Faber". Ullstein Verlag, Berlin 1999. 158 S., Abb., br., 16,90 DM), hatte es weitaus schwerer, als er mit simplen Bleistiften hausieren musste, deren einziger Vorzug ihre enorme Qualität war. Zum Mythos taugte der Steiner Fabrikant viel weniger als ein Graf, denn Faber schwor auch noch nach der Erhebung in den Freiherrnstand auf seine kaufmännischen Grundsätze: Recht und Fleiß. Sittenloses Treiben lehnte er ab; schon die Gründung von Konkurrenzunternehmen durch seine Brüder war ihm Verrat am Familienethos. Trotzdem ist von seinem Unternehmergeist mehr geblieben als von des Grafen Visionen. Faber-Castell ist heute noch Weltmarktführer, der Anblick eines Zeppelins zaubert nur ein Lächeln auf das Antlitz der Menschen jenseits des Jahrhunderts der Erfindungen. Immerhin bringt der Graf die Menschen immer noch zum Lachen - das ist mehr, als die meisten Erfinder von sich behaupten können.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer im Buchgeschäft erfinderisch sein, aber nicht nach neuen Themen oder Autoren suchen will, setzt meist auf Reihen: Frauen, die Familie Mann, wichtige Tage unseres Jahrhunderts - alles kann in einheitliche Formate gepackt, hässlich gestaltet und en bloc auf den Markt geworfen werden. Da ist es schon wohltuend, wenn einmal ein weniger gängiges Sachgebiet gewählt wird, und man darf es wohl als überraschend empfinden, dass es beim nimmermüden Verlangen nach Innovation so lange gedauert hat, bis die Erfinder als Sujet entdeckt wurden. Besser noch: die deutschen Erfinder, oder am besten (heutzutage muss es ja Englisch sein): Made in Germany. So zumindest verkündet es das güldene Siegel auf dem silbernen Umschlag (dem Ausland bleibt da wohl nur noch Blech) einer neuen Reihe, die sich dem "Jahrhundert der Erfindungen" widmet. Dieses Jahrhundert ist, zweite Überraschung, nicht identisch mit dem zwanzigsten. Wie auch - wissen wir doch längst, wie kurz es war, von 1917 bis 1989, wenn man den Historikern glauben darf. Was soll da schon geschehen sein? Nein, das lange deutsche "Jahrhundert der Erfindungen" reicht von mindestens 1836, als Lothar Faber die Bleistiftfabrik seiner Vorväter übernahm und aus ihr binnen kurzem den Weltmarktführer machte, bis in die fünfziger Jahre, als Max Grundig oder Adi Dassler ihre Firmen auf Erfolgskurs brachten. Jeweils einem dieser Gründerväter wird ein Bändchen gewidmet, acht sind projektiert, vier bereits erschienen: zu Faber, Zeppelin, Grundig und Philip Rosenthal. Ihre Lektüre lässt indes manchen Mythos verblassen. Ob der Graf Zeppelin am Anfang ausgelacht wurde, weiß Helmut Pigge ("Ferdinand Graf von Zeppelin". Ullstein Verlag, Berlin 1999. 175 S., Abb., br., 16,90 DM) leider auch nicht so genau. Aber Leute wie der Graf mussten Geld haben, viel Geld, um ihre Träume zu verwirklichen. Zeppelin besaß viel Geld, und noch mehr wurde es nach dem tragischen Brand eines seiner Luftschiffe im Jahr 1908, als das mitleidige deutsche Volk für seinen Lieblingsgrafen sechs Millionen sammelte, um ihm die Fortführung seiner luftigen Geschäfte zu ermöglichen. Pigge findet für diesen nationalen Anfall von Euphorie allein im Jahr 1989 eine Parallele - ein etwas gewagter Vergleich, der allerdings in bester Tradition steht. Hatte doch schon Kaiser Wilhelm II. in einem seiner notorischen Begeisterungstaumel Zeppelin zum größten Deutschen des Jahrhunderts erklärt, als das Säculum gerade einmal acht Lenze zählte. Schöne, dicke Erfindungen wie das Luftschiff haben es eben leichter. Lothar Faber, dessen Werdegang Juliane Nitzke-Dürr erzählt ("Lothar Freiherr von Faber". Ullstein Verlag, Berlin 1999. 158 S., Abb., br., 16,90 DM), hatte es weitaus schwerer, als er mit simplen Bleistiften hausieren musste, deren einziger Vorzug ihre enorme Qualität war. Zum Mythos taugte der Steiner Fabrikant viel weniger als ein Graf, denn Faber schwor auch noch nach der Erhebung in den Freiherrnstand auf seine kaufmännischen Grundsätze: Recht und Fleiß. Sittenloses Treiben lehnte er ab; schon die Gründung von Konkurrenzunternehmen durch seine Brüder war ihm Verrat am Familienethos. Trotzdem ist von seinem Unternehmergeist mehr geblieben als von des Grafen Visionen. Faber-Castell ist heute noch Weltmarktführer, der Anblick eines Zeppelins zaubert nur ein Lächeln auf das Antlitz der Menschen jenseits des Jahrhunderts der Erfindungen. Immerhin bringt der Graf die Menschen immer noch zum Lachen - das ist mehr, als die meisten Erfinder von sich behaupten können.
ANDREAS PLATTHAUS
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