Rekonstruiert werden die kulturellen und wissenschaftshistorischen Prozesse von biblischer Zeit bis zur Gegenwart, durch die der Fetischismus zu einem Zentrum der europäischen Kulturen wurde. Fetischismus sollte das «primitive» Verhalten in außereuropäischen Gesellschaften oder bei «perversen» und «entfremdeten» Minderheiten erfassen. Doch das, was archaisch und unaufgeklärt schien, wird zunehmend als das Gegenwärtige, Eigene und Nahe entdeckt. Jean Paul nennt es «dieses wahre innere Afrika», Marx das «Geheimnis der Ware», Freud «das innere Ausland». Dies ist die fetischistische Kultur, in der wir leben. Von hier aus erscheint die Moderne in neuer Sicht. Sie beendet nicht, sondern universalisiert den Fetischismus, der nicht nur in Massenkultur und Konsum, sondern auch in der Politik oder Sexualität triumphiert. Dass der Fetischismus aus der Moderne nicht wegzudenken ist, erklärt sich auch aus der vergessenen Bedeutung, welche die stummen Dinge im Aufbau der Kultur einnehmen.
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Begeisterung hat Hartmut Böhmes Studie über die Zusammenhänge von Fetischismus und Kultur bei Rezensent Thomas Assheuer ausgelöst. Er würdigt das Werk als eine kritische Reflexion der Moderne, der Böhme weniger Aufgeklärtheit bescheinigen will als das üblich ist. Dem Befund, der Fetischismus sei vital wie eh und je, kann sich Assheuer nur anschließen - unübersehbar nämlich sind für ihn die modernen Kultformen wie Food- und Sexfetischismus, Starkult, Verehrung des Automobils, Apotheose des Sports und die Lust am Konsum. Böhme deute diese Kultformen als Ersatz für die aufgelösten alten Feste und Riten und bescheinige ihnen eine wichtige Funktion für den sozialen Zusammenhalt und die Affektbindung. Die Kapitel über Karl Marx' Ansichten zum Warenfetischismus sind für Assheuer ein besonderer Genuss. Dass Böhme Marx vorwirft, er habe mit seiner Kritik der Ware einen neuen Begriffsfetischismus entfacht, findet Asshauer durchaus delikat, schließlich scheint ihm Böhmes Arbeit bei aller Brillanz selbst nicht ganz frei von Fetischen zu sein. So bleibt es seines Erachtens nicht aus, dass der Autor seine eigene Theorie fetischisiert. Doch das stört ihn angesichts der zahlreichen Einsichten und der glänzenden Formulierungen, mit denen Böhme aufwartet, nicht weiter.
© Perlentaucher Medien GmbH
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