Was machen wir am Wochenende? Eine Frage, die nicht nur in Familien mit Kindern gestellt wird. Dieses Buch ist ein Führer zu alten und neuen Volksfesten, lädt zum Mitfeiern ein und erklärt gleichzeitig die Herkunft von Bräuchen, Namens- und Festtagen. Im reich bebilderten Hauptteil sind jedem Monatskapitel ausführliche Veranstaltungstipps angeschlossen, die quer durch Deutschland neben weithin bekannten Festen und Märkten wie dem Hamburger Dom oder dem Nürnberger Christkindlmarkt auch kleinere Veranstaltungen empfehlen. Adressen (einschließlich Internet) von über 1.500 Veranstaltern finden sich einfach und übersichtlich in dem nach Bundesländern geordneten Anhang, während ein Sach- und Namensregister neben dem Schmökern auch eine gezielte Suche nach einzelnen Festen oder Bräuchen möglich macht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2001Das Ei ist ein uraltes Symbol
Der Rosenmontagsrummel dagegen ist von gestern: Angelika Feilhauer weiß, daß am Wäldchestag die Kopierläden geschlossen sind
Das Oktoberfest findet bekanntlich schon im September statt, aber die Oktoberrevolution war ja auch im November. Als nicht gerade revolutionär, aber recht nützlich und informativ erweist sich Angelika Feilhauers Buch "Feste feiern in Deutschland", in welchem das angeblich größte Volksfest der Welt nur die Spitze des Eiskugelbergs ist. Zwar übt die Wies'n eine gewisse normative Kraft insbesondere auf Japaner und Amerikaner aus, deren Deutschlandbild diese Veranstaltung wesentlich prägt, doch Frau Feilhauer zeigt, daß es hierzulande eine Menge großer und kleiner Feste und Feiern gibt, die neben Großveranstaltungen der erwähnten Art durchaus Beachtung verdienen.
Sie beruhen oft auf christlichen oder gar heidnischen Volksbräuchen, wobei letzteren von der kirchlichen Obrigkeit bisweilen notdürftig ein christliches Mäntelchen umgehängt wurde. Wer hätte etwa gedacht, daß das Tannengrün des Weihnachtsbaums einst ein germanisches Zaubermittel war, das erst "im Laufe der Zeit zum Weihnachtssymbol beider Konfessionen wurde, obwohl die katholische Kirche ihn lange als heidnische Sitte ablehnte"? Auch dürfte es manchen überraschen, daß sich der Karneval als ausgelassene Vorbereitung auf die Fastenzeit erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert entwickelt hat. "Vor dieser Zeit hatte man sich zwar zu anderen Terminen des Kirchenjahres wie Weihnachten und Ostern verkleidet, zu Fastnacht war dies aber keineswegs üblich gewesen." Die großen Feste des Kirchenjahres werden also auf ihre historischen Wurzeln zurückgeführt, wobei die Autorin jedoch aus Platzgründen bisweilen etwas oberflächlich vorgeht. Pauschal wird in bezug auf Ostern bemerkt, daß "in vielen Mythologien das Ei bei der Entstehung der Welt eine Rolle spielt, beispielsweise in der ägyptischen, griechischen und chinesischen". Hier hätte man doch gerne Näheres erfahren. Auch fehlt in diesem Zusammenhang auf jeden Fall das finnische Nationalepos "Kalevala", in dessen erstem Gesang die Erde ebenfalls einem Ei entschlüpft.
Solche und zahlreiche andere historische und volkskundliche Kuriositäten berichtet die Verfasserin im ersten Teil des Werkes, der nach Monaten geordnet die wichtigen kirchlichen, aber auch weltlichen Feiertage des Jahresverlaufs und die damit verbundenen Bräuche und Festlichkeiten verzeichnet. Dabei mangelt es nicht an der Beschreibung abergläubischer Sitten, die bisweilen so absurd sind, daß sie schon deswegen eine Wiederbelebung verdienten. "So sollen Frauen den Teig gewisser Gebildbrote, die dem Liebeszauber dienten, mit ihrem Allerwertesten geknetet haben, da das angeblich die Liebe desjenigen, der sie aß, entfachte." Und "in der Laurentiusnacht ging man nackt um die Hirsefelder, um sie vor Spatzen zu schützen". FKK avant la lettre!
