Der Geburtstag Kaiser Ferdinands I. (1503 - 1564) jährt sich 2003 zum 500. Mal.
Alfred Kohlers Biographie macht deutlich, daß Ferdinand I., der lange Zeit im Schatten seines Bruders Karl V. stand, die Entwicklung im gesamten Heiligen Römischen Reich und damit auch in Deutschland entscheidend mitprägte und gestaltete. Ferdinand I. gehört zu den Begründern der späteren Donaumonarchie und damit zu den wichtigsten habsburgischen Herrschern der Neuzeit.
Der Autor zeichnet in diesem Band den Lebensweg Ferdinand I. nach, der als Herrscherpersönlichkeit von wahrhaft europäischer Dimension bezeichnet werden kann. Aufgewachsen in Spanien, lebte er eine Zeit lang in Brüssel und Mecheln, bevor ihm 1521 sein älterer Bruder Kaiser Karl V. das österreichische Erbe Kaiser Maximilians I. überließ. Mit seiner Wahl zum König von Böhmen und Ungarn im Jahre 1526 konnte Ferdinand seine mitteleuropäische Herrschaftsbasis erheblich erweitern. 1531 wurde er zum römischen König gewählt. 1558 erhielt er als Nachfolger seines Bruders Karl V. die Kaiserwürde. Obwohl er herrschaftsrechtlich auf Österreich, Böhmen und Ungarn beschränkt war, hat er dennoch die Entwicklung im gesamten Heiligen Römischen Reich und damit auch in Deutschland entscheidend mitgestaltet. Ohne seine nachhaltigen Bemühungen wäre im Reich wohl kaum eine religionspolitische Lösung zustande gekommen, welche die Koexistenz zweier Konfessionen zum Ziel hatte.
Alfred Kohlers Biographie macht deutlich, daß Ferdinand I., der lange Zeit im Schatten seines Bruders Karl V. stand, die Entwicklung im gesamten Heiligen Römischen Reich und damit auch in Deutschland entscheidend mitprägte und gestaltete. Ferdinand I. gehört zu den Begründern der späteren Donaumonarchie und damit zu den wichtigsten habsburgischen Herrschern der Neuzeit.
Der Autor zeichnet in diesem Band den Lebensweg Ferdinand I. nach, der als Herrscherpersönlichkeit von wahrhaft europäischer Dimension bezeichnet werden kann. Aufgewachsen in Spanien, lebte er eine Zeit lang in Brüssel und Mecheln, bevor ihm 1521 sein älterer Bruder Kaiser Karl V. das österreichische Erbe Kaiser Maximilians I. überließ. Mit seiner Wahl zum König von Böhmen und Ungarn im Jahre 1526 konnte Ferdinand seine mitteleuropäische Herrschaftsbasis erheblich erweitern. 1531 wurde er zum römischen König gewählt. 1558 erhielt er als Nachfolger seines Bruders Karl V. die Kaiserwürde. Obwohl er herrschaftsrechtlich auf Österreich, Böhmen und Ungarn beschränkt war, hat er dennoch die Entwicklung im gesamten Heiligen Römischen Reich und damit auch in Deutschland entscheidend mitgestaltet. Ohne seine nachhaltigen Bemühungen wäre im Reich wohl kaum eine religionspolitische Lösung zustande gekommen, welche die Koexistenz zweier Konfessionen zum Ziel hatte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2003Er putschte nicht, er putzte aus
Porträt eines Unbekannten: Alfred Kohlers Ferdinand-Biographie
Er war der jüngere Bruder Kaiser Karls V., doch viele hätten lieber ihn auf dem Thron gesehen. Denn Karl war, erklärt Ranke, "phlegmatisch, langsam, ernsthaft mit Jedermann, streng und stille", Ferdinand hingegen leutselig, kooperativ, "voll Gutmütigkeit und jener Offenheit, welche die Herzen gewinnt". Er dürfte, meint sein neuester Biograph "überhaupt der intelligentere und begabtere der beiden Brüder gewesen sein". Doch in dynastischen Systemen wirkt die Gnade der frühen Geburt. Und hätte ein Weltreich wirklich von einem Mann regiert werden können, über den die Zeitgenossen sagten: "Der Munt stunt jme nimmehr stille"?
