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Während andere Leute einen blauen Himmel wahrnehmen, ist er für Noëlle orange. Der Baum, zu dessen Wurzeln sie kleine Zettel mit dem Namen David darauf vergräbt, ist ultramarin, nicht grün. Noëlle meint mit Tieren reden zu können und die Blumen zu verstehen. Immer wieder sucht sie die Hexe Muira auf und lässt sich von ihr Kerzen, Steine und Amulette aufreden, die David zu ihr bringen sollen. Noëlle befindet sich in einer psychiatrischen Klinik im Kanton Jura, in die ihr Gatte Bertram sie gefahren hat, da sie seit fünf Jahren einem Mann namens David verfallen ist, der sich seit einigen Monaten…mehr

Produktbeschreibung
Während andere Leute einen blauen Himmel wahrnehmen, ist er für Noëlle orange. Der Baum, zu dessen Wurzeln sie kleine Zettel mit dem Namen David darauf vergräbt, ist ultramarin, nicht grün. Noëlle meint mit Tieren reden zu können und die Blumen zu verstehen. Immer wieder sucht sie die Hexe Muira auf und lässt sich von ihr Kerzen, Steine und Amulette aufreden, die David zu ihr bringen sollen. Noëlle befindet sich in einer psychiatrischen Klinik im Kanton Jura, in die ihr Gatte Bertram sie gefahren hat, da sie seit fünf Jahren einem Mann namens David verfallen ist, der sich seit einigen Monaten nicht mehr bei ihr meldet. Noëlle, die nicht weiss, dass sie wahnkrank ist, wähnt sich im Ferienhaus von Bertrams Mutter, wo sie sich von den letzten anstrengenden Jahren erholen will. Zwar erkennt sie, dass sie bei einem Psychiater in Behandlung ist, doch weder sieht sie den Klinikalltag noch die anderen Patienten um sich herum. Als Noëlle die Medikamente absetzt, nehmen ihre Symptome wie innere Unruhe und Stimmenhören zu und sie beginnt zusehends, die Patienten und das Klinikum zu erkennen. Doch sie ist nicht gewillt, den Wahnsinn gänzlich aufzugeben, denn das Spiel um Wirklichkeit und Einbildung hält auch eine persönliche Form von Freiheit für sie bereit. »Fest« handelt von einer schmerzhaften Liebe, die zu emotionaler Abhängigkeit, Realitätsflucht und Identitätsverlust führt. Zindel macht in »Fest« die Erschütterungen in der Psyche einer liebeskranken Frau mit formalen Mitteln, die an einen vielfach geschliffenen Kristall erinnern, eindringlich erfahrbar.
Autorenporträt
Mireille Zindel *1973, ist eine Schweizer Schriftstellerin. Sie hat Germanistik und Romanistik studiert. Ihre vier Romane 'Irrgast' (2008), 'Laura Theiler' (2010), 'Kreuzfahrt' (2016) und 'Die Zone' (2020, lectorbooks) wurden mehrfach ausgezeichnet. Zindel ist Mutter von zwei Söhnen und lebt in Zürich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass sich die Schweizer Autorin Mireille Zindel der "Sphäre zwischen Wahn und Realität" widmet, kennt Rezensentin Lerke von Saalfeld schon und so ist es auch in ihrem neuen Roman, der sich der Mittvierzigerin Noelle widmet. Noelle leidet unter ihrem Liebeswahn zu dem verheirateten David, ihr eigener Mann Bertram hat sie in die Psychiatrie gebracht, erklärt Saalfeld, dort trifft sie auf die Hexe Muira, auf einen Psychotherapeuten, der ihr helfen will und bringt die Leserinnen und Leser öfters in Verwirrung, weil nie so ganz klar ist, was nun stimmt und wirklich passiert ist und was nicht. Zindel hat sich umfassend zu den von ihr behandelten Themengebieten informiert, was die Kritikerin dem Text anmerkt, der aber trotzdem nicht prätentiös daherkommt, sondern in klarer Sprache schwierige Themen gelungen ausbreitet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2024

Zuflucht im Phantastischen

Die Schweizer Schriftstellerin Mireille Zindel, Jahrgang 1973, hat ihren fünften Roman vorgelegt: "Fest". Im Jahr 2008 erschien ihr Debütroman "Irrgast", der sofort Aufmerksamkeit erregte, denn darin kam eine ungewöhnliche Stimme zu Gehör. In all ihren Romanen geht es um verwirrte oder verirrte Menschen, die in einer Sphäre zwischen Wahn und Realität schweben, deren Leben von Grenzüberschreitungen gezeichnet ist. Es geht um Zufluchtsuche in einer imaginären Atmosphäre. So auch im neuen Roman.