Apart ist auch die Empfehlung, am Karfreitag sollten "Gichtkranke Ringe aus Sargnägeln tragen". Untergegangene Namen für Monate und Tage, wie "Kotmonat" für November oder "beschissene Liese" für den Elisabethtag (19. November), sprechen ebenso für sich wie die Tatsache, daß "Matthäus der Patron der Finanzbeamten, Zöllner, Buchhalter und Trinker" ist.
Längere Erläuterungen, die den Lesefluß stören könnten, werden in Textfeldern am Seitenrand gegeben. Hier findet sich Näheres zu den Maikäfern, die sogar vor Gericht zitiert wurden: "Gewöhnlich konnte man sie jedoch nur wegen Nichterscheinens verurteilen." Dafür galt ihr Verzehr in den schweren Zeiten vor Viagra als wirksames Aphrodisiakum! Bisweilen unterlaufen der Autorin kleinere Flüchtigkeitsfehler: So ist der "Pützchens Markt" in Bonn nicht durch eine "Hungersnot" entstanden, sondern aufgrund einer Dürreperiode, die die heilige Adelheid à la Moses durch das Auffinden einer Quelle, ebendes "Pfützchens", beendete. Der Jünger Jesu, der Saulus das Augenlicht wiedergab, hieß Ananias, nicht "Anasias". Die Geschichte Salomes ist keine "Legende", sondern stammt aus dem Markusevangelium. Und die Bäume des "Hamburger Kirschblütenfestes" hat eine engstirnige Stadtverwaltung inzwischen gefällt.
Auch ist die Idee zu einem solchen Buch nicht ganz neu: Standardwerke zu Volksfesten gibt es etwa von der Kinderbuch-Päpstin Sybil Gräfin Schönfeldt (wobei die Bebilderung der noch bei Ravensburger erschienenen Auflagen teilweise sogar identisch mit der in vorliegendem Band ist) oder von Leander Petzoldt. Auch das zehnbändige "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" von Bächtold-Stäubli hat die Autorin weidlich ausgeschlachtet. Neu ist allerdings die Aufnahme zahlreicher Veranstaltungen in den neuen Bundesländern, darunter solche, die erst nach der Wende entstanden sind oder wiederbelebt wurden.
Außerordentlich begrüßenswert ist der nahezu ein Drittel des Bandes einnehmende, von Cornell Ehrhardt zusammengestellte "Veranstaltungskalender", der nicht nur eine detaillierte, nach Bundesländern geordnete Auflistung nahezu aller Volksfeste in Deutschland bietet, sondern auch zu jedem Fest neben den traditionellen Daten wie Anschrift und Telefonnummer eine Internet-Adresse verzeichnet. So liegt ein aktuelles Nachschlagewerk vor, das durch die chronologische Anordnung auch zur vergnüglichen Lektüre einlädt und somit eine willkommene Ergänzung zum ebenfalls neu erschienenen "Lexikon der Feste und Bräuche" von Manfred Becker-Huberti aus dem Herder-Verlag darstellt.
Sollten sich demnächst nicht nur auf dem berühmten "Cannstatter Wasen" und dem "Bremer Freimarkt", sondern auch auf kleineren Festen wie der "Waldshuter Chilbi" oder dem "Billigheimer Purzelmarkt" die Massen tummeln, so könnte das Angelika Feilhauers Verdienst sein. Wollen wir nur hoffen, daß das im Rahmen der Mainzer Johannisnacht veranstaltete "Fischerstechen auf dem Rhein" nicht allzu wörtlich genommen wird!
