Reisen war über Jahrhunderte eine gefährliche Sache, die man niemals nur aus Neugier oder auf der Suche nach Erholung unternahm. Am Ende des Mittelalters begann dann die Zeit der Entdeckungsreisen, aber erst mit der Aufklärung wurde das Reisen zu einem Element bürgerlichen Lebens. Mit Thomas Cook
wurden Reisen ab 1840 dann für ein breites Publikum erschwinglich und es begann das Zeitalter des…mehrReisen war über Jahrhunderte eine gefährliche Sache, die man niemals nur aus Neugier oder auf der Suche nach Erholung unternahm. Am Ende des Mittelalters begann dann die Zeit der Entdeckungsreisen, aber erst mit der Aufklärung wurde das Reisen zu einem Element bürgerlichen Lebens. Mit Thomas Cook wurden Reisen ab 1840 dann für ein breites Publikum erschwinglich und es begann das Zeitalter des Massentourismus. Um 1900 gab es einen ersten Boom, der sich, nur unterbrochen durch die beiden Weltkriege, bis heute fortsetzt. Mittlerweile schrumpft die touristische Welt allerdings wieder. Die meisten islamischen Regionen sind für „ungläubige“ Besucher nicht mehr sicher zu bereisen, andere ehemals vielbereiste Länder werden von Klimakrise oder politischen Unruhen destabilisiert.
Die Ausstellung „Ferne Länder, Ferne Zeiten“ im Folkwang-Museum Essen fokussiert sich auf die Goldene Zeit des Tourismus zwischen 1900 und etwa 1970 mit einem deutlichen Schwerpunkt auf den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg. Werbeplakate waren immer schon Spiegel ihrer Zeit und bieten sich daher als gesellschaftliche Projektionsfläche an. Destinationen werben parallel zu den Reiseanbietern um ihre Gäste und damals wie heute locken die Plakate mit einer idealisierten Welt, die Sehnsüchte weckt und nicht selten Klischees bedient. Um 1900 sind die Adressaten vor allem begüterte (Groß)bürger, später demokratisiert sich das Reisen, während gleichzeitig die Reiseziele internationaler werden.
Neben den gesellschaftlichen Entwicklungen spiegeln Reiseplakate auch den stilistischen Wandel der Kunst. Jugendstil, Art déco und die Moderne hinterlassen ihre unverwechselbaren Spuren in der Handschrift der Designer, wobei eher wenige namentlich bekannt sind. Tourismusplakate waren nie Innovationstreiber, sondern bedienten den aktuellen Zeitgeist.
Der Katalog zeigt technisch hervorragende Reprografien der Plakate in der Ausstellung, die zwar meist auf etwa ein Viertel verkleinert sind, was aber aufgrund des auf Fernwirkung angelegten Designs keine Auswirkungen auf Lesbarkeit oder Wirkung hat. Die editorischen Beiträge beschränken sich auf einige wenige und sehr knapp gefasste Einwürfe, die eher Denkanstöße als tiefere Analysen sind. Die Plakate sprechen ihre eigene Sprache, die auch nach 100 Jahren noch genauso verständlich ist wie damals. Sie brauchen weder Übersetzer (übrigens ein echtes Charakteristikum von Tourismusplakaten), noch Erklärer. Sie sind einfach in Farbe gedruckte Sehnsucht.
(Das Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)