Wie dem auch sei: Ferdinand verlor. Obwohl sein gleichnamiger Großvater in Aragon alles darangesetzt hatte, ihm den spanischen Thron zu sichern, übernahm 1516 Karl das Erbe der "Katholischen Könige". Und 1519, bei der Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, ging es ebenso. Würde er zugunsten seines jüngeren Bruders verzichten, konterte er einen entsprechenden Vorschlag seiner Tante, werde dies seine Ehre wie die Macht des Hauses Habsburg schmälern und allenfalls den Franzosen nützen. So herrschte Karl allein über alles: über die österreichischen und burgundischen Stammlande der Familie, über Deutschland, Ober- und Süditalien, Spanien, die westlichen Mittelmeerinseln und das neu entdeckte Amerika. Doch natürlich teilte man intern trotzdem. Ferdinand wurde Karls Statthalter - zunächst in den österreichischen Territorien, denen er 1526 Böhmen und Ungarn angliedern konnte, seit seiner Wahl zum Römischen König 1531 auch im Reich. Er tat es mit unerschütterlicher Treue. Während die jüngeren Brüder französischer Könige traditionell an allen Verschwörungen und Putschversuchen gegen die Krone teilnahmen, hielten die Habsburger eisern zusammen. Auch dies, nicht nur kluges Heiraten, gehört zu den Geheimnissen ihres Erfolges.
Erst 1551 schwenkte Ferdinand um. Damals, im Vollgefühl seines Triumphes über die protestantischen deutschen Fürsten, versuchte Karl, seinen Sohn Philipp zum künftigen Kaiser zu küren. Nun, da Ferdinands eigene Ehre auf dem Spiel stand, verbündete er sich mit jenem genialen Machiavellisten, der um diese Zeit ebenfalls die Seiten wechselte. Erst kurz zuvor war Moritz von Sachsen vom Kaiser zum Kurfürsten erhoben worden, weil er seine evangelischen Glaubensgenossen verraten und an seiner Seite ihre Niederlage erkämpft hatte. Nun trat der "Judas von Meißen" an die Spitze ebendieser besiegten Protestanten, überfiel Karl und zwang ihn zu Verhandlungen.
Offiziell fungierte Ferdinand dabei nur als Vermittler. Faktisch aber unterstützte er, der irenische Katholik, den Religionskompromiß, den sein Bruder mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Karl unterlag - und zog die radikale Konsequenz: Als die Paritätsformel, die 1552 in Passau in seinem Namen erlassen worden war, drei Jahre später vom Augsburger Reichstag zum Reichsgesetz erhoben wurde, trat er von der Kaiserwürde zurück. Sein Nachfolger wurde Ferdinand, dessen Vermittlungspolitik das Vertrauen der Fürsten gewonnen hatte. Bis 1564 regierte er und erlebte dabei alle Aporien des höchsten Regierungsamtes. Letzte Versuche, die Kirchenspaltung durch Religionsgespräche rückgängig zu machen, scheiterten. An der Grenze drohten die Türken, die 1529 erstmals Wien belagert und Ferdinand 1547 gezwungen hatten, ihnen jährlich Tribut zu zahlen. Zwar war es ein Erfolg, daß er den Reichshofrat als zweites, unbedingt kaisertreues Reichsgericht dauerhaft in Wien etablieren konnte. Doch nur der habsburgische Familienzusammenhalt verhinderte, daß sein Entschluß, die Erblande unter seine Söhne aufzuteilen, fatale Folgen zeitigte.
Heute ist Kaiser Ferdinand weitgehend unbekannt. Zu blaß wirkt der diskrete Pragmatiker neben eindrucksvollen Figuren wie Karl V., Franz I. von Frankreich, Heinrich VIII. von England oder Süleiman dem Prächtigen. In Spezialstudien zur Reichspolitik der Epoche aber ist er allgegenwärtig, wenn auch eher als Name für eine allgemeine Vermittlungspolitik denn als Persönlichkeit mit Konzepten und Visionen. Gut also, daß einer der besten Kenner Karls V., der Wiener Frühneuzeithistoriker Alfred Kohler, in einer gedrängten Lebensübersicht nun eine Rehabilitierung Ferdinands versucht. Mit Recht konzentriert er sich dabei auf dessen "mittlere Jahre", auf seine Maßnahmen als Regent in Württemberg, in Böhmen, Ungarn und den Erblanden, auf seinen "multikulturellen Hofstaat", auf seine Heiratspolitik, auf seine Versuche, ererbte Schulden abzutragen, und auf sein Vorgehen gegen "Häretiker", aufständische Bauern und selbstbewußte Stände, die sich ihr Engagement im Türkenkampf mit Zugeständnissen aller Art teuer bezahlen ließen. All diese Probleme, so zeigt sich wieder einmal, bedingten und verstärkten einander mit deprimierender Folgerichtigkeit. Jeder noch so kleine Reformversuch kostete schwere innere Kämpfe oder verlangte ein schier übermenschliches Maß an taktischen Finessen. Trotzdem schritt die Stabilisierung der Erblande unter Ferdinand merkbar voran.