THOMAS FISCHER
Angelika Feilhauer: "Feste feiern in Deutschland". Ein Führer zu alten und neuen Volksfesten und Bräuchen. Sanssouci Verlag, München 2000. 408 S., Abb., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Rosenmontagsrummel dagegen ist von gestern: Angelika Feilhauer weiß, daß am Wäldchestag die Kopierläden geschlossen sind
Das Oktoberfest findet bekanntlich schon im September statt, aber die Oktoberrevolution war ja auch im November. Als nicht gerade revolutionär, aber recht nützlich und informativ erweist sich Angelika Feilhauers Buch "Feste feiern in Deutschland", in welchem das angeblich größte Volksfest der Welt nur die Spitze des Eiskugelbergs ist. Zwar übt die Wies'n eine gewisse normative Kraft insbesondere auf Japaner und Amerikaner aus, deren Deutschlandbild diese Veranstaltung wesentlich prägt, doch Frau Feilhauer zeigt, daß es hierzulande eine Menge großer und kleiner Feste und Feiern gibt, die neben Großveranstaltungen der erwähnten Art durchaus Beachtung verdienen.
Sie beruhen oft auf christlichen oder gar heidnischen Volksbräuchen, wobei letzteren von der kirchlichen Obrigkeit bisweilen notdürftig ein christliches Mäntelchen umgehängt wurde. Wer hätte etwa gedacht, daß das Tannengrün des Weihnachtsbaums einst ein germanisches Zaubermittel war, das erst "im Laufe der Zeit zum Weihnachtssymbol beider Konfessionen wurde, obwohl die katholische Kirche ihn lange als heidnische Sitte ablehnte"? Auch dürfte es manchen überraschen, daß sich der Karneval als ausgelassene Vorbereitung auf die Fastenzeit erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert entwickelt hat. "Vor dieser Zeit hatte man sich zwar zu anderen Terminen des Kirchenjahres wie Weihnachten und Ostern verkleidet, zu Fastnacht war dies aber keineswegs üblich gewesen." Die großen Feste des Kirchenjahres werden also auf ihre historischen Wurzeln zurückgeführt, wobei die Autorin jedoch aus Platzgründen bisweilen etwas oberflächlich vorgeht. Pauschal wird in bezug auf Ostern bemerkt, daß "in vielen Mythologien das Ei bei der Entstehung der Welt eine Rolle spielt, beispielsweise in der ägyptischen, griechischen und chinesischen". Hier hätte man doch gerne Näheres erfahren. Auch fehlt in diesem Zusammenhang auf jeden Fall das finnische Nationalepos "Kalevala", in dessen erstem Gesang die Erde ebenfalls einem Ei entschlüpft.
Solche und zahlreiche andere historische und volkskundliche Kuriositäten berichtet die Verfasserin im ersten Teil des Werkes, der nach Monaten geordnet die wichtigen kirchlichen, aber auch weltlichen Feiertage des Jahresverlaufs und die damit verbundenen Bräuche und Festlichkeiten verzeichnet. Dabei mangelt es nicht an der Beschreibung abergläubischer Sitten, die bisweilen so absurd sind, daß sie schon deswegen eine Wiederbelebung verdienten. "So sollen Frauen den Teig gewisser Gebildbrote, die dem Liebeszauber dienten, mit ihrem Allerwertesten geknetet haben, da das angeblich die Liebe desjenigen, der sie aß, entfachte." Und "in der Laurentiusnacht ging man nackt um die Hirsefelder, um sie vor Spatzen zu schützen". FKK avant la lettre!
Apart ist auch die Empfehlung, am Karfreitag sollten "Gichtkranke Ringe aus Sargnägeln tragen". Untergegangene Namen für Monate und Tage, wie "Kotmonat" für November oder "beschissene Liese" für den Elisabethtag (19. November), sprechen ebenso für sich wie die Tatsache, daß "Matthäus der Patron der Finanzbeamten, Zöllner, Buchhalter und Trinker" ist.
Längere Erläuterungen, die den Lesefluß stören könnten, werden in Textfeldern am Seitenrand gegeben. Hier findet sich Näheres zu den Maikäfern, die sogar vor Gericht zitiert wurden: "Gewöhnlich konnte man sie jedoch nur wegen Nichterscheinens verurteilen." Dafür galt ihr Verzehr in den schweren Zeiten vor Viagra als wirksames Aphrodisiakum! Bisweilen unterlaufen der Autorin kleinere Flüchtigkeitsfehler: So ist der "Pützchens Markt" in Bonn nicht durch eine "Hungersnot" entstanden, sondern aufgrund einer Dürreperiode, die die heilige Adelheid à la Moses durch das Auffinden einer Quelle, ebendes "Pfützchens", beendete. Der Jünger Jesu, der Saulus das Augenlicht wiedergab, hieß Ananias, nicht "Anasias". Die Geschichte Salomes ist keine "Legende", sondern stammt aus dem Markusevangelium. Und die Bäume des "Hamburger Kirschblütenfestes" hat eine engstirnige Stadtverwaltung inzwischen gefällt.