In dessen Mittelpunkt steht eine Frau von Mitte vierzig namens Noëlle; sie wird von ihrem Mann Bertram zur Erholung in das Ferienhaus seiner Mutter im Schweizer Jura gebracht. Aber schon bald stellt sich peu à peu heraus, der Fall liegt anders. Noëlle leidet unter einem Liebeswahn. Schon seit fünf Jahren bildet sie sich ein, eine Liebesbeziehung zu einem verheirateten Mann namens David zu haben. "Liebeswahn fühlt sich an, als ob du im Feuer schmachtest und gleichzeitig frierst." Sie schreibt Davids Namen auf kleine Zettel, die sie an den Wurzeln eines Baumes vergräbt. Es sind Hilferufe, er möge sich endlich wieder melden.

Das Ferienhaus entpuppt sich als psychiatrische Klinik, genannt "Paracelsus Recovery Clinic" nach dem Schweizer Arzt und Naturphilosophen des sechzehnten Jahrhunderts. Sie soll dort von ihrer Obsession geheilt werden, zur Seite steht ihr der Psychotherapeut Sascha. Dieser will für einen Artikel Informationen von ihr über ihr Verfolgungssyndrom. "Die Gesunden interessieren sich für die Irren, das war schon immer so. Das war bei ihr nicht anders, als sie noch gesund war", denkt Noëlle und beschreibt ihren Zustand: "Die Grenzen verflüssigen sich, verwischen, verschwinden. Dauernd verschieben sich deine Grenzen. Es gibt Spielregeln, und plötzlich, eines Tages, ist alles möglich, du durchbrichst die Schranken, kratzt an sämtlichen Schwellen, die dir im Weg stehen. Es ist wie das Gefühl, in einer alten Kirche Verstorbene zu spüren, Geister."

Zu diesen Geistern am Ort gehört auch die Hexe Muira, die in ihrem Tinnef-Laden Wunderkerzen, Amulette und Zaubersteine an die Kranken verkauft und sie berät, wie sie ihren Wahn loswerden können, wenn sie sich nur ordentlich mit den magischen Mitteln bei ihr eindecken. Auch Noëlle glaubt daran und wird eifrige Kundin. Das ändert nichts an ihrer Situation, der äußeren Ödnis der Landschaft im Jura entspricht das innere Chaos im Kopf. Die Phantasie geht ihre eigenen Wege. So glaubt Noëlle, sie hätte David mit einer Pilzsuppe vergiftet und die Polizei fahndete nach ihr. Sie vergiftet sich mit Schlaftabletten und kommt vorübergehend in die geschlossene Abteilung.

Ob es stimmt, bleibt dem Leser überlassen. Ihr Mann Bertram will sich von ihr scheiden lassen, ob es wirklich so ist, auch daran mag man zweifeln. Sie schreibt an einem Buch und teilt dem Verlag mit, wie viele Seiten sie schon geschrieben habe, alles geflunkert. Allerdings, auf der letzten Seite des Romans ist ihr Text, von dem man inhaltlich kein Wort erfährt, plötzlich fertig und bekommt den Titel "Fest". Sie setzt gegen den Willen der Klinikleitung ihre Medikamente ab, nun sieht sie klarer, das heißt, sie erkennt, dass sie in einer Klinik lebt, wo auch andere verwirrte Frauen aufgehoben sind, die sich ein neues Leben erfinden müssen.

Wie auch bei ihren anderen Romanen hat sich die Autorin in das beschriebene Sachgebiet eingearbeitet. Für "Fest" hat sie sich von einer Neurologin beraten lassen, hat Psychiatriepatientinnen konsultiert, über die Wirkung von Psychopharmaka, die Bedeutung von Gesprächstherapien und die Abläufe in einer Nervenklinik recherchiert. Auch mit dem Hexenglauben hat sie sich wissenschaftlich beschäftigt. Sie fabuliert nicht, sondern alles braucht Grundierung.

Mireille Zindel ist eine Meisterin in der Schilderung abgründiger Ereignisse und Lebenswege. Wirklichkeit und Wahnsinn stehen einträchtig nebeneinander, ja bedingen sich gegenseitig, als ob sie zueinandergehörten. Der Leser wird dabei ebenso orientierungslos, wie es auch der Patientin ergeht. Die Trugbilder häufen sich bis ins Extreme, ob es dabei wirklich am Ende zu einem Fest kommt, bleibt der Einbildungskraft des lesenden Publikums überlassen. Niemals eindeutig sein, das ist die Devise der Autorin, dafür ist die Welt und sind die menschlichen Beziehungen viel zu kompliziert.

Ganz unkompliziert ist dagegen der Schreibstil der Autorin. Sie bevorzugt knappe Hauptsätze, manchmal fast wie ein Staccato, selten finden sich in diesem Roman stilistische Ausschweifungen oder Girlanden. Der Stoff ist schon hart genug und bedarf keiner weiteren Ausschmückungen. Dieser Gegensatz verleiht dem Erzählten einen eigenen Reiz und macht das Grauen und die Untiefen der menschlichen Seele erträglicher, ja entwickelt eine bizarre Normalität, die das Besondere umstülpt in scheinbar alltägliche Lebenshorizonte. LERKE VON SAALFELD

Mireille Zindel: "Fest". Roman.

Lectorbooks, Zürich 2024. 416 S., geb., 25,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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