Kohler möchte sein Buch als Nebenstück seiner 1999 erschienenen Karl-Biographie verstanden wissen. Ähnlich werden es die Leser empfinden. Erstaunlicherweise nämlich stützt sich der souveräne Quellenkenner kaum auf eigene Forschungen, sondern resümiert meist nur die Literatur - von Heinrich Lutz' frühen Studien bis zu Ernst Laubachs jüngst erschienener Habilitationsschrift über Ferdinands Kaiserjahre. Ein neues "Ferdinand-Bild" ist insofern nicht zu erwarten. Obwohl gerade die Passauer Verhandlungen und die Genese des Augsburger Religionsfriedens detailliert dargestellt werden, tritt Ferdinand auch hier nicht eigentlich als politischer Gestalter hervor. Eher verschwindet er hinter den von ihm betriebenen diplomatischen Aktionen. Vielleicht aber ist dies tatsächlich die passende Perspektive auf diesen Politiker.
GERRIT WALTHER
Alfred Kohler: "Ferdinand I." 1503-1564. Fürst, König und Kaiser. Verlag C. H. Beck, München 2003. 377 S., 18 Abb., 1 Karte, geb., 29,90 [Euro].
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Porträt eines Unbekannten: Alfred Kohlers Ferdinand-Biographie
Er war der jüngere Bruder Kaiser Karls V., doch viele hätten lieber ihn auf dem Thron gesehen. Denn Karl war, erklärt Ranke, "phlegmatisch, langsam, ernsthaft mit Jedermann, streng und stille", Ferdinand hingegen leutselig, kooperativ, "voll Gutmütigkeit und jener Offenheit, welche die Herzen gewinnt". Er dürfte, meint sein neuester Biograph "überhaupt der intelligentere und begabtere der beiden Brüder gewesen sein". Doch in dynastischen Systemen wirkt die Gnade der frühen Geburt. Und hätte ein Weltreich wirklich von einem Mann regiert werden können, über den die Zeitgenossen sagten: "Der Munt stunt jme nimmehr stille"?
Wie dem auch sei: Ferdinand verlor. Obwohl sein gleichnamiger Großvater in Aragon alles darangesetzt hatte, ihm den spanischen Thron zu sichern, übernahm 1516 Karl das Erbe der "Katholischen Könige". Und 1519, bei der Wahl zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, ging es ebenso. Würde er zugunsten seines jüngeren Bruders verzichten, konterte er einen entsprechenden Vorschlag seiner Tante, werde dies seine Ehre wie die Macht des Hauses Habsburg schmälern und allenfalls den Franzosen nützen. So herrschte Karl allein über alles: über die österreichischen und burgundischen Stammlande der Familie, über Deutschland, Ober- und Süditalien, Spanien, die westlichen Mittelmeerinseln und das neu entdeckte Amerika. Doch natürlich teilte man intern trotzdem. Ferdinand wurde Karls Statthalter - zunächst in den österreichischen Territorien, denen er 1526 Böhmen und Ungarn angliedern konnte, seit seiner Wahl zum Römischen König 1531 auch im Reich. Er tat es mit unerschütterlicher Treue. Während die jüngeren Brüder französischer Könige traditionell an allen Verschwörungen und Putschversuchen gegen die Krone teilnahmen, hielten die Habsburger eisern zusammen. Auch dies, nicht nur kluges Heiraten, gehört zu den Geheimnissen ihres Erfolges.
Erst 1551 schwenkte Ferdinand um. Damals, im Vollgefühl seines Triumphes über die protestantischen deutschen Fürsten, versuchte Karl, seinen Sohn Philipp zum künftigen Kaiser zu küren. Nun, da Ferdinands eigene Ehre auf dem Spiel stand, verbündete er sich mit jenem genialen Machiavellisten, der um diese Zeit ebenfalls die Seiten wechselte. Erst kurz zuvor war Moritz von Sachsen vom Kaiser zum Kurfürsten erhoben worden, weil er seine evangelischen Glaubensgenossen verraten und an seiner Seite ihre Niederlage erkämpft hatte. Nun trat der "Judas von Meißen" an die Spitze ebendieser besiegten Protestanten, überfiel Karl und zwang ihn zu Verhandlungen.