Auch ist die Idee zu einem solchen Buch nicht ganz neu: Standardwerke zu Volksfesten gibt es etwa von der Kinderbuch-Päpstin Sybil Gräfin Schönfeldt (wobei die Bebilderung der noch bei Ravensburger erschienenen Auflagen teilweise sogar identisch mit der in vorliegendem Band ist) oder von Leander Petzoldt. Auch das zehnbändige "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" von Bächtold-Stäubli hat die Autorin weidlich ausgeschlachtet. Neu ist allerdings die Aufnahme zahlreicher Veranstaltungen in den neuen Bundesländern, darunter solche, die erst nach der Wende entstanden sind oder wiederbelebt wurden.
Außerordentlich begrüßenswert ist der nahezu ein Drittel des Bandes einnehmende, von Cornell Ehrhardt zusammengestellte "Veranstaltungskalender", der nicht nur eine detaillierte, nach Bundesländern geordnete Auflistung nahezu aller Volksfeste in Deutschland bietet, sondern auch zu jedem Fest neben den traditionellen Daten wie Anschrift und Telefonnummer eine Internet-Adresse verzeichnet. So liegt ein aktuelles Nachschlagewerk vor, das durch die chronologische Anordnung auch zur vergnüglichen Lektüre einlädt und somit eine willkommene Ergänzung zum ebenfalls neu erschienenen "Lexikon der Feste und Bräuche" von Manfred Becker-Huberti aus dem Herder-Verlag darstellt.
Sollten sich demnächst nicht nur auf dem berühmten "Cannstatter Wasen" und dem "Bremer Freimarkt", sondern auch auf kleineren Festen wie der "Waldshuter Chilbi" oder dem "Billigheimer Purzelmarkt" die Massen tummeln, so könnte das Angelika Feilhauers Verdienst sein. Wollen wir nur hoffen, daß das im Rahmen der Mainzer Johannisnacht veranstaltete "Fischerstechen auf dem Rhein" nicht allzu wörtlich genommen wird!
THOMAS FISCHER
Angelika Feilhauer: "Feste feiern in Deutschland". Ein Führer zu alten und neuen Volksfesten und Bräuchen. Sanssouci Verlag, München 2000. 408 S., Abb., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Thomas Fischer begrüßt das Buch über Volksfeste und Bräuche, dessen Konzeption er nicht gerade neu findet, das er aber dennoch als "recht nützlich und informativ" lobt. Die Erklärungen zu den historischen Hintergründen der Feste findet er zwar an einigen Stellen "etwas oberflächlich", sieht das aber mit Platzproblemen begründet und äußert Verständnis dafür. Besonders amüsiert hat er sich bei der Beschreibung so mancher abergläubischer Praktiken, wie das Kneten von Brotteig mit dem Gesäß, das einen Liebeszauber bewirken sollte. Fischer freut sich gewaltig, dass solche Kuriositäten in diesem Buch eine "Wiederbelebung" finden. Sehr freut er sich auch über den Veranstaltungskalender, in dem jedes Fest nicht nur mit Termin und Veranstaltungsort, sondern sogar mit Internet-Adresse verzeichnet ist und damit ein wirklich "aktuelles Nachschlagewerk" bilde.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Es gibt Bücher, die hätte man gern selbst geschrieben. (...) 'Feste feiern in Deutschland' ist so eines. (...) Das nützliche Buch, das sich als Reiseführer in Vergangenheit und Gegenwart versteht, dürfte häufig Verwendung finden und seinen Reiz als Füllhorn von Angeboten deutscher Feste so schnell nicht verlieren." (Christoph Schumann, Dresdner Neueste Nachrichten, 16.02.01)