Offiziell fungierte Ferdinand dabei nur als Vermittler. Faktisch aber unterstützte er, der irenische Katholik, den Religionskompromiß, den sein Bruder mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Karl unterlag - und zog die radikale Konsequenz: Als die Paritätsformel, die 1552 in Passau in seinem Namen erlassen worden war, drei Jahre später vom Augsburger Reichstag zum Reichsgesetz erhoben wurde, trat er von der Kaiserwürde zurück. Sein Nachfolger wurde Ferdinand, dessen Vermittlungspolitik das Vertrauen der Fürsten gewonnen hatte. Bis 1564 regierte er und erlebte dabei alle Aporien des höchsten Regierungsamtes. Letzte Versuche, die Kirchenspaltung durch Religionsgespräche rückgängig zu machen, scheiterten. An der Grenze drohten die Türken, die 1529 erstmals Wien belagert und Ferdinand 1547 gezwungen hatten, ihnen jährlich Tribut zu zahlen. Zwar war es ein Erfolg, daß er den Reichshofrat als zweites, unbedingt kaisertreues Reichsgericht dauerhaft in Wien etablieren konnte. Doch nur der habsburgische Familienzusammenhalt verhinderte, daß sein Entschluß, die Erblande unter seine Söhne aufzuteilen, fatale Folgen zeitigte.
Heute ist Kaiser Ferdinand weitgehend unbekannt. Zu blaß wirkt der diskrete Pragmatiker neben eindrucksvollen Figuren wie Karl V., Franz I. von Frankreich, Heinrich VIII. von England oder Süleiman dem Prächtigen. In Spezialstudien zur Reichspolitik der Epoche aber ist er allgegenwärtig, wenn auch eher als Name für eine allgemeine Vermittlungspolitik denn als Persönlichkeit mit Konzepten und Visionen. Gut also, daß einer der besten Kenner Karls V., der Wiener Frühneuzeithistoriker Alfred Kohler, in einer gedrängten Lebensübersicht nun eine Rehabilitierung Ferdinands versucht. Mit Recht konzentriert er sich dabei auf dessen "mittlere Jahre", auf seine Maßnahmen als Regent in Württemberg, in Böhmen, Ungarn und den Erblanden, auf seinen "multikulturellen Hofstaat", auf seine Heiratspolitik, auf seine Versuche, ererbte Schulden abzutragen, und auf sein Vorgehen gegen "Häretiker", aufständische Bauern und selbstbewußte Stände, die sich ihr Engagement im Türkenkampf mit Zugeständnissen aller Art teuer bezahlen ließen. All diese Probleme, so zeigt sich wieder einmal, bedingten und verstärkten einander mit deprimierender Folgerichtigkeit. Jeder noch so kleine Reformversuch kostete schwere innere Kämpfe oder verlangte ein schier übermenschliches Maß an taktischen Finessen. Trotzdem schritt die Stabilisierung der Erblande unter Ferdinand merkbar voran.
Kohler möchte sein Buch als Nebenstück seiner 1999 erschienenen Karl-Biographie verstanden wissen. Ähnlich werden es die Leser empfinden. Erstaunlicherweise nämlich stützt sich der souveräne Quellenkenner kaum auf eigene Forschungen, sondern resümiert meist nur die Literatur - von Heinrich Lutz' frühen Studien bis zu Ernst Laubachs jüngst erschienener Habilitationsschrift über Ferdinands Kaiserjahre. Ein neues "Ferdinand-Bild" ist insofern nicht zu erwarten. Obwohl gerade die Passauer Verhandlungen und die Genese des Augsburger Religionsfriedens detailliert dargestellt werden, tritt Ferdinand auch hier nicht eigentlich als politischer Gestalter hervor. Eher verschwindet er hinter den von ihm betriebenen diplomatischen Aktionen. Vielleicht aber ist dies tatsächlich die passende Perspektive auf diesen Politiker.
GERRIT WALTHER
Alfred Kohler: "Ferdinand I." 1503-1564. Fürst, König und Kaiser. Verlag C. H. Beck, München 2003. 377 S., 18 Abb., 1 Karte, geb., 29,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Alfred Kohlers Biografie "Ferdinand I. 1503" hat Rezensent Eric-Oliver Mader gut gefallen. Durchaus "kurzweilig" und "auf dem Stand der Forschung" vermittele der Wiener Historiker Ferdinands Bedeutung einer breiteren Öffentlichkeit, lobt Mader. Während Ferdinand in der älteren Biografik seine Konturen stets im Vergleich mit seinem mächtigeren Bruder Karl V. gewonnen habe, rückt Kohler den leutseligen Ferdinand als eigenständige Persönlichkeit in den Vordergrund, notiert Mader. Anders als die ältere austrophile Forschung hebe Kohler insbesondere den Europäer Ferdinand hervor und verleihe ihm ein eigenes politisches Profil. Mit Kohlers positiver Neubewertung der politischen Rolle Ferdinands I. verblasst zu Maders Bedauern allerdings auch ein wenig seine Person.
© Perlentaucher Medien GmbH
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